Zwei Stunden lang hat er sich abgemüht im Fernsehstudio - zunächst konfrontiert mit vier mit so genannten Leuten wie Du und ich - eine Formel, die ihm seine ständig wechselnden, reichlich verunsicherten Kommunikationsstrategen im Elysée aufgedrängt hatten.
Anschliessend antwortete er auf die Fragen von zwei Journalisten, die in erster Linie wissen wollten, wo der Präsident das Land denn nun wirklich hinführen wolle in den zweieinhalb Jahren, die ihm noch bleiben - doch echte Antworten auf die Fragen gab es nicht. Am Ende der fast zwei Stunden vor immerhin 8 Millionen Fernsehzuschauern, war niemand in der Lage zu sagen, welche Botschaft der französische Präsident mit dieser medialen Grossveranstaltung seinen Mitbürgern nun eigentlich hatte überbringen wollen.
Ja, jeder fragte sich: warum, um Gottes Willen, hat er sich diese Sendung überhaupt angetan?
Kein Durchdringen
Letztlich hat François Hollande den Eindruck vermittelt, dass er den Franzosen im Grunde nichts zu sagen hat, zumindest nichts Neues mehr. Er erschien als einer, der glaubt, in den ersten zweieinhalb Jahren seinen Amtszeit seinen Job gemacht zu haben, sich jetzt zurücklehnt und wartet, dass die Ergebnisse eintrudeln.
"Zweieinhalb Jahre, um nichts zu tun. Zwei Stunden, um nichts zu sagen" - höhnte es prompt aus den Reihen der Opposition.
Und selbst wenn Frankreichs Staatspräsident etwas zu sagen hätte, die Franzosen hören ihm im Grunde schon gar nicht mehr zu - zu viele Rückzieher, Kehrtwendungen, Pannen und Peinlichkeiten, leere Versprechungen und all zu halbherzige Reformen haben sich Hollande und seine Regierungen im Lauf der ersten Hälfte der 5-jährigen Amtszeit geleistet. Die Folge davon: seit Monaten schon liegen die Popularitätswerte des Staatspräsidenten nicht mal mehr bei 15%, bald werde er dort ankommen, wo das Haushaltsdefizit liege, bei ca. 4,7%, ulkten einige in den letzten Tagen.
Mittlerweile hat er auch seinen ehrgeizigen und aufstrebenden neuen Premierminister mit in sein Popularitätstief gerissen. Nach der katastrophalen Schlappe der Sozialisten bei den Gemeinderatswahlen im März war Manuel Valls angetreten und über 50% der Franzosen hatten noch eine positive Meinung von ihm, dem Law-and-Order-Mann - sieben Monate später sind es gerade noch 22% - der Effekt des Neuen ist weitaus schneller verpufft, als man sich das gedacht hatte. Valls kann inzwischen noch so sehr den gestrengen, autoritären Machertyp abgeben - es hilft mittlerweile nichts mehr.
Auch durchs Land zu geistern und zu tönen: "Ich liebe die Unternehmen" oder der hilflose Vorschlag, die Sozialistische Partei Frankreichs sollte vielleicht ihren Namen ändern, brachte ihm keine neuen Sympathien ein.
Aussitzen?
Nein - auch nach diesem Fernsehauftritt des Staatspräsidenten kann man sich nicht besser vorstellen, wie François Hollande die kommenden zweieinhalb Jahre als Staatsoberhaupt aussitzen will - zumal auch noch seine parlamentarische Mehrheit fast wöchentlich weiter schrumpft - Grüne, Kommunisten und Linkspartei sind schon längst abgesprungen, immer mehr Sozialisten vom linken Flügel enthalten sich bei Abstimmungen der Stimme, die linkszentristische so genannte Radikale Partei mit ihren 12 Abgeordneten droht ihrerseits mit Stimmentzug, und in Kürze wird die sozialistische Fraktion auch noch die symbolische absolute Mehrheit von 290 Sitzen im Parlament verlieren.
Da ein gewisser Pierre Moscovici, vormals sozialistischer Abgeordneter und auch Wirtschaftsminister, in Brüssel zum EU-Kommissar durchgeboxt wurde, müssen in seinem Wahlkreis im ostfranzösischen Doubs jetzt Neuwahlen abgehalten werden, die von dem armen nachfolgenden sozialistischen Kandidaten auf keinen Fall mehr zu gewinnen sind. Typisch für die Grundstimmung im Land: man zittert bereits, dass auch dort am Ende der Kandidat der Nationalen Front die Nase vorne haben könnte und die rechstextreme Partei einen dritten Abgeordneten in die Nationalversammlung entsenden kann.
Mittlerweile fordert laut Meinungsumfragen bereits die Hälfte der Franzosen eine vorzeitige Auflösung der Nationalversammlung und Neuwahlen für das Parlament, um aus dieser verfahrenen politischen Situation herauszukommen. Egal, ob es danach erneut eine Kohabitation zwischen einem linken Präsidenten und einer konservativen Mehrheit gibt und das Land bestimmt nicht weniger blockiert wäre als heute.
Olympische Spiele
Besonders konsternierend waren die letzten Minuten des Fernsehauftritts von François Hollande. Als fiele ihm wirklich überhaupt nichts mehr ein, um im Land für mehr wirtschaftliche Aktivitäten zu sorgen, plädierte er wie aus heiterem Himmel vehement für die Kandidatur von Paris für die Olympischen Sommerspiele 2024 - diese schaffe Enthusiasmus, ein Wir-Gefühl und Arbeitsplätze. Es war, als sei dem französischen Präsidenten nicht zu Ohren gekommen, dass immer mehr Länder das Austragen von Olympischen Spielen schon lange nicht mehr als das Gelbe vom Ei betrachten, sich nicht mehr von der dubiosen Vereinigung des Internationalen Olympischen Komitees gängeln lassen wollen, um dann letztlich in die Staatskasse greifen zu müssen, um Finanzlöcher zu stopfen.
Hat dem französischen Staatsoberhaupt niemand zugetragen, dass die Bürger in München und Umgebung und in Graubünden vor einiger Zeit gegen die Austragung von Olympischen Spielen gestimmt haben und jüngst auch Norwegen dankend abgewinkt hat? Es scheint, als wolle Frankreich auch bei dieser internationalen Entwicklung wieder einen Schritt hinterher hinken. Dass man für eine Olympiakanidatur gar erst die Bevölkerung des Grossraums Paris befragen könnte, kommt in diesem zentralistischen Land ohnehin niemandem in den Sinn.