Die Weltklimakonferenz COP29 in Baku wirft einmal mehr die Frage auf, was der Konferenzzirkus soll. Ein wichtiger «Fortschritt»: Vor einem Jahr in Dubai flogen noch 86’000 Teilnehmer aus aller Welt herbei, diesmal sollen es «nur» 40’000 sein. Zu welchen substantiellen Beschlüssen wollen 40’000 Konferenzteilnehmer in 14 Tagen kommen?
Die Konferenz, die am 11. November mit Vertretern aus 190 Staaten begann, endet am 24. November 2024. Kritiker haben den Austragungsort moniert, denn Aserbaidschan ist eine autoritär regierte Ex-Sowjetrepublik, die ihre Exportwirtschaft zu 90 Prozent auf Öl und Gas stützt. Die vorherigen Konferenzorte waren nicht viel besser. Die Vereinigten Emirate (2023) und Ägypten (2022) hängen ebenfalls stark von Öl und Gas ab. Beim diesjährigen Treffen in Baku sind offiziell 1773 Lobbyisten der Öl-, Gas und Kohleindustrie akkreditiert. Diese Zahl erreichten die Vertreter der indigenen Völker bei weitem nicht.
Die Delegierten könnten, wenn man es einmal ganz ironisch formulieren will, die Erreichung des Klimazieles vom Pariser Klimaabkommen von 2015 schon in diesem Jahr feiern. Denn das 1,5-Grad-Ziel wird schon dieses Jahr erreicht, nicht erst, wie in Paris vereinbart, 2050. Weniger ironisch betrachtet müsste festgestellt werden, dass in diesem Jahr das Scheitern des Pariser Klimaabkommens konstatiert werden müsste. Daraus könnte die Konsequenz abgeleitet werden, dass von jetzt an auf die jährlichen Klimakonferenzen verzichtet wird.
Das ist aber ebenso unwahrscheinlich wie ein Rückgang der Schadstoffemissionen, die in diesem Jahr wieder neue Höhenrekorde erreichen. Vielmehr etabliert sich etwas, was Robert Musil in seinem «Mann ohne Eigenschaften» als «Parallelaktion» persifliert hat: Die Produktion von Schadstoffemissionen steigt und steigt, und der jährliche Konferenzbetrieb einschliesslich der begleitenden «vorbereitenden» Konferenzen läuft weiter wie gehabt.
Perfekte Begleitmusik
Fragt man Experten, worin denn der Sinn dieser Konferenzen in Anbetracht der Steigerung der Schadstoffemissionen liegt, verweisen sie auf die Erfolge im Ausbau der erneuerbaren Energien, die in einzelnen fortgeschrittenen Ländern schon zu einem Rückgang der schädlichen Emissionen geführt hätten. An diesem Argument ist etwas dran, aber es dürfte schwerfallen, diese Entwicklungen nur als Erfolge der Weltklimakonferenzen, die bis zum Pariser Klimaschutzabkommen durchaus sinnvoll waren, zu verbuchen. Dahinter stehen wirtschaftliche Strategien, die sich die Erfolge technischer Entwicklungen zunutze machen. Und nicht zu vergessen geostrategische Überlegungen, die auf die Sicherung der wirtschaftlichen Macht gerade der aufstrebenden Länder wie China abzielen. Weltklimakonferenzen bieten dafür vielleicht eine nicht unwillkommene Begleitmusik, aber man käme auch ohne sie aus.
Allerdings passt diese Begleitmusik perfekt. Bildet doch die Eigengesetzlichkeit, nach der diese Konferenzen funktionieren, genau die Mechanismen ab, nach denen auch auf den Ebenen der Regierungen, Verwaltungen und Konzerne entschieden wird. Umwelt, Klima und Schadstoffe sind dort allemal Themen, aber Interessen und Notwendigkeiten des eigenen Machterhaltes sorgen dafür, dass sie bei den Entscheidungen in den Hintergrund treten. Wie anders will man es erklären, dass im Zeichen des Klimaschutzes Jahr für Jahr Tausende von Delegierten zu Klimakonferenzen geflogen werden?
Die Entbehrlichkeit sehen
Auf den Klimakonferenzen spielt nicht nur die Frage eine Rolle, wie Schadstoffemissionen reduziert werden können. Vielmehr geht es auch um die Kompensation der Schäden insbesondere in jenen Ländern, die besonders betroffen sind, aber aufgrund ihres Entwicklungsstandes noch nicht derartig viele Schadstoffe ausgestossen haben wie die Industrieländer. Braucht es dafür aber Tausende von Delegierten, die sich Jahr für Jahr mit unklarem Mandat treffen? Wäre es nicht zielführender, wenn sich die betroffenen Länder auf der Ebene von Regierungen austauschen und einigen würden? Umgekehrt liegt der böse Verdacht nahe, dass die Wetklimakonferenzen willkommene Alibiübungen für diejenigen Staaten sind, die gerne ihre Delegierten schicken, um damit «guten Willen» zu simulieren.
Mittlerweile haben prominente Wissenschaftler und Umweltpolitiker in einem offenen Brief an den Uno-Klimachef Simon Stiell eine radikale Reform der Konferenzen gefordert. Die offensichtliche «Realitätsverweigerung» im Hinblick auf das längst überschrittene 1,5-Grad-Ziel müsse ein Ende haben und es müssten neue Mechanismen entwickelt werden, um diejenigen Länder zur Rechenschaft zu ziehen, die die Klimaziele und -verpflichtungen missachten. Dazu brauche es an Stelle der jährlichen Mammutkonferenzen häufiger stattfindende regionale Treffen mit deutlich weniger Teilnehmern. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Sandrine Dixson-Declève, globale Botschafterin des Club of Rome, Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, sowie der ehemalige Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon.
Besser wäre es aber, bis auf weiteres ganz auf Konferenzen zu verzichten. Die dadurch entfallenden Flugreisen wären ein kleiner Beitrag zum Klimaschutz, und es liesse sich beobachten, ob die gewünschten Fortschritte nicht auch ohne diese Konferenzen erzielt werden, weil ihnen ganz andere administrative und wirtschaftliche Mechanismen zugrunde liegen, als sich die eifrigen Konferenztouristen vorstellen. Aber wer will schon seiner eigenen Entbehrlichkeit entgegensehen?