"Bitte lasst uns in Ruhe und lasst ihn in Ruhe und blast nicht die nächste Staatsaffäre auf, die keine ist", hatte man bei den Morgenachrichten des letzten Freitags gestöhnt, als aufgeregt berichtet wurde, dass der Präsident des Landes gerade mit irgend jemandem fremd geht, dessen Namen einem im morgendlichen Tran gleich mal gar nichts sagen wollte. Oder lasst uns eben schmunzeln über die Unverfrorenheit, mit der Frankreichs Politiker seit jeher ihrer Libido freien Lauf lassen - aber reden wir bitte nicht von Sicherheitsproblemen, weil der Staatschef nur von einem Leibwächter begleitet wird, wenn er nachts heimlich in den Hausgang seiner neuen Angebeteten schlüpft.
Und lasst uns bitte in Ruhe mit der zehnten Auflage von vorgeblich hintergründigen Artikeln, die das Thema Macht und Sex behandeln und die erstaunliche Anziehungskraft, welche auch von der Natur gar nicht besonders verwöhnte männliche Politiker auf Frauen ausüben können. Nehmen wir halt zur Kenntnis, dass das Liebesleben der französischen Politiker mindestens eben so unkorfomistisch ist wie das vieler Franzosen - in einem Land, in dem inzwischen jede 2. Ehe geschieden wird und in dem mehr als 50Prozent der Kinder von nicht verheirateten Paaren in die Welt gesetzt werden.
De Gaulle – die Ausnahme
An der Spitze eines französischen Staates, in dem es in den letzten Jahren allerdings immer prüder zugeht und in dem immer mehr verboten wird, konnte man seit Beginn der 5. Republik eigentlich nur dem grossen Charles De Gaulle keine Frauengeschichten nachsagen. Tante Yvonne, wie der Volksmund seine streng katholische Gattin getauft hatte, wachte sorgsam über ihren grossen Mann und verbat sich sogar, dass nicht verheiratete Paare, ja gar Geschiedene und wieder Verheiratete bei offiziellen Essen mit ihr am Tisch sassen - so als handle es sich um Aussätzige und als könne sie auf diese Art das damals schon reichlich bekannte Luderleben der französischen Politikerkaste von sich fern halten.
Nein, vom grossen Charles gibt es keine einzige dieser Geschichten, die bei Feiern in Redaktionsstuben oder zu später Stunde an den Tafeln von so genannten gut informierten Kreisen, den berühmt berüchtigten «Diners en ville» wieder hervorgeholt werden. Auch De Gaulles früh verstorbener Nachfolger, Georges Pompidou, kam damals noch relativ ungeschoren davon, sieht man einmal davon ab, dass man seiner eleganten, hoch gewachsenen, blonden Frau damals irgendwelche Orgien angedichtet hatte, bei denen angeblich ein dubioser frühererLeibwächter von Alain Delon anwesend war.
Felix Faure
Ganz anders und schon lange davor hatte sich der Präsident Felix Faure 1899 in seinem Büro des Elyseepalastes in galanter Begleitung offensichtlich übernommen und war an einem Hirnschlag gestorben. Als der herbeigerufene Arzt eintraf, soll er die Frage gestellt haben: «A-t-il encore sa connaissance?«, will heissen: "Ist er noch bei Bewusstsein?", wobei «connaissance» auch „Bekannte“ heissen kann. Ein anwesender Berater des gerade verstorbenen Präsidenten soll darauf geantwortet haben : «Non elle vient de partir par la porte arrière», was heisst: «Seine Bekannte ist eben durch die Hinertür verschwunden.»
Edgar Faure
Ein anderer Faure, Edgar mit Vornamen und mit dem ehemaligen Präsidenten nicht verwandt, war eine schillernde Figur der 4. und der 5. Republik und hat mindestens 10 Mal als Minister gedient. Faure, der mit über 70 sogar in die Academie Française gewählt wurde, war ein Mann der Kultur, dessen Aphorismen heute noch berühmt und vielen geläufig sind. Klein und eher rundlich und mit einem Lispeln auf der Zunge, durfte er sich trotzdem Zeit seines Lebens des Erfolgs bei Frauen sicher sein - in einer Zeit, da sich männliche Politiker um Sexismus Vorwürfe nicht scherten.
