Erwähnt wird das Gut zum ersten Mal in einer Urkunde von 1362; die „bäuerliche Hofwirtschaft“ gehörte damals zum Augustinerkloster St. Martin, und sie musste den Mönchen jährlich den Pachtzins bezahlen. Der bestand aus neun Viertel Kernen und drei Fasnachtshühnern. („Fasnachtshühner“ deshalb, weil sie an der Fasnacht von den Zunftherren verspeist wurden.) Ein Viertel bedeutete so viel wie ein Sack à 50 Kilo; also ungefähr 450 Kilo Kernen - wahrscheinlich Dinkel, damals die anspruchsloseste, winterharte Getreideart. Mit der Abgabe der Hühner anerkannte der Bauer die Abhängigkeit vom Gutsherrn, der bestätigte seinerseits mit der Annahme das Lehensverhältnis.
Fluntern gehörte neben Hottingen, Ober- und Unterstrass zu den Vier Wachten. Der Rat der Stadt Zürich bestimmte für das Gebiet einen Obervogt, die Dorfgenossen wählten ihrerseits einen Untervogt als Verbindungsmann. Die Gerichtsbarkeit lag jedoch beim Grossmünster. Zweimal pro Jahr wurde im Kelnhof an der Platte über Streitfälle geurteilt. Die zum Tode Verurteilten erwartete auf dem Susenberg der Strick.
Zunehmend vornehm
Die wechselhafte Geschichte des Schlössli liest sich wie ein Roman. Besitzer und Bewohner wechselten häufig, sind aber nicht lückenlos nachgewiesen. Fest steht, dass 1508 ein wohlhabender Apotheker namens Anton Klauser den Susenberg erwarb und dort 1513 ein stattliches Landhaus mit Garten errichtete. Er zahlte seinen Pachtzins ans Kloster St. Martin nun nicht mehr mit Hühnern und Kernen, sondern mit 50 Gulden oder 100 Pfund. (Zum Vergleich: Mitte des 16. Jahrhunderts entsprach 1 Pfund 20 Schilling; 1 Schilling 12 Pfennig. Ein Taglöhner verdiente circa 7 Schilling pro Tag, ein Zimmermann 8 Schilling. Der Pachtzins von 100 Pfund bedeutete demnach eine beachtliche Summe Geld.)
Als Angehöriger des Zürcher Kriegsrates starb Klauser 1515 in der Schlacht bei Marignano. 800 Tote hatten Stadt und Landschaft Zürich zu beklagen. Die Reisläuferei wurde verboten. Dennoch zog offenbar ein späterer Besitzer des Schlössli, Mathis Helliker, als Reisläufer in fremde Kriegsdienste. Daraufhin verkaufte der Zürcher Rat 1543 die Hofstatt und sackte den Erlös zugunsten der Staatskasse ein.
Eine Ratsurkunde von 1605 erwähnt einen Vorfahr des heutigen Besitzers: Als Obervogt verhängte ein Hans Heinrich Widerker oder Widerkher eine Geldstrafe über den damaligen Besitzer des Susenberg. Knappe 15 Jahre später umfasste das Landgut Schlössli bereits zwei Hauptgebäude, sowie eine Scheune, Ställe und einen Krautgarten. Es war mit einer Ringmauer und Ecktürmchen eingefasst, zum Sitz gehörten Wiesen, Äcker, Rebhänge und Wald.
Ein bisschen Versailles
Mit Johannes Guler von Wyneck kam nun echte Prominenz ins Schlössli. Der Bündner Adelige nahm an zahlreichen diplomatischen Missionen in Paris, Venedig und Mailand teil, 1607 kommandierte er eine Bündner Regiment zur Sicherung der Grenze zu Mailand. Ein spanisch gesinntes Strafgericht verurteilte ihn zum Tode, sechs Monate später begnadigte ihn ein venezianisch gesinntes. 1618 wurde Guler am französischen Hof zum Ritter geschlagen. Um den Bündner Wirren zu entgehen, zog er mit seiner Familie ins Schlössli nach Zürich, wo ihm die Stadt ehrenhalber das Bürgerrecht verlieh.
Gulers Schwiegersohn, Hans Jakob Rahn-Guler, stand als Oberst ebenfalls in französischen Diensten. Er stand – als Sohn eines Bürgermeisters und als Schlossherr – im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens von Zürich und brachte französischen Chic samt Gobelins und Porzellan auf den Susenberg. Jetzt verkehrte hier die zürcherische Militäraristokratie.
Via Erben ging das Gut in der Folge an die Familie Escher, die im Seidenhandel ein Vermögen gemacht hatte. Ab 1741 zeichnete der Zürcher Bankier und Handelsherr Johann Heinrich Schulthess als Eigentümer, ebenfalls mit Seide zu Reichtum und Ansehen gekommen. Sein jüngerer Bruder errichtete mit dem „Rechberg“ sein eigenes Bankhaus und galt als der reichste Mann seiner Zeit. Johann Heinrich hingegen verlor später durch waghalsige Spekulationen im Bergbaugeschäft viel Geld.
Der Dichterfürst zu Besuch
1797 soll Goethe einen Nachmittag unter den alten Bäumen des Schlössli verbracht haben. (Einwandfrei belegt ist es nicht.) Während der Helvetik bekämpften zwei Jahre danach Truppenverbände der österreichisch/russischen Koalitionsarmee rund um Zürich den weiteren Vorstoss der helvetischen Truppen. Beim Susenberg kam es zu einem Vorpostengefecht. 1802, in der 2. Schlacht von Zürich, mutierte das Schlössli gar zum Hauptquartier von General Andermatt, der von hier aus im Auftrag der helvetischen Truppen die Stadt Zürich beschoss. Drei Haubitzen und zwei Kanonen kamen zum Einsatz. Vom Lindenhof her erfolgte Gegenfeuer. 170 Einschläge trafen die Stadt, ein Todesopfer war zu beklagen.
