
Jetzt gibt es sie auch in der Schweiz: eine noch rudimentäre Bewegung namens «Omas gegen Rechts», die sich gegen rechtsextreme Tendenzen einsetzen will. Das politische Engagement älterer Frauen ist grundsätzlich löblich, doch die undifferenzierte Etikettierung nach einem stereotypen Links-rechts-Schema ist unproduktiv und begünstigt die unheilvolle gesellschaftliche Polarisierung.
Gegründet worden ist in der Schweiz der Verein «Omas gegen Rechts» erst im März dieses Jahres. Vorbild und Inspiration für diese Initiative sind Bewegungen gleichen Namens in Deutschland und Österreich, über die in den Medien schon seit einigen Jahren gelegentlich berichtet wird und deren Mitglieder als Aktivistinnen für bestimmte politische Anliegen in Erscheinung treten.
Alles Nichtlinke in den gleichen Topf?
Im Manifest der Schweizer «Omas gegen Rechts» liest man im Internet unter anderem folgendes Bekenntnis: «In vielen Köpfen, Herzen und Händen hat es wieder Platz für Antisemitismus, Rassismus, Sexismus und Männlichkeitswahn, für Abwertung und Ausgrenzung der ‘Anderen’ und Überhöhung der eigenen ‘Normalität’. Dank unserer Lebenserfahrung und unserer geistigen Jugendlichkeit erkennen wir diese menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Tendenzen. So sind wir politisch, aber nicht parteipolitisch. Wir schauen hin und nicht weg … Wir stehen gegen das Vergessen der Vergangenheit ein. Wir erkennen Ungerechtigkeiten und nennen die Dinge beim Namen. Wir bleiben hartnäckig und frohgemut.»
Das klingt grosso modo verständlich, wenn auch sehr allgemein und ziemlich idealistisch formuliert, wie das bei politischen Manifesten meist die Regel ist. Es ist sympathisch, dass sich Frauen im reiferen und fortgeschrittenen Lebensalter für ein aktives politisches Engagement mit humanitären Zielen organisieren. In Zeiten, in denen hierzulande nicht selten über mangelndes politisches Interesse in breiten Teilen der Bevölkerung geklagt wird, kann man solche Aktivitäten nur begrüssen.
Sehr fragwürdig bleibt allerdings, weshalb sich diese politische Frauenbewegung so einseitig und explizit «gegen Rechts» positionieren will, obwohl sie in ihrem Manifest gleichzeitig versichert, sie sei «politisch, aber nicht parteipolitisch». Das Etikett «Omas gegen Rechts» suggeriert jedenfalls, dass diese engagierten Frauen alle Positionen, die man gemeinhin als rechts von der politischen Mitte einordnet, ablehnen und ihnen den Kampf ansagen. So werden gut etablierte bürgerliche Parteien wie in der Schweiz die FDP oder die deutsche CDU/CSU in den gleichen Topf geworfen wie der rechtsnationalistische Flügel der SVP oder in Deutschland die extremistische AfD. Ähnliches gilt in Österreich für die Gleichsetzung der bürgerlichen ÖVP mit der fremdenfeindlichen rechtsextremen Kickl-FDP.
Simplifizierung und Pauschalisierung
Auf diese politisch einseitige Standortdefinition angesprochen, erklärt Rosmarie Brunner, eine Vertreterin der neu gegründeten schweizerischen «Omas gegen Rechts» in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger»: «Nein, wir stellen uns nicht gegen Konservative. Der Name ist vielleicht nicht ganz präzise, weil er eine Marke ist – und länderübergreifend verbindet. Wir engagieren uns gegen rechtsextremes Denken und Handeln und damit gegen die Gefährdung der Demokratie. Uns geht es nicht nur um rechts-links.»
Das mag vernünftig tönen. Dennoch haftet dem Namen dieser Bewegung der Makel an, dass sich die Stossrichtung inhaltlich allein «gegen Rechts» richtet. Dass es auch gemässigte, konservative oder liberale Strömungen im rechten Spektrum gibt, wird durch diese kämpferische Etikettierung ebenso ausgeblendet wie die Tatsache, dass sich auch auf der linken politischen Seite extreme Kräfte tummeln, die sich mit den humanitären und demokratischen Zielen der «Omas» nicht vereinbaren lassen. Und falls die engagierten «Omas» sich an einer Protestdemonstration gegen das Xi-Regime in China beteiligen sollten, so wäre das keine Manifestation «gegen Rechts», sondern vielmehr «gegen Links», denn diese Regierung definiert sich weiterhin explizit als kommunistisch.
Die grösste Schwäche des Labels «Omas gegen Rechts» steckt also in seiner implizierten Simplifizierung und Pauschalisierung von rechts und links: Alles was von rechts kommt, ist schlimm, dagegen kämpfen die engagierten Omas. Für links gilt im Umkehrschluss das Gegenteil. Solche Vereinfachungen und deren Propagierung in der öffentlichen Rhetorik tragen gewiss nicht dazu bei, die viel beklagte politische Polarisierung in den demokratischen Gesellschaften zu entschärfen. Zur Differenzierung der stereotypischen Links-rechts-Kategorien könnten die «Omas gegen Rechts» einen sinnvollen Beitrag leisten: Sie könnten ihre Bewegung präzisieren und in «Omas gegen Extremismus» umbenennen. Das würde ihr möglicherweise auch mehr Zulauf von Frauen aus Kreisen einbringen, die sich mit humanitären gesellschaftlichen Zielsetzungen durchaus identifizieren, aber mit einer simplifizierenden Stossrichtung «gegen Rechts» nichts anfangen können.
Solchen Zulauf aus einem explizit erweiterten Spektrum haben die «Omas gegen Rechts» nötig, wenn sie tatsächlich politische Wirkung erzielen wollen. Obwohl diese Bewegungen in Österreich und in Deutschland schon seit bald zehn Jahren existieren, haben sie in ihren Ländern offenkundig wenig dazu beitragen können, die beunruhigenden Erfolge der AfD und der Kickl-FDP bei den letzten Parlamentswahlen zu verhindern.