
Die Regierung opfert dem Sparwahn zwei wertvolle Visitenkarten der Schweiz: Swissinfo und das Rotkreuzmuseum in Genf. Der damit verbundene Schaden überwiegt den Nutzen des Spareffekts bei weitem. Der Sinn dieser Entscheidungen muss ernsthaft in Zweifel gezogen werden.
In unserer krisengeschüttelten Welt ist eine unabhängige und unvoreingenommene Stimme besonders wichtig: Swissinfo (SWI), im Internet zu lesen, besteht seit 2001 und informiert in 10 Sprachen. SWI ersetzt den Kurzwellensender Schwarzenburg, der während des Zweiten Weltkriegs Auslandschweizer in aller Welt mit glaubwürdigen Informationen bediente. Gleichzeitig wurde er auch von Regierungsstellen und Menschen weltweit als unabhängiger Nachrichtenlieferant geschätzt. Höhepunkt war die wöchentliche Weltchronik von Jean Rudolf von Salis.
Der Bundesrat nennt das radikale Sparprogramm im Betrag von 2,7 bis 3,6 Milliarden Franken schönfärberisch Entlastungspaket. Für das Auslandangebot der SRG bedeutet das: Der gegenwärtige Bundesbeitrag von 18,9 Millionen würde ab 2027 gestrichen. Das träfe vor allem Swissinfo, aber auch tvsvizzera.it., 3SAT und TV5 Monde. Nach Auskunft von SWI-Direktorin Larissa Bieler könnte «die Information für die Auslandschweizer in deutscher, französischer, italienischer und englischer Sprache, sowie das Angebot in weiteren sechs Sprachen, nicht weitergeführt werden.»
Swissinfo auch wichtig wegen zunehmender Lügenpropaganda
Weshalb die Service-Public-Leistung von Swissinfo unersetzlich ist, erläutert ein internes Dokument. Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer erhalten in den Landessprachen verlässliche Informationen über das Geschehen in der Schweiz. Das ist wesentlich für jene der gut 800’000 im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizer, die an eidgenössischen Abstimmungen teilnehmen. In Zeiten weltweiter Konflikte verbreiten vor allem Russland, China und andere diktatorische Staaten, in letzter Zeit auch die USA, dauernd falsche Nachrichten und lügnerische Propaganda – auch über die Schweiz. Unabhängige und korrekte Informationen sind nicht nur für unsere Landsleute unerlässlich, sondern ebenfalls für viele Institutionen und Menschen in der ganzen Welt. Sie werden in zehn Sprachen über die Schweiz, ihre Stellungnahmen sowie über die Wirtschaft, die Kultur und die Eigenheiten unseres Landes orientiert.
Viel zitiert und in 196 Ländern zu lesen
Swissinfo-Direktorin Bieler präzisiert: «Wir werden jede Woche 50 bis 80 Mal von ausländischen Medien mit Nachrichten über die Schweiz zitiert und in 196 Ländern gelesen.» In Russland und China ist die Internetseite gesperrt, doch gelinge es Bewohnern dieser Länder gleichwohl, swissinfo.ch zu lesen.
Bundesratsentscheid nicht nachvollziehbar
Wie kommen Aussenminister Ignazio Cassis und der Bundesrat dazu, ein Aushängeschild der Schweiz einfach aufzugeben? Es regt sich Widerstand: Die Auslandschweizer-Organisation setzt sich energisch für Swissinfo ein, im Ständerat wurden einleuchtende Fragen von Isabelle Chassot (Mitte, FR) von Bundesrat Albert Rösti in unbefriedigender Weise beantwortet; es wird wohl weitere Vorstösse geben
Wird auch das Rotkreuzmuseum geopfert?
Die Streichung des Beitrags von 1,1 Millionen Franken an das Rotkreuzmuseum wird verschleiert, denn der Bundesrat nennt das «Verschiebung der Zuständigkeit für das Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondmuseum in Genf». Das bedeutet nach Auskunft von Museumsdirektor Pascal Hufschmid, dass der Verlust nur teilweise ausgeglichen werden kann, indem sich das Museum beim Bundesamt für Kultur um einen Beitrag von höchstens 300’000 Franken bewerben kann. Es ist jedoch unsicher, ob das Geld auch zugesprochen wird; zudem müsste man sich jedes vierte Jahr erneut um einen Beitrag bewerben. Hufschmids Schlussfolgerung: «Diese Unsicherheit und der Verlust von mindestens 800’000 Franken Bundesunterstützung führt zu einem strukturellen Defizit und der Schliessung des Museums.» Das jährliche Budget beträgt 4,5 Millionen und rund die Hälfte steuern bisher der Bund, der Kanton Genf und das IKRK bei; der Rest besteht aus Einnahmen der Einritte und z. B. dem Verkauf von Büchern.
Das Rotkreuzmuseum ist eine Stiftung. Deren Mitglieder werden vom Eidgenössischen Aussenpolitischen Departement (EDA), vom Kanton Genf und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) abgeordnet; weiter gehören Privatpersonen dazu. Es handelt sich um ein einzigartiges Museum, welches das humanitäre Völkerrecht fördert und die Tätigkeit des IKRK und die Genfer Konventionen darstellt. Jährlich wird es von rund 120’000 Personen besucht, ein gutes Drittel aus der Schweiz. Nach Angaben des Museums werden monatlich rund zwei offizielle Delegationen empfangen, Staatschefs, Minister, Diplomaten sowie internationale Organisationen und Vereinigungen.
Der Bundesrat widerspricht sich
Es ist unverständlich, dass der Bundesrat dieses Museum aufs Spiel setzt. In seinem «Zweiten Bericht über den Stand der Umsetzung des internationalen Völkerrechts durch die Schweiz» vom Oktober 2024 betont die Regierung, wie wichtig ein besseres Verständnis und grössere Verbreitung des humanitären Völkerrechts auch in unserem Land sei. Das Museum wird im Bericht zwar nicht erwähnt, aber es wird eindeutig seine Tätigkeit beschrieben.
Breite Unterstützung im Nationalrat
Immerhin gibt es Unterstützung fürs Museum. Die Genfer Nationalrätin Estelle Revaz (SP) hat im vergangenen Dezember eine Motion eingereicht, mit welcher der Bundesrat beauftragt wird, «eine ausreichende finanzielle Unterstützung für das Museum» aufrechtzuerhalten. 76 Nationalrätinnen und Nationalräte aller Parteien unterstützen den Vorstoss. In der Begründung heisst es, die Existenz des Museums sei nicht gesichert und eine Übernahme durch einen anderen Staat werde nicht ausgeschlossen. Das wäre peinlich für die reiche Schweiz. Der Bundesrat lehnt die Motion jedoch ab und findet, die Ausstrahlung des Museums sei gering. Das widerspricht in krasser Weise seinem oben zitierten Bericht.
Die Finanzministerin und Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter ist offensichtlich auf ihre Bundesbuchhaltung fixiert. Sie und der Bundesrat kümmern sich offensichtlich nicht um die zerstörerischen Folgen vieler Sparvorschläge. Es gibt noch weitere Organisationen und auch Kantone, die das radikale «Entlastungspaket» nicht annehmen können und es wenigstens entschärfen möchten. Im Parlament wird es zu harten Auseinandersetzungen kommen.