So hatte sich das Nicolas Sarkozy wahrlich nicht vorgestellt, als er nach zweijähriger Abstinenz im Herbst 2014 wieder in die Politik zurückkehrte. Im Grunde war es ja schon erniedrigend genug gewesen, dass er als ehemaliger Präsident der Republik vor über einem Jahr wieder einfacher Parteichef werden musste, um den Weg dorthin zu finden. Der Herr, der als etwas aufgeregter Elder Statesman durch die Welt jettete und für irgendwelche Vorträge in Katar, Kasachstan oder anderen, ähnlich demokratischen Staaten, von irgendwelchen Instanzen – auch ohne einen vernünftigen Satz auf Englisch zustande zu bringen – sechsstellige Beträge kassierte, er sollte plötzlich wieder die Drecksarbeit eines Parteichefs machen .
Nichts funktioniert
Als Retter gedachte Sarkozy zurückkommen, hatte De Gaullsche Töne angeschlagen, meinte gewohnt grosspurig, seine Person und sein Name allein würden genügen, damit im Scherbenhaufen seiner intern zerstrittenen UMP-Partei plötzlich das Geschirr wieder gekittet und alles gut wird. Die grosse Einheit der französischen Rechten werde er wieder herstellen, posaunte der Ex-Präsident. In seinen Augen hiess das allerdings: ich sage, wo es langgeht, und alle anderen kuschen, so wie Sarkozy das aus der Vergangenheit gewohnt war.
Eine neue, moderne Partei, so tönte er, wolle er auf die Beine stellen – was auch immer das heissen sollte. 500'000 Mitglieder sollte sie haben – über ein Jahr nach Sarkozys Rückkehr stagniert die Mitgliederzahl der inzwischen umbenannten konservativen Partei «Die Republikaner» weiter bei rund 240'000 .
Als Hauptgrund für seine Rückkehr in die Politik nannte Sarkozy 2014 reichlich vollmundig seine feste Überzeugung, er sei der einzige, der den Stimmenzuwachs für die Nationale Front eindämmen könne. Dummerweise ist genau das Gegenteil eingetreten. Nie waren die Zuwächse für Frankreichs Extreme Rechte so stark wie unter Parteichef Sarkozy im Jahr 2015.
Der Mann, der nie Inventur machen wollte und kritisch hinterfragen, warum er 2012 die Wahlen verloren hatte, hat so gut wie keine Rezepte mehr, oder wenn, dann sind sie alt und funktionieren ganz offensichtlich nicht mehr.
Autoritätsverlust
Die Folge von alldem: Sarkozy hat im Lauf der letzten Monate in seinem eigenen Lager einen Autoritätsverlust erlitten, wie man ihn sich hätte nie vorstellen können, und er musste Dinge hinnehmen, die regelrecht erniedrigend für ihn waren.
Während den Regionalwahlen im Dezember gab es landesweit praktisch keinen einzigen konservativen Kandidaten, der Ex-Präsident Sarkozy im Wahlkampf dabeihaben wollte. Persona non grata! Und wenn sich Sarkozy aus der Ferne dann doch in den Wahlkampf einmischen wollte, sagte etwa sein früherer Arbeitsminister, Xavier Bertrand, Kandidat in der Region Nord-Pas de Calais, ganz offen, Sarkozy möge doch um Himmels Willen den Mund halten – «qu'il se taise».
Der konservative Abgeordnete der Drôme, Hervé Mariton, bezeichnet Sarkozy inzwischen schlicht als «has been» – die Franzosen auf der Rechten hätten zwar noch einen gewissen Respekt für ihn, sie wollten aber nicht, dass er 2017 für das Amt des Staatspräsidenten kandidiert. Und Bernard Debré, Sohn des Vaters der Verfassung der 5. Republik Michel Debré, appellierte an die Konservativen, sie sollten die «morschen Äste abschneiden» und sich darüber klar werden, dass eine Rückkehr Sarkozys unmöglich sei.
