In unseren Zeiten von Corona ersetzt der Ellenbogengruss den Händedruck. Man kann ja nie wissen. Vielleicht ist der engste Freund ganz ungewollt als Virenträger der ärgste Feind. Also lieber ein Stoss mit dem Arm als eine zu grosse Intimität mittels der Hand. Aber diese Ersatzbegrüssung ist mir zuwider.
Auch vor Corona konnte es mehr oder weniger gute Gründe dafür geben, jemandem nicht die Hand zu reichen. Wir kennen das von Donald Trump und Angela Merkel. Er wollte ihr und aller Welt zeigen, wie sauer er wirklich ist. Das ist ihm gelungen.
Der deutsche Aussenminister und sein russischer Amtskollege wiederum haben eine gewisse Meisterschaft darin entwickelt, sich zwar gegenseitig die Hand zu reichen, dabei aber durch Blickführung und Mimik die gegenseitige Abscheu zum Ausdruck zu bringen. Zelebrierte Dissonanz.
Mit dem Händedruck lässt sich viel ausdrücken. Er kann sehr herzlich sein oder eher flüchtig und distanziert. Dazu kommt der Blick. Und natürlich sagt man etwas. In Sekundenbruchteilen entsteht eine dichte Kommunikation mittels Körpersprache, Stimme und verbalem Ausdruck. Und manchmal entscheidet sich schon in diesem Moment, wie das weitere Treffen verlaufen wird.
Der Stoss mit dem Ellenbogen lässt das alles nicht zu. Kann man jemandem einen besonders herzlichen Ellenbogenstoss geben? Und wo sind die Augen? Die richten sich nicht auf das Gesicht, sondern auf den Ellenbogen des anderen, schliesslich will man den nicht verfehlen. Dazu kommt eine zumeist verlegene Bemerkung, und jeder ist froh, wenn die peinliche Situation überstanden ist.
Peinlich ist die Situation aber nicht nur deswegen, weil der Ellenbogengruss im Verhältnis zum Händedruck zu wenig Ausdruck zulässt. Denn zugleich enthält er etwas, was man bei einer Begrüssung eigentlich vermeiden möchte: Aggression.
Wer sich mit dem rechten Ellenbogen auf eine andere Person zubewegt, dreht sich automatisch nach links von ihr weg. Schon das ist nicht gerade typisch für eine Begrüssungsgeste. Zugleich geschieht etwas, was man gar nicht beabsichtigt hat: In den rechten Arm geht sehr viel Körperspannung, um nicht zu sagen: Energie. Eigentlich wäre er jetzt gut als Waffe einsetzbar. Aber man will den anderen ja nicht weghauen, sondern begrüssen. So lautet jedenfalls die Verabredung. Aber die Dissonanz zur Körpersprache ist mehr als irritierend.
Früher war das anders: Da wandte man sich zur Begrüssung dem anderen zu, die Arme öffneten sich, man konnte die Hand reichen oder gleich eine Umarmung einleiten. Auch hier gab es viele Varianten und bisweilen Dissonanzen, wenn sich zum Beispiel ein Körper bei der Umarmung hoffnungslos verkrampfte. Psychologen haben dazu einiges gesagt.
Aber im Normalfall waren der Händedruck und die Umarmung Momente grosser Nähe und vielleicht eine Art Utopie einer buchstäblich unverstellten Beziehung. Der Stoss mit dem Ellenbogen jedoch markiert Gefahr, die vom anderen ausgeht, bis der nächste Test Entwarnung gibt. In diesen Sekunden geht man über einen Abgrund, anstatt sich an der Nähe des anderen zu wärmen. Und wie bei vielen Enttäuschungen fängt man an zu lachen.