Kaum zeichnen sich erste Erfolge bei den Impfkampagnen ab, entsteht auch schon eine Debatte darüber, ob bei Geimpften die strengen Corona-Einschränkungen gelockert werden können. Dänemark zum Beispiel will dafür einen digitalen Impfpass einführen, die australische Fluggesellschaft Quantas möchte schon seit längerem Flugtickets für Langstreckenflüge nur an Geimpfte verkaufen, und auch ein Konzertveranstalter sieht in der Öffnung für Geimpfte eine Chance, wieder ins Geschäft zu kommen.
Parallel dazu äussern sich die Bedenkenträger. Einige fürchten, dass die strengen Corona-Einschränkungen, einmal für Geimpfte zurückgenommen, dann auch von anderen nicht mehr akzeptiert und nicht mehr beachtet werden. Nun hat sich auch der deutsche Ethikrat zu Wort gemeldet. Er empfiehlt, erst einmal abzuwarten, bis man genauer weiss, ob Geimpfte nicht doch noch ansteckend und womöglich durch neue Virenvarianten gefährdet sind. Allerdings könne es privaten Anbietern nicht verboten werden, zwischen Geimpften und Ungeimpften zu unterscheiden. Schliesslich gibt es die Vertragsfreiheit.
Mit der Empfehlung des Abwartens hat sich der Ethikrat um die entscheidende Frage herumgedrückt: Öffnen sich für Geimpfte Türen, die zunächst für andere verschlossen bleiben? Schon macht das Wort von der „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ die Runde. Andere argumentieren, dass Vorteile für Geimpfte im Negativen einen „Impfzwang“ zu Folge hätten. Entsprechend vorsichtig winden sich führende Politiker wie die deutsche Bundeskanzlerin um diese Frage herum. Alles, was vermeintlich gegen „Gleichheit“ verstösst, muss für sie mit Blick auf Zustimmungswerte vermieden werden.
Das Beibehalten von nicht mehr zwingend notwendigen Einschränkungen aber verstösst gegen die Freiheitsrechte demokratischer Verfassungen. Im Zeichen von Corona wurden diese aufgrund akuter Gefahr beschnitten. Wenn die Begründung dafür aber bei einer wachsenden Gruppe mehr und mehr entfällt, dürfen diese Einschränkungen nicht im Namen der Gleichheit aufrecht erhalten werden. Geschieht dies doch, wird der Gleichheitsgrundsatz zu einer lähmenden Ideologie gemacht, der alle Freiheitsrechte auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert. Deutsche müssten sich daran eigentlich noch erinnern.
Politiker sollten den Mut haben, darauf hinzuweisen, dass Fortschritte nicht immer im Zeichen der Gleichheit erzielt werden können. Die Gründe dafür sind vielfältig. Im Falle der Corona-Impfungen liegen sie in knappen Ressourcen. Einige haben Vorteile, die auf die Dauer auch anderen zugute kommen. Will man das unbedingt vermeiden, landet man in einer Mangelwirtschaft.