Gegner en masse
Sarkozy, dessen Umgang mit politischen Freunden immer ein wenig dem eines Paten glich, der mit Zuckerbrot und Peitsche funktioniert und nach dem Motto: wenn Du nicht mit mir bist, bist Du gegen mich, bist Du mein Feind und wirst es büssen. Der Mann, dessen Körpersprache, Gesten und Gesichtsausdruck oft etwas Drohendes hatten, er flösst offensichtlich niemandem mehr Angst ein. Wenn Sarkozy wie am letzten Wochenende einen kleinen Parteitag einberuft, um eine Art von Strategiepapier verabschieden zu lassen, dann glänzen bei seiner Abschlussrede alle anderen wichtigen Persönlichkeiten der Partei durch Abwesenheit.
Ganz besonders diejenigen, die im kommenden November bei den Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur der Konservativen gegen Sarkozy antreten werden: die ehemaligen Premierminister Fillon und Juppé, der ehemalige Landwirtschaftsminister Le Maire, Sarkozys ehemalige Umweltministerin und Wahlkampfsprecherin von 2012, Kosciusko-Morizet und jetzt auch noch Sarkozys Intimfeind, der frühere UMP-Parteichef Jean Francois Coppé. Am Ende werden sie ein knappes Dutzend sein, die bei den offenen Primärwahlen im November um die Gunst von 2,5 bis 3 Millionen Sympathisanten ringen, um den Präsidentschaftskandidaten der Rechten für Frühjahr 2017 zu küren.
Abgeschlagen
Die Umfragewerte zu diesen Primärwahlen sind für Nicolas Sarkozy gnadenlos schlecht, und zwar schon seit Monaten. Zwischen 7 und 12 Prozent liegt er hinter dem ehemaligen Premierminister Chiracs, dem gemässigt-pragmatisch Konservativen Alain Juppé, zurück. Daran ändern auch Sarkozys jüngst erschienenes Buch «Frankreich fürs Leben» und die Signiertour durch ganz Frankreich nichts. Und weil dem so ist, kehren dem Ex-Präsidenten alte Weggefährten in jüngster Zeit gleich reihenweise den Rücken. Sarkozy – ein Hoffnungsträger? Das war einmal.
Ermittlungsverfahren
Dass ihm jetzt auch noch die von ihm so innig gehassten Untersuchungsrichter auf den Pelz rücken, und zwar schon zum wiederholten Mal, seit er den Elysée verlassen und die präsidiale Immunität verloren hat, passt zum Bild des gründlich angeschlagenen Parteichefs und Ex-Präsidenten. Ein weiteres Ermittlungsverfahren, diesmal wegen illegaler Wahlkampffinanzierung, ist gegen ihn eingeleitet. Die legale Höchstgrenze von 22,5 Millionen Euro Ausgaben für den Wahlkampf 2012 war um das Doppelte überschritten worden.
Um dies zu vertuschen, stellte die befreundete Eventfirma Bygmalion damals falsche Rechnungen über 18,5 Millionen aus, die nicht vom Wahlkampfkonto, sondern aus den Kassen der konservativen Partei UMP bezahlt wurden. Weitere 10 Millionen wurden im Parteihaushalt 2012 unter dem Posten «Présidentielle » für die Anmietung von Sonderzügen, Bussen und Wahlkampfmaterial aller Art notiert. Sarkozy will davon nichts gewusst haben. Immerhin geht es um Betrug, Fälschung und Vertrauensmissbrauch, wofür mittlerweile gegen 13 Personen aus dem Umfeld des ehemaligen Präsidenten ein Verfahren eingeleitet wurde.
Prozess?
Kommenden Monat wird der ehemalige Staatspräsident dann auch noch erfahren, ob er in einer anderen Affäre, in der ein formelles Ermittlungsverfahren gegen ihn bereits abgeschlossen ist, mit einem Prozess wegen Bestechung zu rechnen hat. Sarkzoy hatte gemeinsam mit seinem Anwalt versucht, von einem hochstehenden Richter Informationen aus einem laufenden Ermittlungsverfahren zu bekommen, bei dem es darum ging herauszufinden, ob Sarkozy 2006 vom damaligen libyschen Staatschef Gaddafi 50 Millionen Euro als Wahlkampfspende bekommen hatte oder nicht. Sarkozy soll dem Richter versprochen haben, als Gegenleistung für die Informationen sich dafür einzusetzen, dass der Besagte für die letzten Jahre vor der Pensionierung einen lukrativen Posten in Monaco bekommt.
Nicolas Sarkozys Rückkehr ins politische Leben Frankreichs gleicht immer mehr einem steinigen Kreuzweg.