Das Land ist drei Mal so gross wie die Schweiz. Es hat eine eigene Währung, gibt eigene Pässe heraus, hat ein demokratisch gewähltes Parlament, eine eigene Verfassung und eine eigene Regierung. Doch der 3,5-Millionen-Einwohner-«Staat» wird international gemieden und nicht anerkannt.
Somaliland am Horn von Afrika hatte sich 1991 von Somalia abgespaltet. Im Gegensatz zu Somalia, das vom Terror der islamistischen Al-Shabaab-Milizen überzogen wird, herrscht in Somaliland relative Ruhe.
Somaliland und Somalia unterscheiden sich stark: kulturell, geschichtlich, ethisch und entwicklungsmässig. In Somaliland regierten einst die Briten, in Somalia die Italiener.
1960 entliess Grossbritannien «Britisch-Somaliland» in die Unabhängigkeit. Fünf Tage später schloss sich das einstige britische Protektorat mit dem früheren «Italienisch-Somaliland» zur Republik Somalia zusammen.
1991 wurde der somalische Diktator Siad Barre gestürzt. In Somalia brachen der Bürgerkrieg und islamistischer Terror aus.
Somaliland nutzte die Unsicherheit und erklärte sich am 18. Mai 1991 für unabhängig von Somalia.
Doch international wurde das Land bisher einzig von Taiwan anerkannt, nicht aber von der Uno, der EU und der Afrikanischen Union.
Vor allem die Afrikaner befürchten, dass eine formelle Anerkennung Somalilands Abspaltungen in anderen Teilen Afrikas ermutigen und fördern würden.
Hauptstadt von Somaliland ist das auf 1300 Metern Höhe gelegene Hargeisa mit seinen knapp 500'000 Einwohnern.
Im Vergleich zu Somalia ist Somaliland ein «stabiles Land». Trotzdem kam es immer wieder zu vereinzelten Anschlägen. 2003 ermordeten vermutlich Al-Kaida-Mitglieder die italienische Juristin, Friedensaktivisten und Krankenpflegerin Annalena Tonelli. Sie wird heute in Somaliland wie eine Heilige verehrt.
Somaliland lebt vor allem von der Viehzucht – und von Berbera. Der Hafen am Golf von Aden ist der wichtigste äthiopische Exporthafen und eine überlebenswichtige Devisenquelle für Somaliland.
Das viertärmste Land
Trotzdem ist Somaliland extrem arm. Die Weltbank schätzt das Pro-Kopf-Einkommen auf 348 Dollar. Damit wäre ein unabhängiges Somaliland das viertärmste Land der Welt.
Und jetzt wird alles nur noch schlimmer. Der Klimawandel treibt Hunderttausende Menschen ins Elend. Jahrelange Dürren und Heuschreckenplagen brachten die Menschen an den Rand einer humanitären Katastrophe.
Hunger, Wasserknappheit
Laut der NGO «ActionAid» ist Somaliland zusammen mit Äthiopien und Kenia mit «einer der schlimmsten Dürreperioden aller Zeiten» konfrontiert. Hunderttausende Menschen haben mit Hunger und Wasserknappheit zu kämpfen. Riesige Viehbestände verenden. Vor allem Frauen und Mädchen sind stundenlang zu Fuss unterwegs. Sie sind auf der Suche nach Wasser und Weideflächen für ihr Vieh und nach Nahrung und Unterkunft für ihre Familien.
ActionAid zitiert eine 90-jährige Frau namens Anna. Sie hat nach eigenen Angaben in ihrem Leben zwölf Dürreperioden erlebt. Doch diese sei die schlimmste. «Wir haben kein Wasser. Der Treibstoff ist sehr teuer. Früher haben wir Sorghum, Reis, Nudeln und Makkaroni gegessen. Aber jetzt haben wir kein Geld, um diese Lebensmittel zu kaufen. Wir sind am Verhungern.»
Öl-Hotspot?
Doch Somaliland könnte auf einem gigantischen Schatz sitzen. Eine Studie der Weltbank und der Uno hatte ergeben, dass Somaliland wahrscheinlich über riesige Ölfelder mit Reserven in Milliardenhöhe verfügen könnte.
Sollte Somaliland zu einem Öl-Hotspot werden, würde das ein internationales Gerangel auslösen und die Geopolitik am Horn von Afrika auf den Kopf stellen. Spätestens dann würde der vergessene Flecken Erde am Golf von Aden nicht mehr vergessen.
PS. Auch Puntland, das sich nördlich von Somalia und östlich von Somaliland befindet, hat sich vom Mutterland Somalia abgespaltet. Doch Puntland will – im Gegensatz zu Somaliland – keinen eigenständigen Staat errichten, sondern ist an einer gesamtsomalischen Lösung interessiert.