Am Sonntag um 11.35 Uhr heulen im Hafen von Genua die Sirenen. Unter dem Applaus Hunderter Hafenangestellter und Schaulustiger wird das 50'000 Tonnen schwere Schiffswrack rückwärts in den Hafen gezogen.
Damit ging die letzte Reise des einst grössten Kreuzfahrtschiffs der Welt zu Ende.
Der Konvoi mit der Costa Concordia war am Samstag spät vor dem Hafen von Genua angekommen. Während das Wetter während der gefährlichen Reise gut war, brach plötzlich ein heftiges Gewitter mit Blitzen und Donner los. Ein Blitz zischte nur wenige Meter neben dem Schiff ins Meer. Dies belegt ein Foto von Edmondo Zanini. Er befand sich auf einem Schiff des Dienstleisters Micoperi, der an der Bergungsaktion massgeblich beteiligt war.
Hell beleuchtet lag das Schiff in der Nacht zum Sonntag fünf Kilometer vor dem Hafen.
Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi, der sich nach Genua begeben hatte, dankte den Ingenieuren und allen Arbeitern für ihre aussergewöhnliche Leistung. Was das Team unter dem Briten Nick Sloane geleistet hat, ist Ingenieurkunst höchster Güte.
Italien habe bewiesen, sagte Renzi, dass es zu höchsten Leistungen fähig sei. Nick Sloane selbst stand beim Einlaufen des Schiffs in den Hafen auf der Kommandobrücke und wurde mit Applaus empfangen. Dreissig Monate lang hatte er die Bergungsarbeiten geleitet. Im letzten September hatte er das Wrack aufgerichtet. Dann machte er die Schiffsleiche für die Überfahrt fit und geleitete den Koloss jetzt nach Genua.
Der italienische Umweltminister Gianluca Galletti lobte den Erfolg der Begungsaktion. Das Schiff habe keinerlei Verschmutzung im Meer verursacht. Mit polemischen Worten hatte die französische Umweltministerin Ségolène Royal die Fähigkeiten der italienischen Ingenieure in Frage gestellt. "Unsere französischen Freunde", sagte nun Galletti,"müssen lernen, Vertrauen in uns zu haben".
Ségolène Royal erinnerte vor allem daran, dass das Schiff über das „Santuario dei Cetacei“ gezogen wurde, ein riesiges Meerschutzgebiet zwischen der Toskana, Ligurien, Frankreich und Monaco. Hier leben neben zwölf Arten von Meeressäugern 8500 Tierarten. Wäre das Schiff hier gekentert, hätte das der Fisch-Population einen riesigen Schaden zugefügt. Bis zur Insel Pianosa wurde der Konvoi von Delfinen begleitet.
"Dies ist kein Freudentag", erklärte Galletti und erinnerte an die Opfer. "Aber wir sind dankbar".
Die Überfahrt von Giglio nach Genua hatte knapp vier Tage gedauert. Alles verlief planmässig. Um 5.30 Uhr waren acht Schlepper aus dem Hafen ausgelaufen und hatten die Costa in Beschlag genommen. Wegen starken Nordwinden verzögerte sich das Einlaufen in den Hafen von Voltri-Prà, wo das Schiff abgewrackt werden soll.
Schon nächste Woche soll mit der Verschrottung begonnen werden. Sie wird 22 Monate lang dauern.
Die Costa Concordia, einst das grösste Kreuzfahrtschiff der Welt, war am 13. Januar 2012 mit über 4'000 Menschen an Bord vor der toskanischen Insel Giglio auf einen Felsen geprallt und gekippt. 32 Menschen waren ums Leben gekommen.
Nach einem letzten Toten, dem 33-jährigen indischen Schiffsangestellten Russel Rebello, wird noch immer gesucht. Er befindet sich entweder noch im Schiffsrumpf oder vor Giglio. Das Unglück forderte später ein weiteres, ein 33. Opfer. Ein spanischer Taucher war bei den Bergungsarbeiten ums Leben gekommen.
Die Bergungsaktion der Costa Concordia kostet 1,5 Milliarden Euro, allein die bevorstehende Verschrottung in Genua wird hundert Millionen verschlingen. Sie findet in zwei Hafenanlagen statt: vier Monate lang in Voltri-Prà und 18 Monate in Sampierdarena. 80 Prozent des Materials des 50'000 Tonnen schweren und 290,2 Meter langen Schiffs können recycelt werden, vor allem Eisen und Holz.
An das Schiff waren 30 Stahlkästen angebracht worden, die mit Luft gefüllt wurden. So wurde das Wrack über Wasser gehalten. Mit einer Geschwindigkeit von knapp fünf Kilometern pro Stunde war es von zwei Schleppern durch den toskanischen Archipelago und das Mare Ligure von Giglio nach Genua gezogen worden. Am Samstagnachmittag wurde die Geschwindigkeit reduziert, da man nicht in der Nacht in Genua einlaufen wollte.
Hunderte Schaulustige hatten sich im und rund um den Hafen eingefunden. Auch vom alten Leuchtturm des Hafens aus wurde das Einlaufen beobachtet. Geschäftstüchtige Genuesen vermieteten ihre Balkone an Touristen, um dem Spektakel folgen zu können. Einige verlangten bis zu 80 Euro. Nach der Katastrophe das Geschäft.