Zum ersten Mal sind die Sozialdemokraten wieder stärkste Partei.
Der durchschlagende Erfolg des sozialdemokratischen „Partito Democratico“ (PD) bei den jüngsten Bürgermeisterwahlen schlägt sich auf die nationalen Meinungsumfragen nieder.
Die Sozialdemokraten hatten am vergangenen Wochenende – und im ersten Wahlgang zwei Wochen zuvor – alle fünf wichtigen italienischen Städte erobert: Rom, Mailand, Bologna, Turin und Neapel.
Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega und Giorgia Meloni von den postfaschistischen Fratelli d’Italia gestanden ihre Niederlage sofort ein. Salvini führte sie darauf zurück, dass die Rechte uneinig in den Wahlkampf zog und ihre Bürgermeisterkandidaten zu spät ernannte. Meloni sprach von einer Niederlage, „aber nicht von einem Debakel“.
Wichtiger Symbolwert
Gespannt war man nun, ob sich diese Ereignisse auf die nationalen Umfragen auswirken würden. Im Gegensatz zu anderen Ländern spiegeln Meinungsumfragen in Italien oft recht genau die Ansichten der Wählerinnen und Wähler wider.
Die Ipsos-Umfrage, die der Mailänder Corriere della sera nun am Samstag veröffentlicht, zeigt, dass die Sozialdemokraten erstmals seit langer Zeit wieder die stärkste Partei sind – allerdings mit einem ganz minimen Vorsprung auf die Lega. Trotzdem: solche Umfragen haben in Italien einen wichtigen Symbolwert. Sie beschleunigen oft – im Positiven und im Negativen – die öffentliche Meinung.
0,7 Prozent vor der Lega
Der sozialdemokratische Partito Democratico gewann laut der Umfrage, die zwischen dem 19. und dem 21. Oktober durchgeführt wurde, im Vergleich zur Vorwoche 0,7 Prozent der Stimmen und kommt damit auf 20,7 Prozent.
An zweiter Stelle liegt die Lega von Salvini mit 20,0 Prozent. Dritte sind die Fratelli d’Italia mit 18,8 Prozent, gefolgt von den Cinque Stelle mit 16,5 und Berlusconis Forza Italia mit 8 Prozent.
Auch andere Umfragen (Termometro Politico und Noto) registrieren Zuwächse für den PD, sehen ihn allerdings immer noch knapp an zweiter Stelle.
Der spröde Intellektuelle
Auch Enrico Letta, der Parteiführer der Sozialdemokraten, den viele schon abgeschrieben hatten, legt zu: um 3 Punkte. Mit 32 Punkten ist er jetzt der viertbeliebteste Politiker Italiens. Der oft etwas spröde und wenig charismatisch wirkende Letta war 2013/2014 zehn Monate lang italienischer Ministerpräsident und wurde dann von Matteo Renzi gestürzt.
Berühmt ist das Bild von der Amtsübergabe. Letta würdigte beim obligaten Handshake Renzi keines Blickes.
Im März dieses Jahres wurde Letta zum Vorsitzenden der Sozialdemokraten gewählt. In einer Online-Abstimmung erhielt er bei zwei Gegenstimmen 860 Stimmen. Er folgte auf Nicola Zingaretti, der wegen interner Turbulenzen zurückgetreten war. Der Sieg der Sozialdemokraten bei den jüngsten Wahlen in den grossen Städten hat nun Lettas Position gestärkt. Er ist kein Dogmatiker und mit einer Journalistin des sehr bürgerliche Corriere della sera verheiratet.
Den Gewinnern helfen
Natürlich sind solche Umfragen mit grösster Vorsicht aufzunehmen – vor allem auch, weil die Abstände zwischen den Parteien minim sind. Der Corriere della sera kommentiert denn auch: „Vielleicht müssen wir noch ein paar Wochen warten, bis sich die Auswirkungen deutlicher zeigen.“
Vielleicht aber auch, schreibt der Corriere, „haben wir es mit einer Veränderung der Vergangenheit zu tun“. Die Zeitung zitiert dann einen berühmten Aphorismus des Schriftstellers und Journalisten Ennio Flaiano (1910–1972), der sagt, die Italiener seien immer bereit, den Gewinnern zu Hilfe zu kommen.