An sich ging am Mittwochmorgen unter der Bundeshauskuppel alles schlank über die Bühne. Die Vorsitzende der Vereinigten Bundesversammlung, Christa Markwalder, würdigte mit einfühlenden Worten Tatkraft, Dossiersicherheit und Festigkeit der abtretenden - und von der Rechten während Jahren massiv kritisierten - Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Sie selber verabschiedete sich mit einer Rede, mit der sie einmal mehr ihr Format unter Beweis stellte. Gleich darauf bestätigte das Gremium alle bisherigen Bundesrätinnen und Bundesräte mit guten bis sehr guten Resultaten, und bereits im dritten Wahlgang wurde der Neue auf den Schild gehoben, der Waadtländer Guy Parmelin.
Alles lief wie am Schnürchen, und an sich hätte sich auf das Bundesbienenhaus eine entspannte Ruhe senken können - und Erleichterung: Bei der SVP darüber, dass sie ihren zweiten Bundesratssitz zurückerobern konnte, bei der Linken, dass die bitteren Kelche in Gestalt der Herren Aeschi und Gobbi an ihr vorbei gingen. Nur, Freude oder gar Begeisterung wollte, ausser bei der SVP natürlich, nicht aufkommen.
Die totalitäre Klausel
Denn die Begleitumstände dieser Ersatzwahl waren alles andere als begeisternd. Der Grund dafür liegt in der viel diskutierten Ausschlussklausel in den SVP-Staturen, die festlegt, dass ein Kandidat, der eine Wahl annimmt, obwohl er nicht auf dem offiziellen Ticket figurierte, aus der Partei ausgeschlossen wird.
Im Sinne der Bundesverfassung übt ein Schweizer Parlamentarier sein Mandat frei aus. Die SVP-Leitung indessen scheute sich nicht, in ihren Reihen beim imperativen Mandat Zuflucht zu suchen. Dieses Konstrukt ist totalitären Parteien eigen, beispielsweise wandten es während der Weimarer Republik die deutschen Kommunisten an. Bei diesen galt: Die Fraktionsleitung gibt den Tarif durch, wer nicht pariert, wird liquidiert.
Es kommt einem Armutszeugnis für die grösste Schweizer Partei gleich, dass keine Gruppe oder keine der Kantonalparteien, die ebenfalls valable Kandidaten ins Rennen schickten, den Mut aufbrachten, gegen dieses Diktat von oben zu protestieren. Man senkte das Haupt, man fügte sich, man murmelte, wie beispielsweise der Schaffhauser „Schattenkandidat“ Thomas Hurter, ein paar verlegene Worte in die Mikrofone der Medien. Eigenartig, wie viele der Herren, die stets von Freiheit sprechen, zu folgsamen Lämmlein mutieren, sobald die Bosse einen Ukas herausgeben.
„Ominös, skandalös…“
Im Vorfeld der Wahl zeigten sich die andern Parteien nicht gerade entzückt über das SVP-Ticket. Die drei Kandidaten seien „wählbar“, hiess es bei den Bürgerlichen, was kaum auf Euphorie schliessen liess. Und unmittelbar vor dem Wahlgang schritten sämtliche Fraktionspräsidenten ans Rednerpult und übten massiv Kritik an der die Wahlfreiheit der Bundesversammlung einengenden Ausschlussklausel. Sie sei „ominös“, „skandalös“, sie widerspreche dem Geist der Verfassung.
Sprachen’s - und wählten doch einen aus dem Zwangsangebot der SVP. Dieses Ausmass an Inkonsequenz, Willfährigkeit und Opportunismus ist einmalig: Man wählte, ohne innere Überzeugung, Guy Parmelin, damit man Ruhe im Stall hat.
In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass Volk und Stände vor zwei Jahren die SVP-Initiative zur Einführung der Volkswahl der Bundesräte massiv ablehnten. 76 Prozent der Stimmberechtigten (und sämtliche Kantone) fanden, die Vereinigte Bundesversammlung sei besser geeignet, in aller Unabhängigkeit die geeigneten Personen in die Regierung des Landes zu delegieren. Jener Entscheid war ein deutlicher Vertrauensbeweis für das oberste Wahlorgan. Man kann nicht behaupten, die Bundesversammlung habe sich mit der jüngsten Wahl, die ein Kniefall war, dieses Vertrauens als würdig erwiesen.
Zurück zur Normalität
Zweifelhaft ist, ob die SVP nun, wie sie verspricht, den Schritt zurück zu Normalität, Konkordanz und Mitverantwortung tun wird. Gegenwärtig hat sie manche Eisen im Feuer, die eher in die andere Richtung weisen: Ihr Referendum gegen die vom Parlament verabschiedete Asylgesetzrevision sowie die Durchsetzungsinitiative und die Initiative „Landesrecht vor Völkerrecht“, mit denen sie grundlegende Regeln der Verfassung aushebeln will. Und die sich bestens dazu eigenen, mit den Emotionen zu spielen - wie das Oppositionsparteien gerne tun.
Gespannt ist man, welchen Einfluss in dieser Gemengelage der neu gewählte Bundesrat Parmelin ausüben wird. Er sei, heisst es, bodenständig, kollegial, nicht ganz 100prozentig linientreu, verfüge mithin über ein Quantum Unabhängigkeit. Wird er mässigend auf die Alles-oder-nichts-Leute seiner Partei einwirken? Oder einfach ihr verlängerter Arm in der Regierung sein? Wie auch immer - Parmelin ist für vier Jahre gewählt, demokratisch, auch mit linken Stimmen. Doch das Odium der Erpressung bleibt an dieser Wahl hängen.