Im Abstimmungskampf über die staatliche Medienförderung warnen die Gegner vor «Staatsmedien». Die Befürworter sehen darin ein Rezept gegen das Zeitungssterben und die Dominanz von reichen Medien-Moguls. Die Wirklichkeit ist etwas komplexer.
Am 13. Februar wird über ein von Regierung und Parlament angenommenes Gesetz zur finanziellen Unterstützung einheimischer Medien abgestimmt. Es geht um den Ausbau von Subventionen in der Höhe von rund 150 Millionen Franken jährlich. Diese Gelder sollen an traditionelle Zeitungen und an lokale Radiostationen für bestimmte Kostenaufwendungen fliessen, aber auch neue Online-Medien werden in dem Gesetzespaket unter bestimmten Bedingungen mit staatlichen Geldern bedacht.
Die Fördermassnahmen sind auf sieben Jahre befristet. Schon lange werden gedruckte Zeitungen hauptsächlich durch verbilligte Tarife bei der Postzustellung unterstützt (sogenannten indirekte Medienförderung). Das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen der SRG wird wesentlich durch obligatorische Gebühren finanziert. Kritiker diffamieren die SRG-Kanäle deshalb gerne als «Staatsmedien», obwohl ihre Strukturen teilweise genossenschaftlich organisiert sind, sie gesetzlich zu ausgewogener Information verpflichtet werden und die Gebühren durch Volksabstimmungen legitimiert sind.
Die Grossverlage als Hauptprofiteure?
Die Gegner der neuen Fördermassnahmen argumentieren im angelaufenen Abstimmungskampf in erster Linie mit der Behauptung, durch vermehrte Subventionen würden die unterstützten Medien automatisch zu «Staatsmedien». Diese könnten mit Rücksicht auf diese Einnahmen keine unabhängigen Informationen und Meinungen mehr verbreiten. Die Nein-Propaganda spricht deshalb gerne von «gekauften Medien». Das Nein-Komitee agitiert unter dem Titel «Staatsmedien Nein». Präsident des Nein-Komitees ist der frühere St. Galler FDP-Nationalrat und Vorsitzender des Online-Portals «Die Ostschweiz», Peter Weigelt. Geschäftsführer ist Philipp Gut, der als Historiker für sein Buch über Thomas Mann einst hohes Lob erntete, später als Journalist diverse Skandale anzettelte und zweimal wegen übler Nachrede gerichtlich verurteilt wurde.
Das Nein-Komitee behauptet, 70 Prozent der vorgesehenen neuen Fördermittel würden an die etablierten Grossverlage wie Tamedia, Ringier, CH-Media und NZZ fliessen. Dies vor allem deshalb, weil nur diese Grossverlage auch Sonntagszeitungen produzierten, deren Zustellung mit happigen 40 Millionen Franken subventioniert werden soll.
Das Nein-Komitee wird durch eine Reihe von Persönlichkeiten unterstützt, die politisch hauptsächlich dem bürgerlich-konservativen Lager verbunden sind. Die SVP hat sich ziemlich geschlossen gegen die zusätzliche Medienförderung ausgesprochen. Der SVP-Übervater Christoph Blocher, der seit einigen Jahren selber eine Art Medienimperium mit über 30 Gratiszeitungen besitzt, kämpft ebenfalls gegen das Massnahmenpaket. Vielleicht hat das auch mit dem Umstand zu tun, dass Gratiszeitungen nicht vom staatlichen Geldzufluss profitieren würden.
Sehr aktiv agitieren die «Weltwoche» und der «Nebelspalter», die von den Blocher-Jüngern Köppel und Somm geführt werden, für das Nein-Lager. Auch die NZZ-Redaktion hat inzwischen publiziert, dass sie ein Nein gegen zusätzliche Medien-Subventionen empfiehlt. Dies mit der Begründung, private Medienunternehmen müssten Distanz zum Staat haben, das gelte auch für die Finanzierung.
Gegen Medien-Financiers mit politischer Agenda
Die Befürworter der Vorlage argumentieren mit einer ganz andern politischen Perspektive. Sie heben hervor, dass in den letzten 20 Jahren mehr als 70 Zeitungstitel der Regional- und Lokalpresse verschwunden seien, an manchen Orten gebe es keine regionale Berichterstattung mehr. Dieser Niedergang wird unter anderem mit dem rasanten Schwund der Werbeeinnahmen erklärt, von dem allerdings auch die grossen überregionalen Medien schwer betroffen sind.
Die Werbegelder fliessen jetzt hauptsächlich den amerikanischen Internet-Giganten wie Facebook oder Google zu. Parallel zur Werbe-Entwicklung verläuft der Schrumpfprozess bei den traditionellen Abonnenten von Printmedien. Jüngere Bürger bezahlen immer weniger für ein eigenes Zeitungsabonnement, sie bedienen sich bei den Gratisangeboten im Internet (die übrigens auch wieder von den Grossverlagen angeboten werden).
