Der Luzerner Architekt Emil Jauch schuf mit dem Felsbergschulhaus in Luzern ein exemplarisches Werk. Eine im Quart-Verlag erschienene Monografie würdigt nun seine Leistungen im Bereich Schulhausbau. Sie regt auch zu Überlegungen zum Thema «Baudenkmal Schulhaus» an.
Der 1911 geborene Emil Jauch kam erst spät zu einem eigenen Büro. Nach seinem Studium an der ETH Zürich arbeitete er zunächst beim Zürcher Architekten Roland Rohn, bevor er 1936 nach Schweden zog und im Atelier des erfolgreichen Architekten Sture Frölén tätig war. Für Christoph Ramisch, den Autor der Studie über die Schulhausbauten von Jauch, war dieser Aufenthalt für dessen späte Karriere von entscheidender Bedeutung. Skandinavien lag allgemein für viele Schweizer Architekten im Trend, zumal insbesondere Schweden und Finnland als Geschwister der Schweiz betrachtet wurden.
Jauch entwarf schon früh einige Häuser, die im Tessin realisiert werden sollten. Die Abbildungen in der Publikation von Ramisch belegen klar und deutlich die Sympathien von Jauch für die Sprache des Neuen Bauens, die er in Schweden jedoch zugunsten einer Architektur überwand, die regionale Einflüsse zuliess. Zudem war die Einbettung der Objekte in die Natur von entscheidender Bedeutung.
Vermenschlichung der Moderne
Der Titel des Buches, «Empathie als Funktion», fusst laut Ramisch auf Jauchs aus Skandinavien mitgebrachtem Grundsatz, Bauten immer im Hinblick auf die menschlichen Bedürfnisse zu planen. «Die Befreiung von dogmatischen Beschränkungen (…) führte zu einer Vermenschlichung der Moderne.» Und weiter: «Der Funktionalismus Schwedens strebte nach der vollständigen Gewährleistung aller Notwendigkeiten der Menschen, weit über die reine Zweckerfüllung hinaus.»
Kriegsbedingt musste Jauch 1939 in die Schweiz zurückkehren, wobei er zunächst bei Hermann Baur eine Anstellung erhielt exakt zu der Zeit, als Baur im Basler Quartier Bruderholz die erste Pavillonschule in der Schweiz verwirklichen konnte. Das Konzept sah vor, die Klassenräume in einzelnen kleineren Trakten unterzubringen mit grosszügigen Freiflächen dazwischen.
In vielen Publikationen wurde dieser Typus als neues Ideal gefeiert. Davon liess sich auch Jauch beeinflussen, dem 1944 endlich ein Wettbewerbserfolg gelang. Für eine neue Schulanlage im Wesemlinquartier Luzern gewann er mit seinem Vorschlag einer Pavillonschule den ersten Preis (Baur war Mitglied der Jury!). Es folgten danach drei weitere Schulhausbauten in Langendorf SO, Hergiswil Matt NW und Flüelen UR, wobei in Bezug auf Hergiswil und Langendorf die Autorschaft nicht ganz eindeutig ist, weil er hier mit anderen Architekten zusammenarbeitete. 1958 erlitt Jauch einen Autounfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Er starb 1962 mit lediglich 51 Jahren.
Ein Schulhaus im Park
Das 1948 vollendete Schulhaus Felsberg in Luzern ist das wichtigste Werk in Jauchs bescheidener Liste der realisierten Projekte. Zur Verfügung stand ein Park, der mit einzelnen Bauten der ehemaligen Pension Felsberg bestückt war. Die meisten wurden zum Abbruch freigegeben. Jauch reihte drei doppelgeschossige Trakte mit zwölf Klassenzimmern sowie einen Singsaal aneinander, wobei das fallende Gelände mit Stufungen zwischen den gegeneinander leicht abgewinkelten Einheiten bewältigt wurde. Am höchsten Punkt steht isoliert die Turnhalle mit einem markanten Schornstein, sodass zusammen mit dem Singsaal, der eine aus gerundeten Steinen dekorierte Stirnfassade aufweist, eine Torsituation gebildet wird.
Einzigartig ist der Ausblick auf die Parklandschaft, die weitgehend erhalten werden konnte. Ob die architektonische Sprache nun tatsächlich als Ausdruck von «Empathie als Funktion» gedeutet werden kann, darüber lässt sich streiten. Die Architektur fügt sich nahtlos in die Bemühungen jener Architekten ein, die nach der Landi 1939 eine Abkehr von der für sie zu nüchternen Ausdrucksweise des Neuen Bauens forderten. Zudem kann bezweifelt werden, dass erst der Umweg über Skandinavien die Vermenschlichung des Bauens ermöglicht hatte. Wer die Manifeste der frühen Moderne liest, wird in jeder Zeile feststellen, dass sich alles um das Wohlergehen der Menschen dreht.
