Schon erstaunlich, was rund «15 Mitarbeiter» ohne Wissen ihrer Vorgesetzten an Schaden anrichten können. Der Durchschnittslohn bei der CS liegt bei rund 183'000 Franken im Jahr. Inklusive Bonus. Bei mehr als 40'000 Angestellten und darunter viel Fussvolk sagt diese Zahl nicht, dass jeder CS-Mitarbeiter ein Krösus ist. Oben viel, unten wenig, ist die Devise.
Lebensarbeitszeit
Aber nehmen wir diese Zahl. Sie bedeutet, dass ein CS-Durchschnittsverdiener ganze 13’661 Jahre arbeiten müsste, um diese Busse abzutragen. Falls nicht vorher das Jüngste Gericht stattfände. Oder nehmen wir Bonus-King Dougan. Selbst wenn der jedes Jahr sein Spitzensalär von über 90 Millionen Franken kassierte, müsste er rund 28 Jahre damit verbringen. Der Schweizer Durchschnittsverdiener hingegen wäre gar 35'714 Jahre beschäftigt. Also rund fünfzig Mal länger, als es die Eidgenossenschaft schon gibt.
Und VR-Präsident Urs Rohner (Jahresgehalt 2013 4,9 Millionen) wäre ganze 510 Jahre mit dem Abtragen dieser Busse ausgelastet. Mutig von ihm, dass er dafür «Verantwortung» übernimmt. Also genauer: «Die Verantwortung übernehmen wir, indem wir die Firma durch die schwierige Phase geführt haben und sie in die Zukunft führen.» Das hört sich allerdings nicht wirklich danach an, als ob Rohner die nächsten 510 Jahre gratis arbeiten will.
Ausserdem haben laut ihm ja CEO Brady Dougan und er «eine weisse Weste», da sprechen schon zwei Gründe dagegen. Denn Verantwortung ist im modernen Banking ein Wort ohne Wert. Genau wie Anstand oder Ehre oder Mannhaftigkeit. Diese Begriffe kann man sich auch nicht kaufen, man hat sie – oder hat sie nicht.
Die Realwirtschaft
Kehren wir von der Wortblasen- und Bussenwelt der Banken in die Wirklichkeit zurück. Dorthin, wo nicht nur in der Schweiz Werte geschaffen, nicht vernichtet werden. Der Finanzplatz Schweiz trägt ja nur, korrekt gerechnet, rund 4 Prozent zum Schweizer Bruttoinlandprodukt bei. Peanuts, wobei die Gefahr, durch angebliche «Systemrelevanz» dem Steuerzahler in die Tasche zu greifen, nicht mal eingepreist ist.
Das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft sind die KMUs; sie beschäftigen mehr als 90 Prozent aller Werktätigen und sorgen dafür, dass die Wirtschaft brummt. Nehmen wir einen Jahresumsatz von 20 Millionen Franken einer inhabergeführten KMU. Wenn der Unternehmer damit einen Reingewinn von guten 5 Prozent erwirtschaftet, an dem er nicht zu selten seine Mitarbeiter partizipieren lässt, kommt er auf 1 Million. In den meisten Fällen reinvestiert er das Geld, denn Stillstand ist Rückschritt. Müsste er damit diese eine Busse der CS bezahlen, wüsste er, was er die nächsten 2500 Jahre zu tun hat. Denn selbstverständlich würde er die Verantwortung dafür übernehmen.
Wahre Verantwortung
Natürlich steht keine KMU in der Gefahr, mal kurz eine durch kriminelle Machenschaften verursachte Strafzahlung von 2,5 Milliarden Franken abtragen zu müssen. Nicht, weil KMUs per Definition niemals kriminell handeln würden. Und auch nicht, weil eine KMU mit einem Umsatz von 20 Millionen gar nicht in die Gefahr geraten kann, mit Milliarden gebüsst zu werden.
Sondern in erster Linie, weil sich auch hier der Unterschied zeigt zwischen einem Besitzer, einem Unternehmer und einem Angestellten, einem Söldner, einer angemieteten Arbeitskraft. Abgesichert durch einen Arbeitsvertrag, zusätzlich abgesichert durch eine vom Unternehmen bezahlten Haftpflichtversicherung, abgesichert durch eine Unzahl von Haftungsausschlussklauseln im Kleingedruckten des Anstellungsvertrags.
Obwohl es in der Schweiz im Aktienrecht Haftungsklauseln für durch pflichtwidrig verursachte Schäden von Verwaltungsräten gibt, kamen diese Bestimmungen noch nie zur erfolgreichen Anwendung. Selbst beim Grounding der Swissair, offenkundig verursacht durch Totalversagen des VR und der Geschäftsleitung, verliefen alle Schadenersatzprozesse im Sand. Immerhin kam es da zu Rücktritten. Allerdings nur mangels Weiterexistenz der so grossartig geführten Firma.
Money in the bank
Im Englischen gibt es den schönen Ausdruck «Geld auf dem Konto». Er bedeutet, dass jeder Handel erst dann sicher abgeschlossen ist, wenn die vereinbarte Zahlung nicht zugesichert, versprochen, schriftlich bestätigt ist. Sondern auf dem Bankkonto angekommen. Selbst dann kann sie noch vom Vertragspartner zurückgefordert werden. Aber der, der will, muss sich bemühen, prozessieren, Geld und Zeit investieren. Jeder, der schon mal für eine vertragsgemäss abgelieferte Leistung betreiben musste, weiss, wie mühsam das ist.
Jeder, der nicht spätestens am 28. des Monats seinen Saläreingang verzeichnen kann, weiss, dass Vorleistung gegen versprochene Zahlung auch im 21. Jahrhundert auf Vertrauen beruht. Auf Ehre, Anstand, Zuverlässigkeit, auf Treu und Glauben. Alles andere ist der Ersatz des Faustrechts durch zivilisiertere rechtsstaatliche Auseinandersetzungen. Das bedeutet aber auch, dass man eine Schuld in der Höhe von tausend Franken vergessen kann, wenn der Schuldner nicht zahlen kann oder will.
Wertevernichtung
Deshalb beschreiben die obigen Zahlenspiele nur die Oberfläche eines fundamentalen Problems, das die CS hat, und nicht nur sie. Selbst 2,5 Milliarden sind, auf Kosten der Besitzer einer Bank, auf Kosten der Aktionäre, verschmerzbar. Shit happens, würde da der moderne Banker sagen. Aber Vertrauen, Anstand, Ehre, das sind Werte, die letztlich nicht durch Organisationen repräsentiert werden, sondern durch ihre Führung, durch Menschen.
Natürlich würde ein Rücktritt von Rohner und Dougan, besser noch des gesamten VR und der GL in corpore, die Busse nicht kleiner machen. Aber es wäre die einzige Möglichkeit, diese fundamentalen Werte zu bewahren. Einmal verloren, dauert es lange, sehr lange, sie wiederzugewinnen. Bleiben die Verantwortungsträger an Bord, vernichten sie damit zwar nur immaterielle Werte. Die aber sind unbezahlbar wertvoll.