Allerdings stellt sie sich vielen Zeitgenossen gar nicht mehr, denn sie benutzen grundsätzlich das Wort „effektiv“. Das Wort „effizient“ ist nahezu verschwunden.
Dabei hat es eine altehrwürdige Tradition. In der Naturphilosophie des Aristoteles gibt es vier Ursachen, von denen die erste die „causa efficiens“, die Wirk- oder Bewegungsursache ist. „Effizient“ ist also das, was gegenwärtig wirkt.
„Effektiv“ kommt von „effectus“, also einem Partizip Perfekt passiv. Das Wort bezeichnet einen Vorgang, der in der Vergangenheit bewirkt und abgeschlossen worden ist. Daher kommt das Substantiv „Effekt“.
Man kann sich also effektiv getäuscht haben, etwa bei einer Investition. Das weiss man erst hinterher. Arbeiten kann man effizient oder ineffizient, aber kann man auch effektiv arbeiten? Vom Sprachgefühl, also von der Grammatik her sträuben sich da die Nackenhaare. Allerdings ergibt rein sprachlich der Satz Sinn: „Ich habe effektiv acht Stunden gearbeitet.“ Das meint: „Ich habe tatsächlich acht Stunden gearbeitet“.
Aber nun kommt Peter Drucker ins Spiel. Der hat in seinem Buch, „The Effectice Executive“, 1967 folgenden Unterschied gemacht: Effizient sei es, eine Arbeit optimal zu verrichten, also das gesteckte Ziel mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen. Effektiv sei es dagegen, sich die richtigen Ziele zu setzen. So erwartet der Manager von seinen Mitarbeitern Effizienz, er selber aber setzt im Sinne der Effektivität die „richtigen Ziele“.
In der deutschsprachigen populären Managementratgeberliteratur hat sich dafür die Formel durchgesetzt: „Effizient ist es, die Dinge richtig zu tun, effektiv ist es, die richtigen Dinge zu tun.“ Wem diese Formel gefällt, der mag damit auskommen. Aber er darf sich nicht fragen, ob man wirklich jemanden als effizient bezeichnet, der optimal eine stupide oder gar unsinnige Arbeit erledigt. Und ist es nicht die Aufgabe des Managers, die richtigen Ziele zu ermitteln. Besteht darin nicht seine Effizienz?
S. W.
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