Ein Parteifreund, der ihn eines Tages fragte, ob seine neue Maitresse für ihn nicht etwas zu gross gewachsen sei, bekam die Antwort: «Ach wissen sie, lieber Freund, ich sehe sie meistens nur auf den Knien vor mir». Nach dem Tod seiner Frau merkte ein anderer an, dass seine weiblichen Begleiterinnen jetzt weniger hübsch seien als Vorhergehende. Faures Antwort: «Ich trage ja auch noch Trauer». Und als er zu spät auf dem Podium einer internationalen Konferenz erschien und übersah, dass die Mikrophone eingeschaltet waren, durfte der ganze Saal seine Entschuldigung beim Vorsitzenden der Konferenz mithören, die da lautete: «Excusez-moi, mais j'étais en train de baiser».
Giscard d'Estaing
Giscard d'Estaing, der grosse, schlanke und noch junge Präsident, dem allerdings damals schon die Haare fehlten, stellte sich gleich nach Amtsantritt 1974 ein wenig dumm an und fuhr morgens um vier etwas müde und in charmanter Begleitung unweit des Elyseepalastes in den Kleinlaster eines Milchliferanten, den es damals zur frühen Morgenstunde in der Pariser Strassen noch gab. François Hollande hätte diese Begenung mit dem Milchmann nicht passieren können, zumal er ja nicht mal mehr selbst seinen Motorroller steuern durfte auf dem Weg zum galanten Rendez- Vous in einer Strasse, die doch tatsächlich «Rue du Cirque» heisst . Ein schöner Zirkus.
Giscard d'Estaing war nach seiner Amtszeit damals noch zwei Mal schwach geworden - allerdings nur schreibender Weise, so als hätte er das Image des Schwerenöters und Verführers noch bis ins hohe Alter aufrecht erhalten wollen . Er schämte sich nicht, eine Art Groschenroman zu verbrechen, der von einer Autostopperin handelt, die angeblich seinem Charme verfallen war und in einem weiteren Opus tat er noch 2009 so, als sei auch mit Prinzessin Diana einst etwas gewesen …..
François Mitterrand
Auf Giscard d'Estaing folgte mit François Mitterrand, ein Präsident, dem der Ruf eines Machiavellis und eines Charmeurs der ganz besonderen Güte voraus eilte. Als bereits 45-Jährigem hatte es ihm, der seit Ende des 2. Weltkriegs verheiratet war, unter anderen die 18-jährige Tochter einer bekannten sozialistischen Familie angetan. Mit ihr sollte er Jahre später in aller Heimlichkeit eine Art zweite Familie gründen und eine gemeinsame Tochter haben.
Beide, Anne Pingeot und Tochter Mazarine, liess Mitterrand, nachdem er 1981 zum Präsidenten der Republik gewählt worden war, ohne mit den Wimpern zu zucken, auf Staatskosten bewachen und logieren. Es war damals noch die für Frankreichs Politiker so gesegnete Zeit, da sämtliche Redaktionen der Pariser Medien zwar über die ausserehelichen Liebschaften Mitterrands auf dem Laufenden waren, aber niemand ausdrücklich über diese für einen Staatspräsidenten doch reichlich pikante Situation berichtete.
Als das Wochenmagazin «Paris Match» schliesslich Photos von François Mitterrand mit seiner schon erwachsenen Tochter beim Verlassen eines Nobelrestaurants veröffentlichte, geschah das mehr oder weniger mit dem Einverständnis des Präsidenten, der wusste, dass er nur noch wenige Jahre zu leben hatte. Dieser Präsident hat zwischendurch auch Jahre lang eine Beziehung mit einer schwedischen Frankreichkorrespondentin unterhalten und soll zu Beginn seiner Präsidentschaft eine Schauspielerin umworben haben, deren Stern damals erst gerade aufging: Juliette Binoche.
Jacques Chirac
Jacques Chirac, der sich sehr jung mit Bernadette Chaudron de Courcelles gegen den Willen der Familie verheiratet hatte, brachte eben diese Familie bereits ganz am Anfang seiner politischen Karriere und wenige Jahre nach seiner Heirat zur Weissglut, als er, ohne sich gross um Diskretion zu scheren, ein Abenteuer an das andere reihte. Von ihm stammt zum Beispiel auch der häufig zitierte Trinkspruch, der eher aus der Ära des oben schon zitierten Edgar Faure stammen könnte: «Auf unsere Pferde, auf unsere Frauen und auf die, die sie besteigen».
