Sie gehören zu den Grössten der Branche: Microsoft, Apple und Facebook. Sie sitzen im Olymp der digitalen Welt, die uns viel Gutes gebracht, aber auch den Sklavenhandel wiedereingeführt hat, wenn man bedenkt, wie abhängig wir von ihnen sind. Und mit Göttern, die so einflussreich sind, spasst man nicht, da sie in ihrer Selbstgefälligkeit gewöhnlich auch nicht durch einen überbordenden Sinn für Humor auffallen.
Das hat sich jedoch im Oktober 2014 schlagartig geändert. Begonnen hat es mit Satya Nadella, dem neuen CEO von Microsoft. Der gab erwerbstätigen Frauen, denen das Lachen vergangen war angesichts der branchenüblichen zehn Prozent weniger Lohn, die sie im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen erhalten, einen guten Rat: Ihre Erfolgschancen würden steigen, wenn sie nicht mehr Forderungen stellen, sondern sich in Bescheidenheit üben und dem System vertrauen würden. So könnten sie vielleicht sogar einmal auf denselben Lohn wie ihre Kollegen kommen: Kommt Zeit, kommt Lohn. Hingegen sei die Forderung nach einer gerechten Entlöhnung „schlechtes Karma”. Humor plus Religionenmix als Lösung einer Situation, wie sie zum Beispiel in der Schweiz besteht, wo seit 1981 Lohngleichheit zwar in der Verfassung festgeschrieben ist, diese Vorschrift aber bis heute vielfach umgangen wird.
Eizellen einfrieren lassen
Den Aufschrei der Frauen und den Spott der Männer konterte er mit der Erklärung, dass er von seiner eigenen Situation ausgegangen sei. Da muss allerdings das Karma sehr gut gewesen sein, denn gemäss neuesten Angaben kommt er auf ein Jahressalär von über 80 Millionen Dollar.
Offenbar wollten Apple und Facebook nicht zurückstehen in Sachen Realsatire, und so haben sie nach dem Motto „Gemeinsam sind wir lustiger” eine Problemlösung erarbeitet, auf die die Welt schon seit Jahrzehnten wartet. Wer sagt denn, dass das Thema „Reproduktion und Erwerbstätigkeit” für viele Frauen – und inzwischen auch immer mehr Männer – ein Problem darstellen muss? Nichts einfacher als das: Frauen sollten „im besten Alter“ ihre Eizellen einfrieren lassen, um sie dann im nicht-mehr-so-besten Alter auftauen zu lassen und ihrer Bestimmung zuzuführen. Ein gewaltiger Eingriff in die Natur und in die Gesellschaft, eine Fremdbestimmung eines Frauenlebens, die ihre Lebenspartner ebenfalls betrifft, sowie eine gewöhnungsbedürftige Form der Dankbarkeit für die Erkenntnis, dass Frauen offenbar in den so genannten Chef-Etagen sehr gute Ergebnisse erzielen – aber wann haben sich Götter schon je von irdischen Einwänden ein Konzept vermasseln lassen?
Symptombekämpfung statt Ursachenforschung
Im Gegensatz zum Microsoft-CEO entstehen hier keine finanziellen Verluste für die Frauen, sondern hohe Kosten für die Firmen, denn in geradezu göttlicher Verschwendungssucht propagieren sie ja die Kostenübernahme – nicht nur fürs Einfrieren, sondern auch für die vielen Jahre der fachgerechten Lagerung. Sicher werden sie auch bald mit einer Definition des „besten” Alters herauskommen sowie mit allerlei Projektionen, wie zum Beispiel: wieviel einfacher es sein wird, wenn eine Frau zwischen 45 und 55 einen Milliarden-Konzern leitet (in jüngeren Jahren sind die Chancen dafür eher gering), während sie sich zu Hause mit Babys und Kleinkindern auseinandersetzt… Und dann fehlt auch noch die Klarstellung der Erwartungen: Wie lange muss sich eine Frau einem Unternehmen verpflichten, bis sie über ihre eigenen Ei(s)zellen frei verfügen kann? Zum Schreien komisch. Oder doch nur zum Schreien?
Humor ist bekanntlich nicht universell, und was für die einen lustig ist, kann andere dazu bringen, Todesurteile über Karikaturisten zu verhängen. Also kann man auch guten Gewissens auf das Lachen verzichten und statt dessen erkennen, dass hier einmal mehr Symptombekämpfung statt Ursachenforschung betrieben worden ist, denn die Ursache für diese Satiren ist eigentlich eine Bankrotterklärung unserer Arbeitswelt. Vielleicht wäre wieder einmal der Hinweis auf die den Dakota-Indianern zugeschriebene Weisheit am Platz: „Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab.“
Vorreiterrolle?
Hier könnten drei einflussreiche Unternehmen in einer jungen Branche, wo noch keine alten Zöpfe abzuschneiden waren, eine Vorreiterposition einnehmen und nach innovativen Möglichkeiten suchen, wie sich Kinderkriegen, Kinderhaben und Kinderaufziehen mit dem legitimen Wunsch nach sinnvoller Arbeit mit fairer Entlöhnung verbinden lassen. Das könnte sie zu einem Wunscharbeitgeber machen und die Zahl der fehlenden Fachkräfte reduzieren helfen.
Wie hat es doch der polnische Satiriker Stanislaw Jerzy Lec so treffend formuliert: „Nicht geschehene Taten lösen oft einen katastrophalen Mangel an Folgen aus.“ Eine fast schon göttliche Einsicht.