Abriss oder Renovation
Spätestens in den 1990ern wurde der Ruf nach einer umfassenden Renovation laut, wobei zeitweise sogar ein Abbruch diskutiert wurde. Dieser konnte durch die Unterschutzstellung der ganzen Anlage im Jahre 2009 vermieden werden. Den 2010 ausgeschriebenen Wettbewerb für die Sanierung und für den Bau eines zusätzlichen Traktes gewann das Büro Menzi Bürgler Architekten. Anstelle eines der letzten Gebäude der ehemaligen Pension wurde 2014/15 ein raffinierter Solitär platziert, der sowohl in Bezug auf die Werkstoffe wie auch in Bezug auf die Tektonik an den Altbau anknüpft. Über einem eingezogenen Sockel mit einer Verkleidung aus Bruchsteinen sind zwei Stockwerke gestapelt, die gegeneinander leicht abgedreht sind. Obwohl hier ein beträchtliches Raumvolumen entstand, wurde der Baumbestand im Park nicht angetastet.
Die wichtigste Veränderung im Altbau betraf die Neuorganisation der Klassenzimmer. In jedem Flügel wurde eines geopfert, um Nischen für den Gruppenunterricht zu gewinnen. Der Schreibende erlebte einen ähnlichen Umbau an der Kantonsschule Sursee – damals als pädagogisch-didaktischer Quantensprung verkündet. Die Entwicklung verlief allerdings in eine ganz andere Richtung. Rapide ansteigende Schülerzahlen, verbunden mit einer politischen Unlust, zusätzliche Schulräume zu bauen, führten schon bald dazu, dass ganze Klassen in die Gruppenräume gepfercht wurden. Und als Vater von zwei Kindern, welche ihre Primarschulzeit im Felsbergschulhaus verbrachten, wurde ich Zeuge, wie die Klassenzimmer mit lauter Schul- und Spielmaterial vollgestopft waren. Die von Jauch gewünschten kargen, lichtdurchfluteten Schulzimmer verwandelten sich in chaotisch überfüllte Räume.
Gerettete Idylle
Es fehlt an allen Ecken und Enden an Schulhäusern. Knappe Landreserven zwingen die Planer und Planerinnen zu verdichteter Bauweise, was in Bezug auf den Schulhausbau nur mit mehrgeschossigen Anlagen gelingen kann. Der Typus Pavillonschule scheidet schon aus diesem Grund aus. Dass das Felsbergschulhaus ohne einschneidende Veränderungen erhalten werden konnte, ist ein unglaublicher Glücksfall, und wer die Chance bekommt, als Schüler oder Schülerin in einer solchen Umgebung unterrichtet zu werden, gehört zu den Privilegierten.
Allerdings wurde das Areal in diesem Sommer angeknabbert. Im rückwärtigen Bereich wurde ein altes Wohngebäude abgerissen, um einer zweigeschossigen Pavillonanlage Platz zu machen. Dieses soll bis 2032 bestehen bleiben. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass der Bau mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über diesen Termin erhalten bleiben wird. Immerhin gab man sich Mühe, das Äussere so zu kaschieren, dass die an Container gemahnende Module nicht als solche wahrgenommen werden.
Die Denkmalpflegerinnen und die Verantwortlichen der kommunalen Baubehörden sind wahrlich nicht zu beneiden. Welche Schulanlagen sind als wertvolle historische Zeugen zu retten und welche muss man opfern, weil die Unterbringung der Auszubildenden nur durch raumoptimierte Neubauten zu bewältigen ist?
Eine Trouvaille
Christoph Ramisch veröffentlicht in seiner Studie, die als Abschlussarbeit an der ETH eingereicht wurde, ein verblüffendes Typoskript von Jauch. Die in Dialogform geäusserten Gedanken drehen sich um den Architekturwettbewerb. Jauch formuliert präzise die Probleme, die mit dieser Art von Konkurrenzunternehmen verbunden sind. Wie kommen die Urteile zustande? Wie verständlich sind die Kommentare der Juroren? Wer wählt diese Fachkräfte aus? Welche Chancen hat man als Teilnehmer, vor allem dann, wenn man weiss, dass die eigene Auffassung nicht mit derjenigen der Juroren übereinstimmt?
Die Fragen haben nichts von ihrer Aktualität verloren. Jauch formuliert Lösungsansätze, wie diese für Architekten und Architektinnen lästigen Hürden abgebaut werden können. Der Text ist ein Fund, der für die Erforschung der schweizerischen Architekturwettbewerbe einiges hergeben könnte.
Christoph Ramisch: Empathie als Funktion. Die Schulbauten Emil Jauchs. Quart Verlag Luzern, 2022.
Fotos © Fabrizio Brentini