Am Freitagabend begannen in Basel die 2. „Festtage für Alte Musik“ mit einem Eröffnungskonzert sakraler Musik in der Martinskirche. Bis zum 31. August finden an diversen Spielorten 15 Lunch-, Nachmittags- und Abendkonzerte, Vorträge, eine musikwissenschaftliche Tagung, thematische Stadtführungen, sowie ein musikbegleitetes Festessen nach historischen Rezepten statt.
Diese Ausgabe der Festtage steht unter dem Titel: „Wege zum Barock“, denn um 1600 findet in der Musik einer der folgenreichsten Stilwandel der Geschichte statt: der Übergang von der Renaissance zum Barock. Aber nicht erst mit der «Geburt der Oper» um die Jahrhundertwende in Italien wird das Neue greifbar, sondern schon während mindestens zwei, drei Jahrzehnten zuvor häufen sich die progressiven Tendenzen in Komposition, Aufführung und Musiktheorie. Somit ist die Zeit um 1600 ist wohl einer der folgenreichsten Epochenwechsel der Musikgeschichte.
“Ich liebe alles, von Bach bis zu den Rolling Stones“
Die Festtage gehen auf eine Idee des Basler Unternehmers Renato Pessi zurück, der Jahre zuvor den „Verein zur Förderung von Basler Absolventen auf dem Gebiet der alten Musik“ gegründet hatte, der jungen Musikern Auftrittsmöglichkeiten auch im Ausland verschafft.
Der bekennende Musikliebhaber Pessi, („Ich liebe alles, von Bach bis zu den Rolling Stones und noch weiter“), fand zur alten Musik durch seine Tochter Giovanna, die selbst eine Absolventin der weltbekannten Scola Cantorum Basiliensis war. Inzwischen ist er dieser Musik so verbunden, („sie berührt mich so unmittelbar“), dass er vor zwei Jahren mit Erfolg die ersten Festtage zur „Musik während des Basler Konzils“ durchführte. „Sicher hat mir mein gutes Netzwerk geholfen“, so meint er, dass er seine Idee jetzt weiterführen kann.
Humanistisches Denken
Künstlerisch werden die Festtage vom ehemaligen Direktor der Scola, Peter Reidemeister, geprägt, der über seine Arbeit strahlend und mit jugendlichem Elan spricht: „Die Initialidee musste mit Basel verbunden sein. So nahmen wir die Musik während des Konzils, eine Übergangszeit, und jetzt fahren wir mit der nächsten grossen Übergangszeit, nämlich der von der Renaissance zum Barock, fort. Diese Perioden sind Fundgruben an Neuem, an Inspiration und frisch Aktuellem. So wird um 1600 mit dem solistischen Musizieren die Persönlichkeit des Menschen in der Musik entdeckt. Musik mit dem Ausdruck individueller Emotion basiert noch auf dem humanistischen Denken der Renaissance und eröffnet doch das Barockzeitalter. Das Dramatische kommt hinzu, die Oper, der rezitatorische Stil, der Generalbass. All das entsteht in dieser Zeit und ist dann für die nächsten 200 Jahre modifizierbar, aber nicht wirklich veränderbar. Diese musikalische Epoche dauert bis zur französischen Revolution.“
Alles Interessante jener Zeit
Musik aus dieser Zeit wird voraussichtlich dann Thema der nächsten Ausgabe der Festtage sein. Doch vorerst bietet das Festival das Interessanteste aus dem Frühbarock. Junge Musiker spielen mittags und nachmittags, bekannte Gruppen und Solisten abends, alles musikalisch Interessante dieser Zeit: so zum Beispiel über dessen reichhaltigste und experimentierfreudigste Gattung, das Madrigal, bis hin zur Ausprägung solistischen Musizierens und zur großen Form des mehrchörigen Concertos. Italien ist damals führend in der Musikentwicklung und deshalb stark vertreten, doch auch Kompositionen aus Frankreich und England sind zu hören.
Komponisten wie Cypriano de Rore begegnet man im Konzertprogramm der Festtage auf geistlichem wie auf weltlichem Gebiet: so in einer vollständigen Messe im Gottesdienst im Münster und beim Überblick über die Geschichte des Madrigals. Orlando di Lasso ist mit seinen großen, avantgardistischen Motettenzyklen „Die Busspsalmen“ und „Prophetiae Sibyllarum“ vertreten. Des berühmten Musikers Gesualdo († 1613) wird anlässlich seines 400. Todestags gedacht. Der Tanz und seine Entwicklung von der Renaissance zum Barock spielen eine adäquate Rolle. Mit Isabella d’Este und dem „Concerto delle dame“ von Ferrara sind auch die Frauen und ihre Kultur in den Zentren der damaligen Welt gebührend vertreten.
Die Festtage finden bis zum 31. August an verschiedenen Spielorten in Basel statt.