„Die Länder mit Atomwaffen, wie meines, müssen den Mut aufbringen, der Logik der Furcht zu entkommen und eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen“, erklärte Obama. Das klingt windelweich und resigniert.
Kurz nach seinem Amtsantritt hatte Obama in seiner berühmten Rede vom 5. April 2009 in Prag ein feierliches Versprechen abgegeben: „Ich drücke heute klar und überzeugt die Verpflichtung Amerika aus, den Frieden und die Sicherheit einer Welt ohne Atomwaffen zu suchen. Als einzige Macht, die Atomwaffen eingesetzt hat, tragen die USA die moralische Verantwortung, zu handeln.“
Zerstobene Illusionen
Mehr als sieben Jahre später sind viele Illusionen zerstoben. Zwar ist die Zahl der Atomwaffen seit dem Ende des Kalten Krieges drastisch zurückgegangen, vor allem durch die Rüstungskontrollverträge zwischen Moskau und Washington. Die USA und die Sowjetunion besassen einst zusammen 50'000 Atomsprengsätze. Seither ist die Gesamtzahl ihrer einsatzbereiten nuklearen Gefechtsköpfe auf etwa 22'000 gefallen. Drei Nachfolgestaaten der Sowjetunion – die Ukraine, Weissrussland und Kasachstan – haben das geerbte nukleare Arsenal ausgeschafft. Brasilien, Argentinien, Südafrika und Libyen stellten ihre Atomwaffenprogramme ein. Zuletzt soll der Deal mit Teheran gewährleisten, dass die Islamische Republik Iran während mindestens 15 Jahren keine Nuklearsprengsätze herstellen kann.
Die verbleibenden Arsenale der offiziellen Atomwaffenmächte USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien sowie der nicht im Atomwaffensperrvertrag (NPT) eingebundenen Staaten Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea reichen aber weiterhin aus, die ganze Menschheit mehrfach zu vernichten.
"Kleiner Atomkrieg"
Nach den langen nutzlosen Verhandlungen – insbesondere an der Genfer Abrüstungskonferenz, wo die „komplette und weltweite Beseitigung der Atomwaffen seit 50 Jahren auf der Tagesordnung steht – ist den nuklearen Habenichtsen der Geduldfaden gerissen. Vergangenes Jahr forderten zwei Drittel der Unterzeichnerstaaten des NPT auf Anstoss Österreichs ein Atomwaffenverbot nach dem Muster der internationalen Konventionen über die chemischen und biologischen Kampfstoffe. Die Schweiz unterstützt diese Initiative. Hingegen lehnen Japan und Südkorea eine generelle Ächtung der Atomwaffen mit Hinweis auf den als unentbehrlich empfundenen nuklearen Schutzschirm der USA ab. In Frankreich und Grossbritannien hat nie eine öffentliche Debatte über den Sinn der eigenen Atomwaffen stattgefunden.
Obgleich seit dem Höhepunkt der Ost-West-Konfrontation mehr als die Hälfte der Atomsprengsätze verschrottet oder eingemottet wurden, geht die Modernisierung der Bestände weiter. Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung kleinerer und treffgenauerer Flugkörper. Die Welt wird dadurch nicht sicherer. Im Gegenteil: Die Hemmschwelle für den Einsatz von Atomwaffen sinkt. Ein „kleiner“ Atomkrieg ohne allzu grosse Schäden scheint manchen Strategen machbar.
Neuer Bombentyp
Die USA ersetzen derzeit ihre in der Eifel (Deutschland) stationierten Atomwaffen durch den neuen Bombentyp B 61-12. Diese von Flugzeugen abgeworfenen Bomben mit Zielsensoren und einstellbarer Sprengkraft sind besonders zur Zerstörung von unterirdisch verbunkerten Objekten geeignet. Die gleichen Geschosse, die immerhin noch die Wirkung von bis zu vier Hiroshima-Bomben haben, werden auch in den Nato-Luftwaffenbasen Aviano (Italien) und Incirlik (Türkei) eingeführt.
Russland modernisiert ebenfalls seine Atomwaffen. Israel, Indien und Pakistan wollen da nicht zurückstehen. Dass Nordkorea mit Volldruck an mit nuklearen Sprengsätzen bestückten Flugkörpern arbeitet, ist kein Geheimnis. Pjöngjang brüstet sich sogar mit der Erprobung von Raketen, die von U-Booten im Tauchzustand abgefeuert werden können, und dem angeblichen Test einer Wasserstoffbombe.
Zweifel am guten Willen
Natürlich lässt sich die Atombombe nicht mehr weg erfinden. Aber Obama hat an Glaubwürdigkeit eingebüsst. Die USA unternahmen auf dem diplomatischen Parkett keine Anstrengungen, die gefährlichsten Massenvernichtungswaffen zu ächten. Die letzte Uno-Generalversammlung hat am 7. Dezember mit erdrückender Mehrheit nicht weniger als 23 Resolutionen zum Thema Atomwaffen angenommen. Die USA stimmten gegen eine Reihe dieser Entschliessungen, zum Teil gemeinsam mit Nordkorea.
Diese seltsamen Bettgenossen fanden zum Beispiel bei der Abstimmung über einen neuen Entwurf zusammen, der das „ethische Gebot der nuklearen Abrüstung und einer Welt ohne Atomwaffen“ verankern will. 142 Staaten stimmten für den Text, sieben dagegen (USA, Russland, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Israel und Nordkorea). Das nährt die Zweifel am guten Willen der Atomwaffenbesitzer, auf ihre Vorrechte zu verzichten.