Ungewiss ist aber, wie sich die Rivalität zwischen Iran und Saudi-Arabien auf diese neue Entwicklung auswirkt. Eine „Deeskalation der Spannung zwischen Riad und Teheran“ wollte der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier mit seiner jüngsten Reise in beide Länder erreichen.
„Der Iran will jetzt positiven Einfluss auf Assad nehmen“: Mit dieser frohen Botschaft trat am vergangenen Dienstag der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nach einem Treffen mit seinem iranischen Amtskollegen Javad Zarif in Teheran vor die Medien. Immerhin: Eine optimistische Aussage für ein geschundenes Land, dachte man an diesem Abend - eine winzige Hoffnung, zumal sie aus dem Munde eines Diplomaten kam, der zu den erfahrensten Aussenministern der Welt gezählt wird. Und der Iran zeigte in der Tat seinen entscheidenden Einfluss schnell und publikumswirksam. Doch nicht durch den iranischen Aussenminister und nicht in Teheran.
Diplomat und Kriegsherr zugleich
Es war Ali Akbar Velayati, der aussenpolitische Berater des iranischen Revolutionsführers Ayatollah Ali Khamenei, der nach einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau am Mittwochabend vor die Presse trat und unmissverständlich zeigte, welchen entscheidenden Einfluss Iran im syrischen Bürgerkrieg hat und wie er ihn zu nutzen gedenkt. Velayati war 16 Jahre lang iranischer Aussenminister, doch bei dieser Pressekonferenz trat er wie ein Kriegsherr auf. Der Iran sei gegen einen Waffenstillstand in Syrien, gemeinsam mit Russland werde man unvermindert kämpfen, bis alle Terroristen entweder entwaffnet oder vernichtet seien. Eine Feuerpause in einer Zeit, in der man sich auf dem Siegeszug befinde, sei militärisch absurd und politisch dumm, so Velayati nur wenige Stunden nach Steinmeiers Auftritt in Teheran. Was auf diese Pressekonferenz folgte, ist bekannt: In Genf erklärte nur Stunden später UN-Vermittler Staffan de Mistura die Syrien-Friedenskonferenz für vertagt, denn das russische Bombardement war während der Tage der Genfer Konferenz intensiver denn je.
Iraner an vorderster Front
Und auf dem Schlachtfeld selbst verändern sich genau in diesen Tagen die Verhältnisse entscheidend. Assads Armee, Hisbollah-Kämpfer und iranische Revolutionsgarden erobern eine Ortschaft nach der anderen rund um die Stadt Aleppo.
Die einstige Metropole ist seit Mitte 2012 geteilt: Der Westen wird von der Regierung gehalten, die östlichen Viertel kontrollieren die Rebellen. Es scheint eine Frage der Zeit zu sein, wann die Regierungstruppen die ganze ehemalige Handelsmetropole voll unter ihre Kontrolle bringen - und das wäre die bisher schwerste Niederlage für die Aufständischen.
Der Vormarsch der Regierungstruppen bedeutet eine militärische Wende in diesem Bürgerkrieg, ein Sieg, der ohne russische Unterstützung aus der Luft sowie der Iraner und der Hisbollah am Boden nicht denkbar wäre. Ähnliches geschieht im Süden Syriens bei der Stadt Daraa. Auch hier leisteten Hisbollah-Miliz und iranische Revolutionsgarden den entscheidenden Beitrag, begleitet von 80 Angriffen der russischen Luftwaffe, meldete am Freitag die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Der Sieg der Regierungstruppen hat einen sehr hohen Preis, den wie immer die Zivilbevölkerung zahlt. 40.000 Menschen seien vor den Kämpfen rund um Aleppo geflohen. Nach Angaben der türkischen Regierung Zehntausende Menschen, vor allem Frauen und Kinder, darauf, in die Türkei zu kommen. Doch die Grenzübergänge sind geschlossen, berichtete.
