Donald Trumps Wahlsieg hat gezeigt, dass Amerikas traditionelle Medien an Reichweite, Glaubwürdigkeit und Einfluss eingebüsst haben. Parteiische Stimmen wie Fox News, soziale Medien wie YouTube und Podcaster wie Joe Rogan waren ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger. An den «legacy media» liegt es nun, adäquat zu reagieren und erneut unentbehrlich werden.
«Die traditionellen Medien sind tot», schrieb der rechte Podcaster Matt Walsh am 6. November, dem Tag nach Donald Trumps historischem Comeback bei der US-Präsidentenwahl: «Ihre Fähigkeit, das Narrativ zu bestimmen, ist zerstört worden. Trump erklärte den Medien 2016 den Krieg. In der Nacht hat er sie völlig bezwungen. Sie werden nie mehr bedeutend sein.»
Angeblicher Tod der herkömmlichen Medien
Zu einem ähnlichen Schluss gelangte nach dem 5. November die Geschäftsführerin einer Fernsehgesellschaft, dich sich nur anonym äusserte: «Wenn die Hälfte des Landes zum Schluss gelangt ist, dass Donald Trump fähig ist, Präsident zu werden, dann heisst das, dass diese Leute unseren Output nicht mehr konsumieren und wir dieses Publikum völlig verloren haben. Ein Trump-Sieg heisst, dass herkömmliche Medien in ihrer gegenwärtigen Form tot sind. Und die Frage stellt sich, was das bedeutet.»
Heisst es zum Beispiel, dass Medien Selbstzensur üben werden, um den neuen Präsidenten nicht zu verärgern, und falls sie das tun, wie werden Leute, die Trump nicht mögen, darauf reagieren? So hat Amazon-Gründer Jeff Bezos, Besitzer der «Washington Post», die Leserschaft massiv verärgert, als er den Meinungsmachern des Blatts verbot, einen Leitartikel zu publizieren, der Kamala Harris als Präsidentin empfohlen hätte. Über 200'000 Leute bestellten verärgert ihre Digital-Abos ab, prominente Journalistinnen und Journalisten kündigten.
Jeff Bezos’ Entscheid ist in der Folge vielerorts als Ausdruck voreiligen Gehorsams gegenüber den neuen Machthabern interpretiert worden. In seinem 2017 erschienenen Buch «On Tyranny» schreibt Yale-Historiker Timothy Snyder, dass Menschen ihr Bestimmungsrecht einer autoritären Macht meist freiwillig überlassen: «In solchen Zeiten überlegen sich Individuen zum Voraus, was eine repressivere Regierung will und sie ergeben sich ungefragt.» Sein Fazit: «Gehorcht nicht zum Voraus!»
Drohschreiben von Trumps Anwalt
Heisst Donald Trumps Sieg ferner, dass die neue Regierung in Washington DC die Drohungen des Ex-Präsidenten gegenüber der Presse, die er als «Volksfeind» beschimpft hat, in die Tat umsetzen wird, d.h. zum Beispiel Sendelizenzen missliebiger Fernstationen zurückziehen oder den Zugang kritischer Korrespondentinnen und Korrespondenten zum Weissen Haus einschränken oder gar verbieten wird? Werden Nachrichtenorganisationen unter diesen Umständen die nötigen Mittel haben, um sich gegen juristische, digitale und physische Bedrohungen zu wehren?
So hat ein Anwalt Donald Trumps der «New York Times» und dem Verlag Penguin Random House ein zehnseitiges Drohschreiben zukommen lassen, das zehn Milliarden Dollar Schadenersetz für «falsche und diffamierende Feststellungen» in zwei Buchkapiteln von Autorinnen und Autoren des Blatts fordert. Die «Times», so der Kläger, sei zu einem «vollmundigen Sprachrohr» der demokratischen Partei geworden, das «massivste Verleumdungen gegenüber politischen Gegnern» in die Welt setze.
Aufschwung von Podcasts, X und Youtube
Derweil schlägt das programmatische «Project 2025» der konservativen Heritage Foundation vor, es Strafverfolgern künftig zu erleichtern, E-mails und Telefonunterlagen von Medienschaffenden zu beschlagnahmen. Auch sind im vergangenen Jahr in den USA über 600 Medienschaffe physisch attackiert worden.
