Das rechtspopulistische italienische Regierungsbündnis hat die Regionalwahlen in den beiden wichtigen Regionen Emilia-Romagna und Umbrien verloren. Die Linke jubelt. Regierungschefin Meloni und Lega-Chef Salvini werden nervös.
Die Emilia-Romagna, eine der politisch und wirtschaftlich wichtigsten Regionen Italiens (Hauptstadt Bologna), ist seit jeher eine «rote Hochburg». Jetzt wurde der 39-jährige Sozialdemokrat Michele De Pascale mit gut 56,7 Prozent der Stimmen zum Gouverneur der Region gewählt. Die Kandidatin der Mitte-rechts-Allianz, Elena Ugolini, schaffte es auf nur 40,1 Prozent der Stimmen (die Zahlen sind noch provisorisch).
In der kleinen, aber politisch wichtigen Region Umbrien (Hauptstadt: Perugia) ist die 66-jährige Gouverneurin Donatella Tesei am Sonntag nach vier Jahren im Amt abgewählt worden. Tesei gehört der rechtspopulistischen «Lega» von Matteo Salvini an. Gewählt an ihrer Stelle wurde mit knapp 52 Prozent der Stimmen die 49-jährige Mitte-Links-Kandidatin Stefania Proietti. Sie ist Bürgermeisterin der Stadt Assisi, gilt als «Unabhängige», steht aber den Sozialdemokraten nahe und wurde von diesen unterstützt.
Die Wahlbeteiligung ist in beiden Regionen im Vergleich zu den Wahlen vor vier Jahren stark gesunken.
Melonis Rechts-Allianz hatte fest auf einen Sieg zumindest in Umbrien gehofft. Und in der Emilia-Romagna rechnete man sich gute Chancen aus.
«Man kann eben nicht immer nur gewinnen»
Die Ergebnisse wurden dann auch von Meloni zähneknirschend aufgenommen. Von Rio aus, wo sie am G20-Gipfel teilnahm, sagte sie: «Man kann eben nicht immer nur gewinnen.» Eine nette Phrase. Mehr fiel ihr zunächst nicht ein.
Italien ist in zwanzig Regionen eingeteilt. Fünf von ihnen sind «autonome Regionen» mit einem Sonderstauts. Jede Region hat einen Präsidenten, der auch Gouverneur genannt wird. Er steht einer Regionalregierung vor. Diese Präsidenten und die Regionalräte sind jetzt in der Emilia-Romagna und Umbrien neu gewählt worden. Natürlich jubelt Elly Schlein, die Parteichefin des sozialdemokratischen «Partito Democratico» (PD). «Wenn wir geschlossen sind, gewinnen wir», kommentierte sie.
Konflikt mit Salvini
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat nicht nur glückliche Tage hinter sich. Da gibt es den Dauerstreit zwischen ihr und Lega-Chef Matteo Salvini, einem der beiden stellvertretenden Ministerpräsidenten. Zwar versucht man diesen Konflikt unter der Decke zu halten, doch das gelingt oft nicht. Wichtigster Konfliktpunkt ist das Verhältnis Italiens zu Russland. Meloni steuert eine klar westliche, pro-ukrainische Politik, während Salvini seit jeher ein feuriger Bewunderer von Wladimir Putin ist. Zudem hat er sich klar auf der Linie des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán positioniert und hat sich im Europaparlament der EU-kritischen, rechtspopulistischen, teils rechtsextremen Fraktion der «Patrioten für Europa» angeschlossen. Ihr gehören unter anderen die österreichische FPÖ von Herbert Kickl, die niederländische «Partij voor de Vrijheid» von Geert Wilders und das «Rassemblement national» von Marine Le Pen an. Das behagt nicht allen Italienern und Italienerinnen. Laut alteingesessenen Römer Beobachtern ist das mit ein Grund für die jetzigen schweren Verluste der Lega.
Geschadet hat Salvini auch, dass er den früheren General Roberto Vannacci in sein Boot geholt hat. Wegen Vannaccis grotesk homophoben Aussagen war er vom Dienst suspendiert worden. Dass Salvini trotzdem auf ihn setzte, hat auch viele seiner Parteifreunde erzürnt.
«Schlimmer kann es nicht kommen»
Dazu kommt: Der «Open Arms»-Prozess in Palermo hat zwar Salvinis «Appassionati» zu seiner Unterstützung auf die Barrikaden getrieben, doch viele in Italien billigten es nicht, dass der Lega-Chef 2019 fast 150 kranke Flüchtlinge auf einem Boot festhielt und ihnen die Einfahrt in einen Hafen verwehrte. Die Staatsanwaltschaft fordert jetzt sechs Jahre Gefängnis für Salvini, der sich als Märtyrer aufspielt.
Salvini gilt jetzt vielen als «Loser», der seine frühere magische Anziehungskraft eingebüsst hat. Sein Niedergang färbt sich auch auf die gesamte Regierung Meloni ab. «Schlimmer kann es nicht kommen», sagt Stefano Bargi, ein ehemaliger Lega-Regionalrat der Emilia Romagna gegenüber der Römer Zeitung La Repubblica. Und er fügt hinzu: «Der Punkt ist, dass niemand Selbstkritik übt.»