Macht- und ziellose Diplomatie des Westens
Ist dies der „positive Einfluss“ des Iran, von dem Steinmeier in Teheran sprach - oder kommt der noch? Lässt man die diplomatischen und militärischen Ereignisse der letzten Woche Revue passieren und vergleicht man dabei Velayatis Pressekonferenz in Moskau mit jener von Frank-Walter Steinmeier in Teheran, dann drängen sich zwangsläufig viele Fragen auf, über die nachzudenken sich sehr lohnt. Steinmeiers Reisediplomatie nach Teheran und Riad sollte der Deeskalation der Spannung zwischen Iran und Saudi Arabien dienen, doch am Ende seiner Reise sagte Steinmeier, die beiden Länder bräuchten die Vermittlung Deutschlands eigentlich nicht. Eine direkte Konfrontation stünde nicht unmittelbar bevor, denn dies wollten und könnten weder die Scheichs in Riad noch die Mullahs in Teheran. Für diese Erkenntnis hätte es aber keiner Reise in die Region bedurft. Oder ging es Steinmeier um den Stellvertreterkrieg, den sich Saudi-Arabien und Iran in Syrien liefern? Auch hier war die Reise nicht nur nutzlos, sondern irreführend. Denn was der Iran in Syrien will und tut, darüber entscheiden weder Aussenminister Zarif noch Präsident Hassan Rouhani, mit denen sich Steinmeier traf. Was Velayati in Moskau unmissverständlich formulierte, war das, was Ali Khamenei, der mächtigste Mann des Iran, in Syrien will und auch umsetzt. Koste es, was es wolle.
Der Blutzoll steigt und mit ihm die Propaganda
Allein während der Offensiven um die Stadt Aleppo sind mindesten 30 Iraner gefallen. Das zeigen jedenfalls die Todesanzeigen und Bilder von Begräbniszeremonien in verschiedenen Städten des Landes. Der iranische Blutzoll in Syrien ist mittlerweile so hoch, dass er sich nicht mehr kaschieren lässt. Deshalb haben die beiden mächtigen Presseagenturen Fars und Tasnim, die von den Revolutionsgarden betrieben werden, inzwischen sogar eine Webseite für die Gefallenen in Syrien eingerichtet.
Unter den „Verteidigern heiliger Stätten“, so heisst die Seite, befinden sich nicht nur junge Soldaten. Hier kann man auch Würdigung und Werdegang hochrangiger Offiziere des Geheimdienstes und der Garden lesen. Fast immer kommen auf der Webseite Frauen und Kinder der Gefallenen zu Wort, die emotional und blumig ihre persönlichen Erinnerungen wiedergeben und behaupten, sie empfänden keine Trauer über den Tod ihrer Lieben, denn sie seien ja für ein höheres Ziel gefallen.
Die afghanischen Kämpfer, die bei den Revolutionsgarden einen eigenen Verband haben, werden gesondert gewürdigt: positive oder negative Diskriminierung, je nach dem, wie man es betrachtet. Anfang Februar dementierte das iranische Aussenministerium zwar einen Bericht von „Human Rights Watch“, der Iran zwinge afghanische Flüchtlinge, in den Kampf nach Syrien zu ziehen. Doch dieses Dementi ist angesichts ausführlicher und öffentlicher Lobpreisungen in Syrien gefallener Afghanen kaum glaubwürdig.
Viel glaubwürdiger hören sich die Geschichten jener afghanischen Flüchtlinge an, die dieser Tage in Europa Asyl suchen, weil sie im Iran vor die Wahl gestellt worden seien, entweder in Syrien zu kämpfen oder abgeschoben zu werden. „Würden wir in Syrien nicht kämpfen, käme der Krieg in die iranischen Städte“, sagte Revolutionsführer Khamenei am Freitag vor Familien von Gefallenen, so die Nachrichtenagentur Tasnim.
Trommeln auf allen Bühnen der Welt
Der syrische Bürgerkrieg kommt im Iran zur Zeit aus dem medialen Schatten heraus. Gefeiert wird jeder kleine Vormarsch in jeder Ortschaft. Diese Propaganda wird sich wahrscheinlich in den kommenden Tagen noch verstärken, denn das Land steht nicht nur vor dem Jahrestag der Revolution, sondern auch vor zwei entscheidenden Wahlen. Dabei wird keine Bühne versäumt, weder im In– noch im Ausland, etwa die Geberkonferenz für syrische Flüchtlinge in London am vergangenen Donnerstag. Dort verkündete Aussenminister Zarif, der Iran habe bis jetzt 2,3 Milliarden Dollar für syrische Flüchtlinge gespendet. Den Betrag habe man der syrischen Regierung für Binnenflüchtlinge zur Verfügung gestellt. Ähnliches werden wir von ihm am kommenden Wochenende in München hören, wo die Sicherheitskonferenz stattfindet.
Mit freundlicher Genehmigung Iran Journal