Fast zwanzig Tage schmachtete die junge italienische Journalistin Cecilia Sala in Einzelhaft in einem iranischen Gefängnis. Als sie vergangene Woche freigelassen wurde und nach Italien zurückkehrte, wurde Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mit Lob überhäuft. Die Freilassung habe ihre Stellung gestärkt, hiess es. «Tolle Leistung.» Von wegen.
Die 29-jährige Cecilia Sala, die für die rechtsliberale italienische Tageszeitung «Il Foglio» und den Video-Blog «Chora Media» arbeitet, hatte in Iran Material für einen Podcast über die Stellung der iranischen Frauen gesammelt. Seit dem 12. Dezember hatte sie sich mit einem regulären Visum legal in Iran aufgehalten. Kurz vor ihrer Rückkehr, am 19. Dezember, wurde sie von den iranischen Revolutionsgarden verhaftet und in das Sicherheitsgefängnis Evin gesteckt. Über die Gründe der Festnahme wurde spekuliert. Offiziell hiess es, Cecilia Sala habe gegen die «Grundsätze der Islamischen Republik verstossen».
Schnell jedoch wurde vermutet, dass die Verhaftung mit einer anderen Festnahme etwas zu tun hat. Am 16. Dezember, also drei Tage vor der Inhaftierung Salas, wurde auf dem Mailänder Flughafen Malpensa auf Ersuchen der USA der 38-jährige iranische Informatiker Mohammad Abedini Najafabadi festgenommen. Er wurde seither im Mailänder Gefängnis Opera unter Hochsicherheitsbedingungen festgehalten.
«Verantwortlicher für die iranischen Drohnen»
Die USA werfen ihm vor, Drohnenkomponenten für die Revolutionswächter geschmuggelt zu haben. Washington verlangte von Italien seine Auslieferung. Der Mann gilt als «Verantwortlicher für die Drohnen» des iranischen Regimes. Er habe Bauteile für die Montage der iranischen Drohne Shahed (HESA Shahed 136) geschmuggelt. Vorgeworfen wird ihm «Verschwörung zum Terrorismus» und «Verschwörung zur Ausfuhr elektronischer Bauteile». Er habe den Revolutionsgarden «materielle Unterstützung» geleistet, die dann zum Tod von drei US-Soldaten» geführt habe. Diese waren bei einem Drohnenangriff auf einen Stützpunkt in Jordanien getötet worden.
Wurde Cecilia Sala festgenommen, um Abedini freipressen zu können? Iran dementierte. Die Verhaftung der Italienerin habe nichts mit dem iranischen Informatiker zu tun, sagte der Sprecher des iranischen Aussenministeriums, Esmail Baghaei.
Melonis Prestige steht auf dem Spiel
Der italienischen Botschafterin in Iran wird gestattet, die Journalistin im Gefängnis zu besuchen. Das italienische Aussenministerium schickt Hilfspakete ins Gefängnis, die aber zurückbehalten werden. Sala kann kurz mit ihrer Familie telefonieren. Sie müsse ohne Matratze auf dem Boden schlafen, sagte sie. Sie verfüge über nur eine Decke. Eine Maske oder eine Brille, die sie vor dem ständig brennenden Licht in der Zelle schützen sollte, wurde ihr verwehrt.
In Italien löste die Verhaftung eine Solidaritätswelle für die 29-Jährige aus. Schnell war klar, dass das Prestige von Regierungschefin Meloni auf dem Spiel stand. Wird es ihr gelingen, die festgenommene Landsfrau freizubekommen oder ist sie machtlos? Um ihre Ehre zu retten, fliegt Meloni am 2. Januar überraschend nach Mar-a-Lago, um mit Trump über die «Affäre Sala» zu sprechen. Zwar regiert noch immer Präsident Joe Biden, doch Meloni scheint auf Trump zu setzen. Der Besuch ist kurz. Spekuliert wurde, ob Meloni Trump um die Erlaubnis gebeten habe, Mohammad Abedini freizulassen. Natürlich wurde das in Rom sofort dementiert. Auch Kontakte mit der noch amtierenden US-Regierung soll Meloni geknüpft haben.
Ein Seufzer der Erleichterung
Dann die Überraschung: Am vergangenen Freitag wird Cecilia Sala aus dem Gefängnis entlassen und kehrt strahlend nach Italien zurück. Am Römer Flughafen Ciampino wird sie von Meloni, Aussenminister Antonio Tajani und dem Römer Bürgermeister empfangen. Meloni hat es geschafft, die Italienerin freizukriegen. «Was für eine Frau, diese Ministerpräsidentin» hiess es überschwänglich in Kommentaren. Ein Seufzer der Erleichterung geht durch Italien.
Und doch hat die Freilassung einen schalen Beigeschmack. Denn jetzt wurde bekannt, dass der italienische Justizminister Carlo Nordio, ein Parteikollege von Meloni, die sofortige Freilassung von Abedini angeordnet hat – unter Umgehung der Gerichte, die eigentlich entscheiden müssten. Laut iranischen Medienberichten ist der iranische Informatiker schon am Sonntagabend nach Teheran zurückgekehrt. Die USA, die sich zunächst gegen eine Freilassung gewehrt haben, haben ein Auge zugedrückt. Sogar der Anwalt von Abedini zeigte sich über die rasche Freilassung seines Mandanten überrascht.
Die Affäre könnte Schule machen
«Gemäss Artikel 2 des Auslieferungsvertrags zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und der Regierung der Italienischen Republik», heisst es jetzt in der Mitteilung des Justizministeriums, «kann eine Auslieferung nur für Straftaten erfolgen, die nach den Gesetzen beider Vertragsparteien strafbar sind.» Dies sei eine «Bedingung, die nach dem derzeitigen Stand der Dinge nicht als gegeben angesehen werden kann.» Dennoch hatte, so berichten Medien, die Freilassung dem Justizministerium «einige Bauchschmerzen» bereitet.
Italien hat das Wohl ihrer Landsfrau Cecilia Sala höher gewichtet als die Einhaltung internationaler und nationaler Verfahren. Natürlich gibt es niemanden, der die Freilassung von Cecilia Sala nicht gutheissen und begrüssen würde. Sie sass unschuldig fast drei Wochen lang in einem Kerker, als Geisel der iranischen Revolutionsgarden, die einmal mehr ihr hässliches Gesicht gezeigt haben. Niemand will diese Frau im Gefängnis sehen.
Dennoch: Die Erpressung hat funktioniert. Die Revolutionsgarden triumphieren. Italien ist vor den Mullahs in die Knie gegangen. Es ist nicht das erste Mal, dass Iran Ausländer festnimmt, um eigene Leute freizupressen. Diesmal funktionierte die Taktik reibungslos und schnell. Der Sprecher des iranischen Aussenministeriums danke Italien «für die gute Zusammenarbeit» … Die Affäre könnte weiter Schule machen. Die Staaten sollten gewarnt sein.