Nach einem schweren Verkehrunfall musste seine Frau Bernadette 1972 schon sehr resolut Chiracs Beraterin Marie France Garaud aus dem Krankenhauszimmer verjagen - die Chirac dort nicht nur beraten hat. Und schon damals kam im Zusammenhang mit dem grossen Jacques unter seinen Parteifreunden das geflügelte Wort auf: «10 Minuten - duschen inbegriffen». Auch während seiner Präsidentschaft verbrachte er manche seiner Pariser Nächte ausserhalb der Wohnung im Elyseepalast. Unvergessen bleibt: In der Nacht, als Prinzessin Diana und ihr Geliebter am 13. Betonpfosten der Unterführung an der Pariser Alma Brücke in einer Luxuslimousine verunglückten, war Jacques Chirac bis zum nächsten Vormittag nicht auffindbar – seine Gattin musste ins Krankenhaus eilen, in welches man die sterbende Diana gebracht hatte. Auch mit Claudia Cardinale, so hiess es, habe Chirac damals eine Beziehung unterhalten.
Ende einer Epoche
Wir verzichten hier auf die Kapitel Dominique Strauss – Kahn oder Roland Dumas, der alte Freund Mitterrands, der mit einer syrischen Maitresse einst für diplomatischen Ärger gesorgt hatte, als er in Ministerwürden war. Das Gleiche geschah zur Zeit, als er im Aussenamt agierte. Da hatter er mit Christine Deviers- Joncour eine Geliebte, von der man den Eindruck haben durfte, dass sie vom Erdölkonzern Elf Aquitaine auf ihn angesetzt worden war.
Bis Mitte der 90er Jahre herrschte in Frankreich jedenfalls - im Gegensatz zu angelsächsischen Ländern - der paradiesische Zustand, dass die Medien tatsächlich die Finger vom Privatleben der Politiker liessen, nicht darin herum rührten und sich schmutzig machten. Und sie fingen nicht wie jetzt das grösste deutsche Schmutzblatt an, von einer Staatsaffäre zu sprechen, wenn wie gerade eben François Hollande, ein Präsident oder Minister beischläft mit wem er gerade will.
Nicolas Sarkozy
Nach einer Übergangsphase am Ende der Ära Mitterrand sollte sich dies alles ab dem Jahr 2000 jedoch gründlich ändern, als ein gewisser Nicoals Sarkozy auf der Bildfläche erschien und den Spiess umdrehte: Er inszenierte sein Privatleben nachgerade für die Öffentlichkeit, benutzte es bei der Eroberung und der Ausübung der Macht wie nie jemand vor ihm, führte erst die eine und dann die andere Frau regelrecht vor und nutzte beide schamlos für seine politische Karriere.
Unvergessen ist, wie er beim Einzug in den Elyseepalast 2007 seine Patchwork–Familie wie in Hollywood oder Cannes im Blitzlichtgewitter über den roten Teppich im Hof des Elysees laufen liess. Die Folge: Der Damm zwischen öffentlicher und privater Sphäre war auch in Frankreich endgültig gebrochen und weder Sarkzoy noch andere Politiker können seitdem von den Medien noch verlangen, dass ihre Privatsphäre respektiert wird. Ironie des Schicksals: François Hollande, der seit jeher konsequent sein Privatleben aus der Öffentlichkeit fern gehalten hat, zahlt jetzt unfreiwillig die Rechnung für diese Entwicklung.
Mit der bislang noch nie da gewesenen Situation, dass das Staatsoberhaupt Frankreichs von Paparazzi bei seinen heimlichen Eskapaden observiert, verfolgt und photographiert wurde, wie ein beliebiges Starlet aus dem Show-Buiseness. Dazu kommt der Verdacht, dass hinter der aufwendigen Logistik, die für die umstrittenen Schnappschüsse von François Hollande nötig war bis hin zur Anmietung einer gegenüber dem mutmasslichen Liebesnest liegenden Wohnung, durchaus ein gewisser Nicolas Sarkozy stecken könnte. Der kann in der Tat bis heute noch auf viele seiner Leute zählen, die er zwischen 2007 und 2012 als Präsident auf strategischen Posten im Innenministerium und im Polizeiapparat platziert hatte und auf die François Hollande seit seinem Amtsantritt keine Hexenjagd eröffnet hat.