Abscheuliche Schmuserei mit Musk
Nicht nur Salvinis Lega hat bei den Regionalwahlen in der Emilia Romagna und Umbrien verloren: Auch Melonis «Fratelli d’Italia» büssten Stimmen ein. Die Ministerpräsidentin selbst muss einiges auf ihre Kappe nehmen. Ihr Projekt, Flüchtlinge nach Albanien zu deportieren, kommt in weiten Kreisen Italiens schlecht an. Dass sie dann vom obersten italienischen Gericht zurückgepfiffen wurde, hat ihr Image als stetige Strahlefrau beschädigt. Dazu kommt ihre peinliche Anbiederung an Elon Musk. Natürlich hofft sie, dass der reichste Mann der Welt eine Autofabrik in Italien baut, was Arbeitsplätze schaffen würde. Doch ihre Schmuserei mit Musk wird von vielen als «abscheulich» bezeichnet.
Umfragen zeigen, dass die meisten Italienerinnen und Italiener eine schlechte Meinung von Donald Trump haben. Dass jetzt Elon Musk, Trumps Klon, umschmeichelt wird, kommt schlecht an. Und als sich Musk dazu verstieg, die Entlassung der obersten italienischen Richter zu fordern, platzte manchen im Belpaese der Kragen. Die Richter sollen «nach Hause gehen», hatte Musk verlangt, nachdem das Gericht Melonis Albanien-Projekt torpediert hatte. Wegen dieser Einmischung hatte Staatspräsident Sergio Mattarella daraufhin Musk die Leviten gelesen, was Balsam auf die italienische Seele war. Mattarella gilt als einer der vernünftigsten Politiker in Italien.
Nur Forza Italia gewinnt
Bleibt der dritte im Bund: Antonio Tajani, auch er, zusammen mit Salvini, stellvertretender Ministerpräsident. Er gehört der Ex-Berlusconi-Partei «Forza Italia» an. Sie gehört zur Zeit zu den vernünftigsten Parteien im regierenden Dreierbündnis. Tajani ist klar westlich und pro-europäisch orientiert. Er war von 2017 bis 2019 Präsident des Europäischen Parlaments. In der Regierung Meloni ist er Aussenminister. Mit seiner ruhigen, unpolemischen Art hat er die verrufene, anrüchige Bunga-Bunga-Truppe zu einer ernst zu nehmenden Mitte-rechts-Partei geformt. Mit Erfolg: Forza Italia ist die einzige Partei, die bei den jüngsten Regionalwahlen Stimmen gewonnen und sogar die Lega überholt hat. Nicht nur das: In Umbrien zum Beispiel hat Andrea Romizi, der Forza-Italia-Bürgermeister von Perugia, ein hervorragendes Ergebnis erzielt.
Das gute Abschneiden der einstigen Berlusconi-Partei wird nicht nur von der Lega mit Nervosität betrachtet: Nach Meinung von Römer Polit-Beobachtern beginnt sich auch Meloni ernste Sorgen über eine immer stärker werdende Tajani-Partei zu machen. Die «Azzurri», so werden die Mitglieder von Forza Italia genannt, sagen offen: Nur mit gemässigten Kandidaten hat man Erfolg. «Salvini ist gewarnt», schreibt La Repubblica.
Drei Regierungen
Eigentlich wird Italien seit zwei Jahren von drei Regierungen regiert: von Meloni und ihren Fratelli d’Italia, von Salvini und seiner Lega, und von Tajani und Forza Italia. Alle drei haben das Heu nicht auf der gleichen Bühne. Immer wieder kämpfen sie gegeneinander. Am gleichen Strick zogen sie eigentlich noch nie. Das wirkt sich auf die Bilanz der Regierungsarbeit aus. Sehr viel hat die Regierung Meloni noch nicht erreicht.
Doch die drei brauchen sich und können nicht ohne die andern. Allein oder zu zweit verfügen sie nicht über eine Mehrheit im Parlament. So kann denn Salvini gegen die EU und die USA vom Leder ziehen. Und Meloni muss so tun, als würde sie das alles gar nichts angehen.
Die Linke hofft
In diesem Jahr waren in sieben italienischen Regionen die Regionalregierungen und der Präsident/die Präsidentin neu gewählt worden. In vier der sieben (in den Abruzzen, der Basilikata, dem Piemont und in Ligurien) gewann Melonis Mitte-rechts-Bündnis. In Sardinien, der Emilia-Romagna und in Umbrien siegte die Linke.
Im italienischen Politbetrieb gibt es eine Redewendung: Wer einmal verliert, verliert ein zweites Mal, wer einmal gewinnt, gewinnt ein zweites Mal. Zwar zeigt die Erfahrung, dass dies nicht immer stimmt, doch die Linke hofft, dass die jetzigen Siege in der Emilia-Romagna und Umbrien ihr Auftrieb zu weiteren Erfolgen geben. Im nächsten Jahr finden in Italien fünf weitere wichtige Wahlen statt, unter anderem in Mailand und Venetien.