„Fairer Handel statt Freihandel“ propagiert das Initiativkomitee der Volksinitiative „Für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel (Fair-Food-Initiative). Das 2015 von den Grünen eingereichte Anliegen suggeriert schon im Titel bewusst einen polemischen Widerspruch. Weder ist der Freihandel, dem wir Teile unseres Wohlstands verdanken a priori unfair, noch sind die in der Schweiz angebauten Lebensmittel in ihrer Gesamtheit sehr umweltfreundlich hergestellt. So überrascht es wenig, dass ein überparteiliches Bauernkomitee aus der Phalanx der bäuerlichen Befürworter ausbricht und die Initiative bekämpft.
Teuerungsschub für Schweizer Lebensmittel?
Bioprodukte geniessen hierzulande viel Sympathie. Im Allgemeinen werden deshalb dafür höhere Verkaufspreise akzeptiert. Müsste der Bund – wie von den Initianten gefordert – das Angebot an Lebensmitteln stärken, die von guter Qualität, umwelt- und ressourcenschonend und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt wurden, hiesse das nicht nur noch mehr staatliche Lenkung, sondern zweifelsfrei auch höhere Endverkaufspreise. Davor warnen nicht nur unsere Detailhändler (wie die Migros und Coop), sondern auch betroffene Produzenten (wie Nestlé). Schon heute wandert ein beachtlicher Teil des Lebensmitteleinkaufs ins benachbarte Ausland ab, das direkte Nutzniesserin einer solchen Aktion wären. Es zeigt sich eben, dass bei seriöser Beurteilung der etwas salopp formulierten – dem Staat zugeschobenen – neuen Vorschriften die Konsequenzen für die Schweizer Bevölkerung zu wenig bedacht oder bewusst ignoriert wurden.
Economiesuisse publizierte im August 2018 eine Studie, wonach bei Annahme der Fair-Food-Initiative die betroffenen Lebensmittelpreise um rund 50 Prozent steigen würden. Auch wenn es nicht ganz so schlimm käme, die ganze Übung würde klar auf dem Buckel der sozial schwächeren Bevölkerungsschicht ausgetragen, jenen Kreisen, die auf günstige Preise zwangsweise stärker angewiesen sind als gutverdienende.
„Fair“ tönt immer gut
Dem Forderungskatalog der Grünen folgend, müsste „jemand“ die Produktionsmethoden etwa von Ananas, Bananen, Kaffee oder Tomaten und Aprikosen am Produktionsstandort in Hawaii, Kolumbien, Brasilien oder Spanien überwachen um sie Schweiz-kompatibel zu machen. „Fair“ tönt natürlich immer gut – doch wie stellen sich die Initianten diese Arbeit konkret vor?
Es gibt jedoch noch einen anderen Grund, warum deren Vorstellungen weltfremd sind. Unser Land ist – zum eigenen Vorteil – an internationale Verträge gebunden. Dies heisst, wir akzeptieren deren Methoden, sie akzeptieren die unsrigen. Es ist schwer vorstellbar, dass diese Abkommen einseitig durch die Schweiz verändert werden könnten. Denn es ist nun mal so, dass es keine weltweit etablierten Standards für fair produzierte Lebensmittel gibt. Für Bundesrat Alain Berset ist schon dies Grund genug, dass er die von links-ökologisch eingebrachten Begehren aus Überzeugung ablehnt.
Harsche Kritik von Links
Auch wenn die Initianten nicht müde werden zu betonen, ihre Initiative wäre konform mit den WTO-Regeln: Wie ist das zu verstehen, wenn sie gleichzeitig fordern, dass „grundsätzlich auch für importierte Lebensmittel die Schweizer Standards gelten müssten“? Vorschriften in einer Initiative zu fordern, ohne deren happige Auswirkungen zu erwähnen, ist unredlich.
Es fällt auf, dass Kritik nicht nur aus dem bürgerlichen Lager kommt, sondern auch – als Beispiel – von Ex-SP-Nationalrat Rudolf Strahm, dem ehemaligen Preisüberwacher. Nicht nur warnt auch er vor höheren Preisen, er wählt noch härtere Worte, wenn er seinen eigenen Kreisen an den Karren fährt: „Die Initiative sei unsozial, ja sogar ein Etikettenschwindel“ (Sonntagszeitung).
Eine Volksinitiative jagt die nächste
Wir sind es nachgerade gewohnt, dass in der Schweiz eine kleine Gruppe von Initianten Volksinitiativen lanciert, die vordergründig „zum Wohle aller“ konzipiert scheinen, in Wirklichkeit jedoch nur einer kleinen Truppe von Profiteuren zugute kommen. (Dies auch deshalb, weil es viel zu wenig Unterschriften zur Einreichung dazu braucht). Paradebeispiel in diesem Fall ist es die harmlos tönende „Regulierung“ von Produktionsstandards, die letztlich die Schweizer Landwirtschaft belohnt (ca. 2 Prozent), zulasten der ganzen übrigen 98 Prozent der Bevölkerung.
Geht es also bei dieser Initiative hauptsächlich um Ökologie und Tierschutz? Ja, natürlich, würden die Initianten antworten. Andere Kreise vermuten, dass der Bauernstand einmal mehr mit protektionistisch gefärbten Forderungen – durch vermehrten staatlichen Schutz – bevorzugt werden soll. Diesbezüglich ist der Präsident des Bauernverbandes, Markus Ritter, erklärter Befürworter dieser Initiative, nachgerade bekannt und berüchtigt: Wenn es um nicht enden wollende Forderungen seines Verbandes geht, ist er jeweils im Nationalrat omnipräsent.
Die Katze beisst sich in den eigenen Schwanz
Unsere Bauern, die wir nicht missen möchten, sind je länger je mehr in einem undurchsichtigen Dickicht von staatlich verordneten Bestimmungen, Administrationsvorschriften, Regulierungen, Subventionen, Ermässigungen und Privilegien gefangen. Eigentlich paradox: dies alles wendet sich letztlich gar gegen ihre eigenen Interessen, sind sie doch selbst auf wachsende Umsätze der von ihnen belieferten Exportfirmen angewiesen. Der Abschluss von weiteren Freihandelsverträgen mit Partnerländern im Ausland soll dies ermöglichen, gleichzeitig wird das jedoch vom Präsidenten des Bauernverbandes aktiv hintertrieben. Bauern wären doch eigentlich selbständige Unternehmer, die sich mit einem Minimum an staatlichen Regulierungen am wohlsten fühlen würden. Die Zukunft der schweizerischen Landwirtschaft liegt nicht auf dem Ballenberg.
Aus all diesen Gründen empfehlen Bundesrat und Parlament, eine Mehrheit der politischen Parteien sowie Detailhandel und Industrie, die Fair-Food-Initiative abzulehnen.