Ein Hauptargument der Fördermassnahmen-Befürworter aber ist die Warnung vor der Gefahr einer zunehmenden Mediendominanz potenter Financiers mit politischen Ambitionen. Wenn man Nein stimme, mäste man statt der bestehenden Verlage einfach «andere Schwerreiche wie Blocher, Tettamanti, Matter, Hummler, Frey» die sich im allgemeinen Medien-Ausverkauf das «Vergnügen leisten könnten, diesen oder jenen Medientitel zu kaufen – mal als Spielzeug, mal als Kampfblatt», liest man in der meist links orientierten Online-Zeitung «Republik». Denn, so die Logik dieses Gedankengangs, «je weniger öffentliches Geld in der Medienbranche ist …, desto grössere Hebel hat das private Kapital». Im Zusammenhang mit solchen Entwicklungen wird im Lager der Befürworter von mehr staatlichen Unterstützungsgeldern für die bestehenden Medien öfter das Gespenst einer «Berlusconisierung» oder des «Trumpismus» im helvetischen Medienwald beschworen.
Der Realitätsgehalt solcher verkürzter Schreckbilder aus der Küche der Subventionsbefürworter wird man als kritischer Beobachter allerdings nicht viel höher einstufen können als die Schlagworte der Gegner, die alle Bezüger von möglichen Fördermitteln kurzerhand als «Staatsmedien» etikettieren. Wenn diese letztere Abstempelung stimmen würde, dann müsste man ja die traditionellen Zeitungsverlage von der linken WOZ bis zur rechten «Weltwoche» ebenfalls als «Staatsmedien» bezeichnen, denn sie alle profitierten schon seit über hundert Jahren von staatlichen Subventionen in Form von reduzierten Posttarifen.
Ungewisse Zukunft für Printmedien
Seltsamerweise wird im Abstimmungskampf um zusätzliche Fördermittel für die Medien, der sich bisher weitgehend nach einem politischen Links-rechts-Denkmuster abspielt, kaum je über die eigentlich zentrale Frage debattiert, ob die vorgesehenen finanziellen Zuschüsse tatsächlich geeignet sind, in der Schweiz eine solide Medienvielfalt zu sichern, wie man sie sich für eine funktionierende Demokratie wünscht. Wenn die Schrumpfung der Printmedien im Allgemeinen und das Verschwinden von vielen lokalen Zeitungen beklagt wird, so muss man sich auch mit der Frage auseinandersetzen, wie lange gedruckte Zeitungen in unserer immer stärker vom Internet dominierten Medienwelt überhaupt noch eine realistische Zukunft haben. Wer davon nicht überzeugt ist, wird deshalb jene Subventionen skeptisch beurteilen, die für den Erhalt und die Zustellung von Printmedien vorgesehen sind. Das gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass die neuen Fördermassnahmen vorerst auf sieben Jahre befristet sind.
Eher zukunftsträchtig scheint dagegen eine Finanzhilfe für neue Nischenmedien im Internet, die als Ergänzung zu den etablierten Kanälen durchaus zur erwünschten Medienvielfalt beitragen können. Allerdings zeigen konkrete Beispiele von Internetzeitungen wie «Journal21» oder «Republik», dass solche Experimente auch durch Spenden oder Abonnemente Wurzeln schlagen können, ohne auf Gedeih und Verderb auf staatliche Gelder angewiesen zu sein.
Zweierlei Einstellungen zum Staat
Wie also soll man sich bei der Abstimmung vom 13. Februar entscheiden? Die Antwort fällt nicht leicht, denn die Argumente beider Seiten sind für den kritischen Beobachter schon deshalb nicht restlos überzeugend, weil sie ideologisch stark aufgeladen sind und Zwischentöne ausblenden. Am Ende geht es darum, ob man die finanzielle Förderung des Mediensektors durch den Staat grundsätzlich ablehnt und für gefährlich hält. Hinter dieser Auffassung steht ein prinzipielles Misstrauen gegen den Staat – selbst wenn dieser demokratisch organisiert ist und nichts mit der finsteren Vision von Thomas Hobbes’ «Leviathan» zu tun hat. Wer dieses Misstrauen teilt, wird gegen neue finanzielle Zuschüsse an die Medien stimmen.
Wenn man es aber im Gegenteil zu den Aufgaben eines funktionierenden demokratischen Staates zählt, die Aufrechterhaltung einer lebendigen Medien- und Meinungsvielfalt durch entsprechende Hilfsmassnahmen zu sichern, wird ein Ja einlegen. Die Zustimmung zu diesem letzteren Standpunkt würde leichter fallen, wenn nicht ein bedeutender Teil der vorgesehenen Subventionsgelder nach dem Giesskannenprinzip an jene etablierten Grossverlage fliessen würde, die in den letzten Jahren gute oder sogar sehr gute Geschäfte gemacht haben. Man fragt sich als Stimmbürger deshalb, weshalb bei der Konzipierung dieses Fördergesetzes im Parlament der Subventionsfluss an die Grossverlage nicht überzeugender eingeschränkt wurde.
Sollte die Vorlage am 13. Februar angenommen werden, so darf man gespannt sein, ob jene Medienvertreter, die jetzt so heftig gegen die «Staatsmedien» polemisieren, dann auch konsequent auf den ihnen zustehenden Geldsegen aus Bern verzichten werden.