Portugal hat nun eine bürgerlich-konservative Minderheitsregierung, die ihre erste parlamentarische Feuerprobe bestanden hat – ohne eine Krücke von Rechtsaussen. Ministerpräsident Luís Montenegro ist gleich danach jedoch unter Beschuss geraden. Wie lange er sich im Amt hält, steht dahin.
Einen erleichternden «Steuerschock» hatte Luís Montenegro, der 51-jährige Chef von Portugals bürgerlichem Partido Social Democrata (PSD), seinen Landsleuten vor der Parlamentswahl am 10. März versprochen. Seit Anfang April steht Montenegro an der Spitze einer Minderheitsregierung, die sich auf nur 80 der 230 Abgeordneten stützen kann. Vor der Wahl versicherte er, dass er ohne Tricks auskommen werde. Ihm wurde als Regierungschef aber schon Schummelei vorgeworfen.
Steuererleichterungen aus der Mogelpackung
Kaum angetreten, verkündete Montenegro, dass seine Landsleute in diesem Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro weniger an Einkommenssteuer bezahlen würden als noch 2023 – womit er eine kleine Neuigkeit mit viel Schnee von gestern vermischte. Er sagte nichts wirklich Falsches, tat sich aber nicht zum ersten Mal mit einer irreführenden Unklarheit hervor. Er verschwieg diesmal ein wesentliches Detail.
Zum Paket steuerlicher Entlastungen gehörten nämlich auch Erleichterungen von gut 1,3 Milliarden Euro, mit denen schon die Regierung der im März abgewählten Sozialisten die Steuerzahler bedacht hatte. Montenegros zusätzliche Massnahmen «wiegen» weniger als 200 Millionen Euro. Also wurde dem Regierungschef vorgeworfen, mit einem Schwindel von Steuererleichterungen für Unternehmen ablenken zu wollen.
Bleiben die Rechtsextremisten aussen vor?
Dieser Streit entflammte allerdings erst, nachdem Montenegro am letzten Freitag seine Feuerprobe im Parlament bestanden hatte. Zwei Tage lang hatte das Parlament über das Programm der Regierung debattiert. Eine Abstimmung über das Programm einer neuen Regierung ist in Portugal nicht obligatorisch und findet nur statt, wenn eine Partei diese beantragt, wobei eine Ablehnung einem Misstrauensvotum gleichkommt. Solche Anträge stellten der Linksblock und die Kommunisten, sie scheiterten aber schon an der Stimmenthaltung der 78 sozialistischen Abgeordneten. Montenegro hätte die Abstimmung also auch überstanden, wenn die 50 Abgeordneten der rechtsextremen Partei Chega nicht für ihn gestimmt hätten. Chega versucht, sich der Regierung als unerlässliche Krücke anzudienen. Montenegro will aber ohne die Stimmen dieser xenophob-populistischen Partei auskommen.
Das neue Kabinett hat 17 Mitglieder, 10 Männer und 7 Frauen. Es gab Spekulationen darüber, was die Aufteilung der Ressorts wohl über die Prioritäten dieser 24. Regierung seit dem Inkrafttreten der Verfassung von 1976 aussagen könnte. So entschloss sich die Regierung zur Fusion des Ministeriums für Bildung – das gewöhnlich nicht in der Lage war, einen reibungslosen Start eines neuen Schuljahres zu garantieren – mit dem für Wissenschaft, Technologie und Hochschulwesen. Rückgängig gemacht wurde zugleich die erst Anfang 2023 vollzogene Zweiteilung des Ministeriums für Infrastruktur und Wohnungswesen in zwei separate Ressorts – und dies gerade jetzt, in einer Zeit der Wohnungsnot. Klar ist mittlerweile schon, dass die neue Regierung einige halbherzige Massnahmen der Sozialisten zurücknehmen will. Organisationen, die mit der Einwanderung befasst sind, befremdete die Tatsache, dass es kein Staatssekretariat für die Migration mehr gibt.
Ist die Gnadenfrist schon abgelaufen?
Montenegros Team setzt zunächst derweil auf populäre Massnahmen, um auch signifikante Probleme anzugehen. Sie will einen Notplan für das staatliche Gesundheitswesen auf die Beine stellen. Linke Parteien vermuten, dass sie den staatlichen Gesundheitsdienst aushöhlen und mehr Raum für private Anbieter schaffen will. Jungen Leuten unter 35 winkt die Regierung mit steuerlichen Entlastungen. Lehrerinnen und Lehrer sollen gut sechs Dienstjahre aus der Zeit eines Beförderungsstopps in den Jahren der Finanzmarktkrise nachträglich anerkannt bekommen, und damit will die neue Regierung einen jahrelangen Streit beenden. Und bis 2028 soll der gesetzliche Mindestlohn von jetzt 820 Euro den immer noch bescheiden anmutenden Wert von 1000 Euro erreichen. Bis dahin wünscht sich die Regierung einen Anstieg des durchschnittlichen Monatsverdienstes auf 1750 Euro.
Immerhin ist die Regierung jetzt mit vollen Befugnissen im Amt. Wie lange sie sich hält, steht dahin, und Kommentatoren meinen, ihre Gnadenfrist habe schon mit der Episode um die Steuererleichterungen ein vorzeitiges Ende gefunden. Sie wird sich ihre Mehrheiten von Fall zu Fall suchen müssen. Ein Sturz ist aber nur möglich, wenn sowohl die Sozialisten als auch die Rechtsextremisten von Chega gegen sie stimmen. Und in eine solche Mehrheit einzugehen, wäre für die Sozialisten heikel. Spätestens wenn das Parlament über das Staatsbudget für 2025 befinden muss, könnte die Stunde der Wahrheit schlagen.