Oder werden neue Medienmarken auftauchen und auch innerhalb der demokratischen Wählerschaft an Glaubwürdigkeit gewinnen, was sich bei den Zwischenwahlen 2026 und bei der Präsidentenwahl 2028 auszahlen könnte? Während Podcasts, von der Politik einst kaum beachtet, an Popularität stark gewonnen haben und inzwischen gegen 135 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner über zwölf Jahren monatlich Podcasts hören, ist der Konsum traditioneller Medien, vor allem was News betrifft, in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen.
Vor allem Jugendliche und Männer zwischen Zwölf und Vierunddreissig hören heute in den USA Podcasts. Wobei zwei Drittel unter ihnen sagen, sie würden solche vor allem hören, um über Nachrichten zu diskutieren. Nicht zu vergessen auch soziale Medien wie der Kurznachrichtendienst X (früher Twitter) oder digitale Plattformen wie YouTube, die im Wahlkampf unreguliert Fake News und Verschwörungstheorien verbreitet haben.
Zu den beliebtesten Podcastern, die Donald Trump unterstützt haben, gehören hierzulande und selbst in Teilen der USA weitgehend unbekannte Namen wie die Nelk Boys, Theo Von, das Duo von Bussin’with the Boys und «der mächtige und machtvolle» Joe Rogan, der meistgehörte Vertreter seiner Spezies. Rogans dreistündiges Interview mit Donald Trump wurde vor der Wahl allein auf YouTube 46 Millionen-mal gestreamt. Dagegen erreichten mehr als ein Dutzend Fernsehgesellschaften am Wahltag selbst lediglich noch 42 Millionen Menschen.
George Clooney, Taylor Swift und Co. zogen weniger
Anders als die Republikaner haben es die Demokraten versäumt, alternative Nachrichtenquellen anzuzapfen; Kamala Harris mochte sich von Joe Rogan nicht interviewen lassen. «Wir alle müssen die künftige politische Kommunikation überdenken», sagt der liberale Podcaster Don Pfeiffer: «Die alten Modelle funktionieren nicht mehr. Früher gab es eine Abmachung zwischen Wahlkampforganisationen, Politikern und Medien. Politiker pflegten sich interviewen zu lassen und harte Frage zu beantworten, aber sie taten das nur, weil es der einzige Weg war. Heute reicht das nicht mehr aus, um die Leute zu erreichen.»
Ebenfalls nicht so effektiv wie erwartet war für die Demokraten die Unterstützung von Show- und Hollywood-Grössen wie Beyoncé, Taylor Swift, Lady Gaga, Oprah Winfrey, Bruce Springsteen, George Clooney oder Richard Gere. Im Gegenteil – als Vertreterinnen und Vertreter einer gehätschelten Elite könnten sie den einen Wähler oder die andere Wählerin aus der Arbeiterklasse eher abgeschreckt haben. Wobei auch nicht geholfen hat, dass bekannt wurde, dass sich Kamala Harris’ Wahlkampfteam einzelne Auftritte von Stars bis zu einer Million Dollar kosten liess.
Die Demokraten hatten erwartet, dank Grössen aus dem Show Business vor allem junge Wählerinnen und Wähler anzuziehen, doch diese gingen dieses Jahr verglichen mit 2020 weniger zahlreich an die Urnen oder sie wechselten ins Lager von Donald Trump. Die volkstümlichen Podcaster und die knalligen Profi-Wrestler auf Trumps Seite waren viel wirksamer.
Parteiische Journalisten?
Doch Donald Trumps Wahlsieg ist nicht das Versäumnis nationaler Medien, seine Kandidatur akribisch unter die Lupe zu nehmen. Anders als 2016, als und auch Umfragen die Popularität des republikanischen Kandidaten fahrlässig unterschätzt und ihm Fernsehkanäle wie CNN viel freie Sendezeit, d.h. praktisch Gratiswerbung gegeben hatten, schauten die «alten» Medien diesmal genauer hin und berichteten während Monaten neutral bis überwiegend negativ über den früheren Präsidenten. Doch wie 2016 schlug Amerikas Wählerschaft alle ihre Warnungen in den Wind oder beachtete sie nicht.
