Macho-Händedruck mit Donald Trump, perfekte Bilder vom Dinner mit Damen im Restaurant des Eiffelturms, Macron an der Seite eines verzückten amerikanischen Präsidenten, der sich wie ein Kleinkind über die archaische Militärparade auf den Champs-Elysées am französischen Nationalfeiertag freut.
Dann der Auftritt vor der Sonnenkönigskulisse von Versailles als Gastgeber von Wladimir Putin, jüngst die flammende Europarede im Auditorium Maximum der altehrwürdigen Sorbonne mit Daniel Cohn-Bendit als erstem Claqueur und überwiegend guten Noten der internationalen Presse für diese Grundsatzrede – all das ist schön und gut. Zumal der Tanz auf der internationalen Bühne nun mal zum Job eines französischen Präsidenten gehört. „Domaine réservé“ heisst das hierzulande. Manchmal fragt man sich, warum es in Frankreich überhaupt einen Aussenminister gibt.
Ans Eingemachte
Präsident Macron hat sich vier Monate lang auf dem internationalen Parkett sonnen dürfen, doch jetzt geht es ans Eingemachte. Die Realität im eigenen Land hat ihn radikal eingeholt.
Sein neues Arbeitsmarktgesetz, seine erste grosse Reform, hat er per Verordnungen durchgepeitscht, doch die Proteste dagegen reissen nicht ab, auch wenn sie weniger heftig ausfallen als befürchtet. Mehr Flexibilität für Arbeitgeber durch weniger Rechte für Arbeitnehmer und am Ende mehr geschaffene Arbeitsplätze und weniger Arbeitslosigkeit – so das Raisonnement von Präsident Macron. Die Deckelung von Abfindungen bei unrechtmässigen Kündigungen und das faktische Ausbooten von Gewerkschaften in Betrieben mit weniger als fünfzig Angestellten werden schon bald Realität sein.
Dann der Haushalt für 2018. 240’000 von 440’000 staatlich unterstützten Teilzeitjobs für junge Menschen werden ersatzlos gestrichen, um 2,5 Milliarden Euro einzusparen – Hilfsvereine im sozialen Sektor, unzählige Sportvereine, Kindergärten und Grundschulen im ganzen Land sind davon unmittelbar betroffen und wissen nicht, wie sie das Personal ersetzen sollen.
Gleichzeitig werden die Wohnungsbeihilfen gekürzt und die Sozialabgaben für Rentner erhöht, und zwar für alle, die monatlich mehr als 1200 Euro Pension beziehen, also wahrlich nicht nur für Gutgestellte.
Präsident der Reichen
Und „gleichzeitig“, wie der Präsident gerne zu sagen pflegt, wird die Vermögenssteuer auf Geldanlagen für die Reichsten der Reichen abgeschafft und werden die Steuern auf Kapitaleinkünften radikal gesenkt, was rund 7 Milliarden Euro kostet. Macrons Kalkül: Die vermögenden Franzosen würden so in die Wirtschaft investieren, nicht weiter das Land verlassen, ja die Reichen würden sogar wieder ins Land zurückkommen. Macron handelt gemäss dem Motto: Wenn es den Reichen besser geht, rieselt irgendwann etwas von dem Geld und den Gewinnen auch bis ganz unten durch.
Der Eindruck, dass Präsident Macron sprichwörtlich den Wohlsituierten gibt, was er den Armen nimmt, lässst sich nur schwer verhehlen. Dementsprechend trägt auch er, wie zehn Jahre vor ihm Nicoals Sarkozy, bereits das Prädikat „Der Präsident der Reichen“ mit sich herum.
„Bordel“
Der Präsident der Reichen, der sich gegenüber dem sogenannten kleinen Volk auch noch verächtlich zeigt.
Jüngstes Beispiel: Beim Besuch einer Ausbildungsstätte im zentralfranzösischen Departement Corrèze, wurden demonstrierende Arbeiter, die von einer teilweisen Fabrikschliessung und dem Abbau von 150 Arbeitsplätzen bedroht sind, mit Tränengas und Bereitschaftspolizei von der Umgebung des Präsidenten ferngehalten. Und Macron sagte derweil im Inneren des Ausbildungszentrums: „Anstatt hier Chaos zu veranstalten – „foutre le bordel“ – sollten die Demonstranten lieber in einem anderen Betrieb der Region nach Arbeit suchen, wo die Firmenleitung Probleme hat, ihre Arbeitsplätze zu besetzen.
