Ein westlicher Beobachter hat die Bewohner der reichen Öl-Emirate am Golf einst maliziös als „Kindergärtler mit zuviel Taschengeld“ beschrieben. Anscheinend nicht ganz zu Unrecht. Anfang Woche räumte das „Emirates Palace Hotel“ in Abu Dhabi den Medien gegenüber ein, es sei unter Umständen doch etwas zu weit gegangen mit der Dekoration eines 13 Meter hohen, künstlichen Tannenbaums. Obwohl sie, so die Sieben-Sterne-Herberge, für ihre Gäste lediglich eine feierliche vorweihnächtliche Atmosphäre habe kreieren wollen, welche auf den „Werten der Offenheit und Toleranz“ basiere, wie sie das Emirat kennzeichnen würden.
"Das Letzte in Sachen schlechter Geschmack"
Ein lokaler Juwelier hatte die Fichte mit 181 Diamanten, Emeralden, Saphiren und weiteren Edelsteinen im Wert von 11 Millionen Dollar behängt, was dem derart geschmückten Baum einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde bescherte. Den Rekord hatte zuvor ein Gewächs gehalten, das die Schweizer Uhrenfirma Piaget 2002 in Tokio mit Preziosen im Wert von 10,8 Millionen Dollar dekorierte.
Das „Emirates Palace“ teilte mit, es bedaure „die Versuche, eine Tradition zu überladen, der die meisten Hotels im Lande folgen würden“. Es war das unerwartete Eingeständnis eines Hauses, das der britische „Oberserver“ als „Hotel mit dem Letzten in Sachen schlechter Geschmack“ beschreibt: „gebaut, um jener Sorte russischer Oligarchen zu gefallen, die einen Besuch des Geschmackinspektorats dringend nötig hätten“. Eines Hauses auch, in dessen Lobby ein Automat steht, der nicht Geld, sondern Gold ausspuckt, und das ein siebentägiges Arrangement anbietet, das eine Million Dollar kostet und unter anderem die Miete eines Privatjets für Abstecher in nahöstliche Destinationen beinhaltet. Schätzungen zufolge hat der Bau des „Emirates Palace Hotels“ seinerzeit die Kleinigkeit von rund 3 Milliarden Franken verschlungen. Exakte Zahlen sind Staatsgeheimnis.
Dafür kriegt der zahlungskräftige Gast was geboten: Die Front des Gebäudes aus Marmor und Granit ist über einen Kilometer breit und das Hotel liegt an einem Privatstrand, der doppelt so breit ist. Der Bau ist mit 6000 Quadratmetern Blattgold verziert, wobei Goldstaub auch auf die Cappuccinos und Schokoladentorten gestreut wird, die das Haus serviert. „Alles ist Gold, was glänzt“, titelte nach der Eröffnung des Hotels „Die Zeit“ einen Artikel aus Abu Dhabi. Auf jeden Gast trifft sollen im „Emirates Palace“ vier Angestellte kommen. Hunderte Bediensteter sind es insgesamt, und etliche von ihnen stehen, je nach Prominenz eines Gastes, bei dessen Abschied vor dem Eingang des Hotels wie eine Ehrengarde Spalier.
Einem demütigen Konkurs entgangen
Dabei ist es nicht so, dass Abu Dhabi, das auf zehn Prozent der globalen Erdölreserven sitzt, nur an Prunk und Kitsch Gefallen findet. Auf Saadiyat Island“ (Insel des Glücks) entsteht derzeit ein Museumszentrum, das Architekten von Weltruf planen und seinesgleichen sucht. Der Amerikaner Frank Gehry, Schöpfer des spektakulären Ablegers des Guggenheim-Museums in Bilbao, baut in Abu Dhabi einen weiteren Ableger der berühmten New Yorker Institution. Mit 13 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche wird das Kunstmuseum grösser sein als andere Guggenheims. In Gehdistanz zum neuen Guggenheim realisiert Jean Nouvel, Architekt des KKL in Luzern, einen Ableger des Louvre, der an traditionelle arabische Architektur erinnert. Die Namenrechte am Pariser Museum hat sich das Emirat rund 600 Millionen Franken kosten lassen.
All das berappt, wie übrigens auch das „Emirates Palace“, die sonst eher konservative lokale Herrscherfamilie. Deren Aktien sind, bildlich gesprochen, wieder im Steigen begriffen, seit die liberaleren Cousins in Dubai, die nach dem Motto „immer besser, grösser und teurer“ operierten, den Immobilienmarkt so spektakulär crashen liessen und nur dank massivem finanziellen Zustupf aus Abu Dhabi einem demütigenden Konkurs entgingen.