Ein Hindernis, dass traditionelle Medien nicht überwinden konnten, war der Umstand, dass ihre Reichweite, ihre Glaubwürdigkeit und damit ihr Einfluss in letzter Zeit spürbar geschrumpft sind. Doch laut Axios-Gründer Jim Vandehei ist dabei nicht die kleinere Reichweite das Problem, sondern die Qualität des Inhalts: «Das Urteil lässt keine Zweifel offen: Die Hälfte des Landes findet, herkömmliche Medien seien voreingenommen und häufig nutzlos.» Und die Leute glaubten, dass Reporterinnen und Reporter über Republikaner wie Verbrecher und über Demokraten wie Freunde in der Not berichten würden.
Was tun, um die verlorene Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen? «Die Lage verlangt Vorsicht», sagt Jessica Lessin, Gründerin von «The Information», einer Tech-Website: «Das heisst nicht, feige zu sein und keine harten Fragen mehr zu stellen – aber wir müssen uns bewusst sein, dass es nicht unser Job ist, den Leuten zu sagen, was sie denken sollen. Unser Job ist es, neue und wichtige Fakten zu enthüllen – vor allem Fakten, die mächtige Leute lieber verbergen wollen.» Es gelte, so Lessin, für das zu kämpfen, was Donald Trump verachte - hartnäckige und exakte Recherche -, das aber ohne Vorurteile zu tun.
«Leckt eure Wunden – aber nur einen Augenblick lang»
Ähnlich argumentiert Jesse Eisinger, Chefredaktor von «Pro Publica», einer gemeinnützigen Organisation für investigativen Journalismus: «Wir sehen uns vor der grössten Herausforderung unseres Berufslebens. Jetzt werden wir sehen, ob wir es wirklich gemeint haben, als wir sagen, wir würden die Mächtigen zur Rechenschaft ziehen. Werden wir das auch tun, wenn die Leute, über die wir berichten, die nackte Macht auf ihrer Seite haben und auch willens sind, sie einzusetzen? Vielleicht werden wir belästigt werden. Vielleicht werden wir angeklagt werden. Vielleicht wird man uns Gewalt androhen. Vielleicht werden wir ignoriert werden. Sind wir lediglich Gutwetter-Journalisten oder sind wir bereit?»
Auch Richard J. Tofel, Ex-Präsident von «Pro Publica», nimmt Amerikas Medienschaffende in die Pflicht. Er sieht Donald Trumps Wahlsieg vor allem als Folge des Umstands, dass die USA in den vergangenen vier Jahrzehnten zunehmend zu einer «winner-take-all»-Gesellschaft geworden sind, in welcher der Graben zwischen Siegern und Verlierern immer breiter wird, was Einkommen, Besitz, Bildung und die Vorteile betrifft, die Individuen daraus erwachsen. Doch nun hätten Millionen von Verlierern rebelliert und Trump gewählt, obwohl der in seiner Amtszeit nur wenig für sie getan, ihren Anliegen und ihrem Frust aber Gehör verschafft habe.
Das aber, so Richard J. Tofel, dürften Journalistinnen und Journalisten, die zu den Gewinnern der letzten 40 Jahre gehörten, nicht vergessen: «Während dieser Zeit ist der Journalismus von der Arbeiterklasse in die Mittelschicht aufgestiegen und er wird heute von Leuten dominiert, die eine Elite-Ausbildung genossen haben, auch wenn der Beruf heute in wichtigen Aspekten (Geschlecht und Herkunft) Amerika eher, in andern aber weniger gleicht.»
Doch jetzt gehe darum, wichtige Dinge anzupacken und das, obwohl die Einsätze höher seien, als sie je gewesen sein mögen, was jene Dinge betrifft, die Medienschaffenden teuer sind - einschliesslich der Freiheit, ihren Beruf auszuüben: «Leckt eure Wunden, wenn ihr es denn müsst, aber tut das nur einen Augenblick lang. Es gibt viel zu tun, unter Umständen die wichtigste Arbeit eures Lebens.»