Das Problem: der Betrieb liegt 140 Kilometer entfernt.
Diese Äusserung löste einen Sturm der Entrüstung aus und erinnerte an andere Aussagen desselben Kalibers aus dem Mund von Emmanuel Macron. Diejenigen, die gegen seine Arbeitsmarktreform protestierten, bezeichnete er aus dem fernen Athen vor einigen Wochen als „Faulpelze“. Früher schon hatte er von den sogenannten kleinen Leuten gesprochen als solchen, „die nichts sind“, und andernorts über Arbeiter, deren Fabrik vor der Schliessung stand, gesagt, sie seien eben schwer vermittelbar, weil viele quasi Analphabeten seien.
Die Provinz
Emmanuel Macron, der Präsident der gut Ausgebildeten und des urbanen Frankreichs, bekommt zusehends Probleme mit der französischen Provinz und der France profonde. Den Regionen hat er kürzlich 500 Millionen Euro gestrichen, woraufhin sämtliche Regionalpräsidenten einen Kongress mit dem Premierminister unter Protest verliessen und die Zusammenarbeit mit dem Zentralstaat vorerst aufkündigten.
Auch in Frankreichs Kommunen brodelt es. Sie bekommen in nächster Zeit drei Milliarden Euro weniger Zuschüsse aus Paris. Kultur- und Sozialprojekte müssen reihenweise gestrichen werden. Der Bürgermeister einer Kleinstadt in Lothringen klagte, ihm werde ein Drittel seines Budgets fehlen und hat dementsprechend das offizielle Porträt des Staatspräsidenten, das in jedem französischen Rathaus hängt, um ein Drittel reduziert.
Der autoritäre Monarch
Und dann ist da noch ein Punkt, der Frankreichs neuem Präsidenten nicht unbedingt die Sympathien zufliegen lässt.
Denn mit ihm schlüpft, zur Überraschung vieler, ein – zudem auch noch sehr junger – Präsident wie fast alle seine Vorgänger ohne mit der Wimper zu zucken in die Kleider des republikanischen Monarchen der angestaubten 5. Republik und suhlt sich regelrecht in der Machtfülle, die ihm die Verfassung dieses Staatswesens zugesteht. Ja, der smarte und lächelnde Präsident macht inzwischen gerne auf autoritär.
Nur ein Beispiel: Ausgerechnet am Vorabend des Nationalfeiertages und der Militäparade auf den Champs Elysées am 14. Juli fühlte er sich bemüssigt, gegenüber dem Oberfehlshaber der französischen Armee die Muskeln spielen zu lassen. Kurz vor dem Dinner mit US-Präsident Trump auf dem Eiffelturm war Macron am 13. Juli ins Verteidigungsministerium gestürmt und sagte den Armeeangehörigen und vor allem ihrem Oberbefehlshaber dort vor laufenden Kameras wörtlich: „Ich bin euer Chef.“ Ein einmaliges Ereignis in der Geschichte der 5. Republik.
Der Oberbefehlshaber der französischen Armee hatte wenige Tage davor am Rande einer Befragung durch den Verteidigungsausschuss des Parlaments etwas trivial geäussert, er denke nicht daran, sich verarschen zu lassen, nachdem man dem Verteidigungsministerium für das laufende Jahr 800 Millionen Euro gestrichen hatte. Und dies bei einer Armee, die angesichts ihrer zahlreichen Auslandseinsätze und dem Streifegehen von 10’000 Soldaten angesichts der Terrrorbedrohung in Frankreichs Städten seit Jahren ohnehin schon auf dem Zahnfleisch geht. Drei Tage später war der Oberbefehlshaber und 5-Sterne-General zurückgetreten.
Diese Episode war der Anfang von Macrons schnellem Absturz in den Meinungsumfragen. Die Schonzeit für den selbsternannten Jupiter war bereits nach zwei Monaten definitiv vorbei. Er sei sowohl links als auch rechts, hatte Macron während seines Wahlkampfs gebetsmühlenhaft wiederholt.
Das meiste, was die Franzosen bisher von ihm gesehen haben, deutet aber ausschliesslich nach rechts.