Am 13. September schliesslich wurde im Schlössli verhandelt, am 15. zwischen der Stadt und dem helvetischen Kommissär aus Bern ein Abkommen vereinbart: die Armee zog ab.
Unterirdische Drahtseilbahn
Fünf Generationen lang blieb das Schlössli im Besitz der Familie Schulthess, dann kam der Niedergang. Aus dem Herrensitz wurde für ein paar Jahre eine Sommerwirtschaft, das Haus verlor den herrschaftlichen Charakter. Treppengiebel und Ecktürmchen der Ummauerung verschwanden, alles verlotterte, nur die Sonnenuhr kündete noch vom alten Glanz. Die Zeit der Spekulanten brach an. Das Grundstück wechselte mehrfach den Eigentümer, 1906 erwarb die Baugenossenschaft Phönix das Objekt sowie weitere Landreserven, insgesamt 160 000 Quadratmeter, an der Top-Aussichtslage. Ein Wettbewerb für die Gesamtüberbauung des Geländes wurde geplant. Berühmte Architekten wie Gustav Gull und Karl Moser sassen in der Jury.
Jetzt sollte eine Drahtseilbahn das vergleichsweise günstige Bauland erschliessen. Unterirdisch sollte sie vom heutigen Central mit drei Haltestellen - Universitätsstrasse, Gladbachstrasse, Schlössli - hinauf zum Susenberg führen. Fast zwei Millionen errechnete Gesamtkosten schickten das Projekt 1910 allerdings bachab. Stattdessen verlängerte die Stadt später die Tramlinie 5 vom Vorderberg bis zum 1929 gegründeten Zoo.
„Auffanglager“ für ungarische Flüchtlinge
1909 erwarb Seidenfabrikant J.A.W. Bodmer vorab das Kernstück des Phönix-Projektes: das Schlössli. Das Hauptgebäude war zu diesem Zeitpunkt wohl in extrem schlechtem Zustand und wurde dann abgerissen. Nur das Fundament, die uralten Bäume und der untere Teil der Ringmauer blieben erhalten. Johann A.W. Bodmer liess auf dem historischen, nur leicht verlängerten Grundriss einen Neubau im so genannten Heimatstil errichten. Längs der Südfront kam eine gedeckte Terrasse hinzu. Grosse Räume, edle Materialien erinnerten wieder an den alten Glanz. Auch der Garten wurde neu gestaltet und sorgfältig abgestuft. Bis ungefähr 1936 bewohnten Bodmers Nachkommen das Haus, vor und während des 2. Weltkrieges stand es leer. Danach begannen die Bodmer-Erben das dreistöckige Haus zu vermieten; zwei Jahre lang diente es als Unterkunft für ungarische Flüchtlinge.
Einmal mehr büsste das Schlössli viel von seinem einstigen Charme ein. Rundum entstanden Neubauten, im Schlössli selbst wechselten Besitzer und Bewohner, einstige Wohnräume wurden als Büros genutzt. 1981 ersuchte der damalige Besitzer Fridolin Lienhard um eine Abbruchbewilligung.
Auf, ab, auf
Dann wurde Rechtsanwalt Alfred J. Wiederkehr eine „Traumliegenschaft am Zürichberg“ angeboten. Fasziniert vom Fluidum des historischen Ortes sagte er zu. Und beschloss eine erneute, umfassende Renovation von Haus und Garten. Heute führt der Hausherr durch ein hochherrschaftliches Anwesen. Die sorgfältige Rekonstruktion nach alten Plänen, der Erhalt historischer Details und Zeitzeugen sind unübersehbar. So stammen die Stuckaturen im ebenerdig gelegenen Salon aus Seidenhändler Bodmers Zeiten, ebenso die Mahagoni-Wandpfeiler und der kostbare Parkett-Boden. Im ehemals jugendstiligen Herrenzimmer blieb das Cheminée erhalten, in der Eingangshalle der opulente Kachelofen von 1888 und im Entrée die originale Ausstattung mit verschiedenen Marmorplatten. Von der historischen Ringmauer rund ums Schlössli steht noch ein kleiner Teil, die Ecktürmchen hingegen sind verschwunden. Schmunzelnd erzählt Alfred Wiederkehr jedoch von Kanonenkugeln, auf die man bei der Erneuerung der Gartenanlagen stiess: sie sollen aus der Zeit der 2. Schlacht von Zürich stammen.
Ein Glanzstück des neu-alten Schlössli ist ohne Frage die grosse Orangerie im oberen Garten. Um den Bau des raffinierten Glashauses zu ermöglichen, und dem Anwesen die historische Ambiance wiederzugeben, erwarb der Hausherr zwei störende Liegenschaften im Umkreis. Der Blick von hier oben ist grandios. Er schweift am Giebeldach des Haupthauses und den riesigen alten Buchen vorbei auf See und Stadt. Vorbei an den Bäumen notabene, unter denen Herr Geheimrat Goethe – möglicherweise – ein Tässchen Mocca trank.
Die historischen Details entstammen dem Privatdruck: Das Schlössli Susenberg – Geschichte, Bewohner, Architektur. Von Peter Erhart, Karin Beck und Werner Fisler