Der seit Monaten anhaltende Disput über die Täterschaft der Giftgas-Anschläge vom vergangenen August bekommt neuen Brennstoff in Form eines Experten-Berichtes. Auf einem Treffen in Washington erklärten UN-Waffeninspektoren und Sicherheits-Experten letzten Mittwoch, die fragliche Rakete, die in Zamalka, im Osten von Damaskus eingeschlagen sei, habe eine Reichweite von höchstens zwei Kilometern gehabt.
Das von der syrischen Armee beherrschte Gebiet sei jedoch mehr als drei mal so weit entfernt gewesen. Man müsse davon ausgehen, dass die Rakete von Stellungen abgeschossen wurden, die in der von Aufständischen beherrschten Zone lagen.
"Jetzt habe ich Zweifel"
Der Bericht der Experten, der auf der Website „McClatchy DC“ des gleichnamigen Medienkonzerns publiziert wurde, hat den Titel „Possible Implications of Faulty US Technical Intelligence in the Damascus Nerve Agent Attack of August 21, 2013“. Der Bericht stützt sich auf die Geländekarten von Kampfzonene und Grafiken, die die amerikanischen Regierung und die UN-Inspektoren benutzt und hatten.
Richard Lloyd, UN-Waffeninspektor, und Theodore Postol, Professor für Technologie und Sicherheitspolitik am Massachusetts Institute of Technology (MIT,) stellen die angeblichen Erkenntnisse amerikanischer Geheimdienste in der Sache rundweg in Frage.
„Als ich mit der Untersuchung anfing, dachte ich, niemand anders als die syrische Regierung könnte hinter dem Anschlag stehen“, sagte Lloyd. „ Aber jetzt habe ich Zweifel an all dem. Was die US-Regierung erzählt hat, lag nicht einmal annähernd bei der Realität.“
Washington: „Die Opposition hat keine chemischen Waffen eingesetzt.“
In Washington lies das Büro des Directors of National Security auf Anfrage verlauten, man bleibe bei der Darstellung, die syrische Regierung sei für den Giftgas- Anschlag verantwortlich. Man stütze sich dabei auf „multiple streams of intelligence about the attack itself and its effect, our post-attack observations, and the differences between the capabilities of the regime and the opposition.“
UN-Waffensinspektor Richard Lloyd, der das letzte halbe Jahr damit verbracht hat, Waffen und waffentechnische Kapazitäten im Syien-Konflikt zu untersuchen, widerspricht kategorisch der Annahme, die Aufständischen hätten nicht die Fähigkeit, die fraglichen Nervengas-Raketen herzustellen. „Sie haben die Fähigkeit, solche Waffen zu machen“, sagte Lloyd. „ich denke sie haben sie sogar in höherem Mass als die syrische Regierung.“
Die Chemiewaffen der syrischen Regierung sind seit längerem einem rigiden Monitoring der amerikanischen und israelischen Geheimdienste unterworfen.
Verschwörungstheorien?
Die Experten stellten darüber hinaus eine Reihe von Ungereimtheiten in den Erklärungen fest, die Aussenminister John Kerry nach der Sarin-Attacke von sich gegeben hatte. So hatte Kerry behauptet, US-Satelliten hätten die Aufschläge der Raketen fotografiert. Die Waffenexperten bezweifeln das. Die Detonationen von solchen Giftgas-Ladungen seien in der Regel so gering, dass ein Satellit sie kaum verifizieren könne.
Russische Waffen-Spezialisten hatten bereits kurze Zeit nach dem Anschlag festgehalten, bei dem fraglichen Geschoss handele es sich um eine „zusammengebastelte“ Version einer alten Rakete sowjetischer Fabrikation, die von der syrischen Armee schon lange ausrangiert worden sei und eine sehr begrenzte Reichweite habe.
Bei dem Experten-Treffen in Washington erinnerten einige Teilnehmer an die böse Überraschung, die die Medien im Irak-Krieg erlebten. Damals hatte die Regierung unter Präsident George W.Bush gefälschtes Beweismaterial vorgeführt, um den Einmarsch in den Irak zu rechtfertigen.