Anfang Mai: Ich diskutiere mit einem distinguierten älteren Herrn über die Asylrechts-Reform. Mein Gesprächspartner gehört einer bürgerlichen Partei an, ist politisch tolerant und stets gut informiert. Für die Asylrechtsreform gebe es gute Argumente dafür und gute Argumente dagegen, sagte er. Für ihn würden die guten Argumente dagegen ganz leicht überwiegen. Deshalb stimme er mit "Nein".
Letzte Woche flatterte ein Brief in all unsere Briefkästen. „Das neue Asylgesetz ist ein Enteignungsgesetz“, heisst es da. „Betroffen sind Sie als Hausbesitzer, Wohneigentümer und Mieter. Sie müssen ausziehen, damit junge Männer aus Gambia, Sri Lanka, Eritrea usw einziehen können.“ Das würde unsere Sicherheit gefährden, die Sozialwerke belasten und zu Steuererhöhungen führen. Wollen sie „enteignet“ werden, „wollen Sie aus Ihrer Wohnung fliegen?“, fragt das Flugblatt. Unterschrieben ist es mit „Komitee zum Schutz der Bürgerrechte vor Behördenwillkür“.
Auch mein Gesprächspartner von damals hat das Flugblatt gekriegt. Jetzt, Ende Mai, sagt er mir, er werde mit „Ja“ stimmen. „Eine solch primitiv-populistische Angstmacherei, solche verlogene aus der Luft gegriffene Argumente gehen nun doch zu weit. Zu solchen Leuten, die eine solch dümmliche, dreckige Kampagne führen, will ich nun doch nicht gehören“.
Zu den Unterzeichnern des Flugblattes gehören vor allem pensionierte SVPler, einige SVP-Has-beens, und – ausser Köppel – kein SVPler der ersten Garde. Interessant ist vor allem, wer nicht unterschrieben hat. Wir wissen: Nich alle SVP-Mitglieder sind mit der Nein-Parole der Partei glücklich.
Dass Wahl- und Abstimmungswerbung plakativ ist, überzeichnet, schwarz-weiss malt, um aufzurütteln, um Gesprächsstoff zu liefern – das wissen wir, das gehört zur Werbung. Wenn man jedoch den Bogen überspannt, kann das kontraproduktiv sein. So dumm sind Schweizerinnen und Schweizer nicht. Wenn man allzu dumm argumentiert, merken auch die Dummen, dass sie für dumm verkauft werden.
Meinungsumfragen sagen der Asylrechts-Reform eine Mehrheit von 60 Prozent voraus. Vielleicht ist das Flugblatt als Notbremse gedacht, um den Trend im letzten Moment doch noch zu wenden. Doch mit ausgemusterten SVPlern wie dem davongejagten Christoph Mörgeli oder dem stets verbitterten Ulrich Schlüer gewinnt man heute keine Abstimmung mehr.