Neben dem Guggenheim baut die irakische Architektin Zaha Hadid auf Saadiyat ein Zentrum der darstellenden Künste, dessen Struktur den Betrachter an „Früchte an einem Ast“ mahnen soll, die sich dem Meer zuwenden. Der Japaner Tadao Ando entwirft Abu Dhabis Schifffahrtsmuseum, in dessen Mittelpunkt der Nachbau einer arabischen Dhow steht und dessen Aussenwände an geblähte Segel erinnern. Der Brite Norman Foster schliesslich realisiert das nach dem Gründer der Vereinigten Arabischen Emirate (VAR) benannte Zayed Nationalmuseum.
Alle diese Bauten sollen bis 2013 fertig sein, wobei sich dem britischen „Independent“ zufolge nur noch die Frage stellt, wie es mit der künstlerischen Freiheit dieser Häuser bestellt sein wird. Dies in einer Region, die nicht eben für überbordende Presse- und Meinungsfreiheit bekannt ist: „Während die Gebäude mutmasslich atemberaubend sein werden, steht noch eher offen, was sie dereinst füllen wird.“ Vertreter Abu Dhabis haben zwar wissen lassen, es werde in den Museen keine Zensur geben. Im Emirat ist aber auch zu hören, „Respekt zu zeigen“ sei schon nötig. Ob zum Beispiel eine Ausstellung mit Akten auch darunter fällt, weiss niemand.
Weisse, schwarze, braune Kamele
Nicht ganz der Ironie entbehrt indes der Umstand, dass in Ras al-Khaimah, einem der sieben Mitglieder der VAR, denen Abu Dhabi vorsteht, unlängst ein „Ice Land Water Park“ eröffnet worden ist: ein 100-Millionen-Dollar-Projekt, das mit geplanten 10 000 Besuchern täglich in den Emiraten zu einer Touristenattraktion erster Güte werden soll. Der Park erzählt, wenn man so will, die Geschichte eines Clans (künstlicher) Pinguine, die als Folge der Erderwärmung ihre Heimat in der Arktis verlassen müssen, über die Ozeane irren und schliesslich an der Küste einer Insel vor Ras al-Khaimah Zuflucht und ein neues Zuhause finden.
„Die Lage eines winterlichen Wasserparks in einem heissen Emirat, das unter Strom- und Wasserknappheit leidet, mag erstaunen“, schreibt „The National“, die Tageszeitung der Emirate: „Der Park wird jedoch eine eigene Stromversorgung haben und das nötige Nass wird eine Meerwasserentsalzungsanlage liefern.“
Dem Blatt zufolge sind nicht alle Einheimischen glücklich über das Projekt, vor allem jene Einwohner eines nahen Küstendorfes nicht, die sich beklagen, der Verlust des öffentlichen Strandes beeinträchtige die Fischerei. Andere Leute bedauerten das Verschwinden eines beliebten Strandabschnitts, den einst Geiserkrabben und gelegentlich ein wildes Kamel belebt hatten.
Doch wer Kamele liebt, ist in Abu Dhabi nach wie vor an der richtigen Adresse. Rund eineinhalb Stunden vom „Emirates Palace Hotel“ entfernt liegt in östlicher Richtung die Universitäts- und Oasenstadt Al Ain. Zu den Attraktionen des Ortes an der Grenze zum Oman gehört ein Kamelmarkt, mit weissen Tieren aus dem Sudan, schwarzen aus Pakistan und braunen aus den Emiraten. Auf dem Markt ist noch das alte Arabien wach, jenes inzwischen fast mythische Gebilde aus der Zeit vor dem Öl und vor den Luxus-Geländewagen. Jenes alte Arabien fern von Wolkenkratzern, die auf Sand gebaut sind, und weit weg von Luxus-Hotels, die Goldstaub auf ihre Cappuccinos streuen.
Um das immer grösser und grüner werdende Al Ain am Fusse des Jebel Hafit lebt die Wüste noch, nicht als Touristenattraktion oder Event-Destination, sondern als Ausdruck majestätischer Natur: Wind, Sand und Sterne. Ende gut, alles gut, läge da ausserhalb der Stadt nicht auch noch Hili Fun City, das „Disneyland der Länder des Golfkooperationsrates“, ein Freizeitpark amerikanischen Zuschnitts komplett mit Ali Baba, Hili-Maus und fliegenden Clowns. Das „Emirates Palace“ in Abu Dhabi lässt grüssen.