Amerikas Republikaner versuchen alles, um sich im Wahlkampf 2022 Vorteile zu verschaffen und die Mehrheit im Kongress zurückzugewinnen. Aussen vor bleibt die Ethik.
Am 13. Februar geht im SoFi Stadium in Inglewood (Kalifornien) die 56. Super Bowl im American Football über die Bühne. Das Mega-Event ist neben dem Nationalfeiertag, Halloween und Black Friday einer der wenigen Anlässe im Laufe des Jahres, der die gespaltenen Staaten zumindest für Stunden vereinigt. Und mutmasslich über 100 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner vor den Bildschirmen versammelt, in einer einmaligen Aufwallung von Sportbegeisterung, Patriotismus und Konsumrausch. Das billigste Ticket im Stadion kostet knapp 7’500 Dollar.
Der Sieger des Finalspiels zwischen den Cincinnati Bengals und den Los Angeles Rams, der sich unbescheiden Weltmeister nennen darf, erhält die silberne, über drei Kilo schwere Vince Lombardi Trophy, so benannt nach jenem legendären Football-Coach der Green Bay Packers, der angeblich einmal sagte: «Gewinnen ist nicht alles. Es ist das Einzige.»
Das Motto des Gewinnens um jeden Preis hat sich in Amerika jedenfalls auch die republikanische Partei auf die Fahne geschrieben. Seit die Grand Old Party (GOP) 2020 die Präsidentschaftswahl verloren hat, lässt sie keine Gelegenheit aus, mit jeglichen Mitteln alles zu unternehmen, um bei den Zwischenwahlen 2022 und der Präsidentenwahl 2024 erneute Niederlagen zu vermeiden. Und sei dies wieder mit oder im Gefolge von Donald Trump, dem die Partei und fast alle ihrer Repräsentanten im Kongress sklavisch und unter Verleugnung der Realität ergeben sind.
Dass Trump die Wahl nicht gestohlen worden ist, wissen die Republikaner und deren Sprachrohre in den rechten Medien natürlich insgeheim, aber dieses Wissen ordnen sie zynisch und heuchlerisch ihren eigenen Karrieren unter. Das Volkswohl? Bestenfalls eine Erwägung im Nachhinein. In den Bundesstaaten verschärft die Partei Wahlgesetze unter dem Vorwand, Urnengänge sicherer zu machen. In Wirklichkeit aber will sie jenen Minderheiten, die mehrheitlich demokratisch stimmen, das Wählen erschweren oder gar verunmöglichen.
Im Kongress sperrt sich die GOP gegen mehr Sozialausgaben mit der Begründung, das Budgetdefizit dürfe nicht weiter anwachsen. In Realität aber befürwortet sie massive Mehrausgaben für jene Industrien, aus deren Reihen sich ihre Geldgeber wie die Rüstungsfirmen oder die Energiekonzerne rekrutieren. Oder sie zweifelt wie jüngst die juristische Kompetenz schwarzer Kandidatinnen für das Oberste Gericht an, versteckt sich so aber hinter rassistischen Vorurteilen.
Nun ist in den USA Bigotterie nicht das Monopol der GOP allein. Scheinheiligkeit ist auch den Demokraten nicht fremd, wenn auch längst nicht im selben Ausmass und mit gleicher Konsequenz. So hat die republikanische Parteiführung (ROC) nach interner Abstimmung vergangene Woche erklärt, der Sturm auf das Capitol vom 6. Januar 2021 sei «legitimer politischer Diskurs» gewesen und Liz Cheney sowie Adam Kinzinger, die beiden republikanischen Abgeordneten, die dem Sonderausschuss ihrer Kammer zur Untersuchung jener Vorfälle angehören, würden sich an der «Verfolgung normaler Bürgerinnen und Bürger» beteiligen. Zwar versuchten einzelne Repräsentanten der Partei in der Folge, die Erklärung des ROC zu relativieren, aber der Versuch einer Verwässerung kam zu spät.
Die fragliche Erklärung erfolgte nur wenige Tage, nachdem Donald Trump hatte durchblicken lassen, er könne sich vorstellen, falls er 2024 wiedergewählt würde, jene Randalierer zu begnadigen, die wegen ihrer Delikte am 6. Januar 2021 verurteilt worden sind. Gleichzeitig teilte der Ex-Präsident mit, Vizepräsident Mike Pence «hätte die Wahl rückgängig machen können». Pence dementierte zu seiner Ehrenrettung umgehend: «Ich hatte kein Recht, die Wahl umzukippen.»
Senator und Ex-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney (Utah) war einer der wenigen Republikaner, welche die Erklärung ihrer Parteiführung zu kritisieren wagten: «Schande über eine Partei, die gewissenhafte Personen zensiert, die angesichts ätzender Reaktionen die Wahrheit zu ergründen suchen. Ehre dagegen gebührt Liz Cheney und Adam Kinzinger für ihre Wahrheitssuche, auch wenn diese für sie gravierende persönliche Konsequenzen hat.»
Die Parteiführung der GOP dagegen argumentierte, die beiden Dissidenten würden ihre Anstrengungen sabotieren, sich auf die Regierung von Joe Biden zu konzentrieren: «Ihre Worte und Taten helfen den Bemühungen der Demokraten mehr, Präsident Donald Trump zu zerstören, als dass sie sich dafür einsetzen, 2022 die republikanische Mehrheit zurückzugewinnen.»
American Football ist wegen zahlreicher Unterbrechungen, während denen jeweils der nächste Spielzug beschlossen wird, auch schon ironisch als «Sport per Kommission» definiert worden. Wer cleverer taktiert, gewinnt. Es siegt aber auch, wer über 60 Minuten rohe Kraft oder nackte Gewalt gezielter einsetzt.
Wie geschickt die republikanische Partei im Wahlkampf 2022 taktiert, sei dahingestellt. Dass sie und ihre Unterstützer in konservativen Medien wie Fox News skrupellos auf Gewalt in Form von Lügen und Unterstellungen setzen, steht ausser Frage. Schiedsrichter der Zwischenwahl ist am Ende die amerikanische Bevölkerung. Sie wird entscheiden, ob am 8. November 2022 die Demokratie siegt oder Autoritarismus die Oberhand gewinnt.
Jüngsten Sportwetten zufolge werden in der 56. Super Bowl die Schafböcke aus Los Angeles die Bengal-Tiger aus Cincinnati besiegen – ein zumindest im Tierreich wenig wahrscheinlicher Ausgang, Doch die Politik hat ihre eigenen Gesetze. Übrigens: Die meisten Super Bowls haben bisher neben den Pittsburgh Steelers die New England Patriots gewonnen. Fazit: Es geht nichts über stählerne Patrioten. Fragt sich nur, ob sie wahr oder falsch sind.