Der geschürte Volkszorn gegen die EU nimmt immer absurdere Züge an. Mit allen populistischen Schelmereien wird ein Feindbild aufgebaut, ein Monster, ein Ungeheuer. Die EU hat sich gegen uns verschworen und will uns fressen.
Da freuen sich einige und lachen hämisch, wenn es der EU und dem Euro schlecht geht. Doch wenn es dem Nachbarn schlecht geht, könnte es bald auch uns schlecht gehen. Die Schweiz ist längst nicht mehr der Felsen in der Brandung, den einige Anti-EU-Schwätzer beschwören.
Ich plädiere nicht für einen Beitritt der Schweiz zur EU. Kaum jemand tut das heute. Der bilaterale Weg ist ein guter Weg. Aber ich plädiere dafür, dass wir wieder ein entkrampftes Verhältnis zu unseren Nachbarn haben.
Die EU ist ein wunderbares Friedensprojekt, sie ist rechtsstaatlich, demokratisch organisiert. Wer behauptet, die EU sei keine Demokratie und eine Diktatur, redet einfach nur Unsinn. Die Union hat viele Fehler, viele Mängel, viel Groteskes. Sie muss dazulernen, sie muss besser werden; eigentlich steht sie noch in der Wachstumsphase. Doch dass 28 verschiedenste Länder mit verschiedensten Kulturen und historischen Wurzeln mehr oder weniger zusammenstehen, ist eine tolle, historisch einmalige Leistung.
Hören wir auf, die EU als Feindbild, als Krake und Teufelsgebilde zu betrachten. Eigentlich haben die Gründerväter der EU das gleiche getan, was auf dem Rütli geschah. Man beschloss zusammenzustehen und die Probleme gemeinsam anzugehen. Noch nie war Europa so sicher wie heute. Zum Glück gibt es die EU. Arbeiten wir mit ihr zusammen, ohne sie zu verteufeln. Im eigenen Interesse.
Wir sind längst wirtschaftlich in die EU eingebunden. Der bilaterale Weg macht es möglich. Einige, die in diesem Wahljahr grobes Geschütz gegen die EU auffahren, machen wunderbare Geschäfte mit dieser EU. Einen Teil der Lakaien putschen sie trotzdem auf.
Eigentlich können wir der EU dankbar sein. Sie geht pflegeleicht mit uns um. Sie ist so stark, dass sie uns gegenüber viel härter und fordernder auftreten könnte. Die grosse EU braucht die kleine Schweiz nicht. Aber die Schweiz braucht die EU. Die Schweiz täte gut daran, die EU nicht allzu sehr zu reizen; sonst wird sie uns reizen. Was nicht heisst, dass die Schweiz alles akzeptieren muss.
Da wird einerseits das Gezänk der EU-Staaten um gemeinsame Positionen belächelt. Ist das nicht Ausdruck einer echten Demokratie? Jeder Staat hat eben etwas zu sagen und darf sich einbringen. Anderseits wird „das diktatorische Brüssel“ kritisiert. „Diktatur“ und „sich nicht einigen können“ - das passt nicht zusammen.
In der Schweiz loben wir den Föderalismus und schlucken jede noch so groteske Diversität zwischen Kantonen und Gemeinden. Doch wenn die EU-Staaten verschiedener Meinung sind, spotten wir darüber.
Die EU gibt es seit 1992; immer wieder kann sie sich nicht einigen. Die Schweiz gibt es seit 1291. Und noch immer gibt es verschiedene Schulsysteme.
Wir müssen die EU nicht lieben. Aber wir müssen und wollen mit ihr zusammenleben. Daran ändert auch das wahltaktische Anti-EU-Geschrei der SVP nichts. Es wird nichts bewirken.
Da schüren einige Populisten im Wahljahr den Zorn gegen einen Feind, den es nicht gibt. Ein Feind, der unser Freund sein will