These, Antithese, Synthese und der Sokratische Dialog das war gestern, heute will jeder nur noch seine eigene Meinung, Geschichte, Input durchbringen und andere so monologartig überzeugen. Wir leben in einer traumwandlerischen Gesellschaft, jeder für sich in seiner Realität, in seinem eigenen Tunnel und in diesem sitzen wir hartnäckig fest. Was aber hindert uns daran herauszukommen und andere Welten zu erkunden?
Informationswut und –flut
Täglich neue Nachrichten, tägliche Anrufe von Verkäufern von Krankenkassen, Telefonanbietern, Zeitschriften und Matratzenreinigungsfirmen. Wir blenden aus, wir halten an den bisherigen Produkten fest, weil wir nicht täglich unsere Reinigungs- oder Versicherungsprodukte überprüfen wollen. Wir üben uns im Nein-Sagen und rhetorisch geschicktem Abwimmeln. Wir üben uns im Nichtzuhören. Wir schützen uns vor Katastrophenmeldungen, überflüssigen Informationen und überhöhten Selbstanpreisungen.
Zuhören als Zeitverschwendung
Wir hören die Nachrichten, hören Politiker und hören jene, die lauter schreien als andere. Wer laut schreit, beeindruckt uns, also schreien wieder andere noch lauter, um gehört zu werden. Meist nicht in Dezibel, sondern mit emotionalen und süffigen Phrasen. Sie arbeiten mit Wut, Angst und Schrecken, damit wir zuhören, aufwachen, hinschauen. Doch es kommt uns vor, als klingen die Laute immer gleich, Text und Inhalt ein einziges Verkaufsgespräch, um uns zu etwas zu bringen, was wir im Grunde nicht wollen. „Zeitverschwendung“, denken wir. Wir packen uns ein, schotten uns ab und verschliessen uns. Die Rufe tönen lauter, schneidender, forscher, drängender… eine Spirale beginnt.
Lernen im Gespräch als selbstwertmindernde Massnahme
Ein Gespräch zu entwickeln heisst lernen, heisst Neuem begegnen zu wollen, heisst Veränderung. Wer Lernen als selbstwertmindernde Massnahme auffasst, weil er meint, bereits schon alles wissen zu müssen, um immer stark und überlegen zu erscheinen, lernt nicht, entwickelt nicht und kann nicht zuhören. Er reflektiert nicht, denkt nicht nach und ist auch für sich selber kein Gesprächspartner. Die heutige Welt bietet genügend Ablenkung, um nicht still sein zu müssen, um nicht nachzudenken.
Voraussetzungen für das aufmerksame Zuhören: „Ich weiss, dass ich nichts weiss.“
Aufmerksam zuhören bedeutet Wachheit. Wir müssen aufwachen, heraustreten aus unserem Tunnel, den Rollladen hochziehen und Licht und frische Luft in unsere Welt lassen! Es braucht Neugier. Was hat der andere wirklich zu sagen? Gibt es etwas, was ich nicht weiss, was nützlich oder interessant zu wissen wäre? Was für ein Mensch ist mein Gegenüber, welches Weltbild hat er, was treib ihn an mir etwas mitteilen zu wollen? Es braucht Interesse an einem Gegenüber. Ich lasse ihn als Individuum aus der Masse heraustreten und betrachte ihn neu, als ob ich nichts über ihn wüsste.
Damit nehme ich ihn und gleichzeitig auch mich ernst. Ich erkenne auch mich als Individuum, das sich seiner selbst bewusst ist, weil ich mir zutraue, eine eigene Haltung und Position vertreten zu können. Es braucht Mut, um meinem Gegenüber auf Augenhöhe begegnen zu können, ihn im Gespräch herauszufordern. Damit dies möglich ist, brauchen wir eine innere Dialogfähigkeit, um uns klar zu werden, welche Haltung wir selbst vertreten und wie wir uns im Leben positionieren wollen. Und vor allem brauchen wir Zeit, um zu denken. Denken können wir aber nur, wenn wir bei uns selber sind, in der Stille! Wer aber nimmt sich heute noch Zeit, um zu denken? Wir handeln unmittelbar und aus einer Denk-Ebbe heraus, schnell, rasch, beherzt und konsequent und danach brauchen wir Zeit, um unsere Handlungen kognitiv zu erfassen, zu erklären und allenfalls zu korrigieren, wieder ohne nachzudenken.
Stören wir also die unzähligen Monologe nicht mit einem Gegenmonolog, sondern mit Fragen: „Worum geht es bei dem von Dir eben Berichteten wirklich und woran merkst Du, dass Du das gerade mir mitteilen willst?“