Wer glaubt, sich vor einem Virus schützen zu müssen, soll es tun. Aber er soll die anderen, die das nicht glauben, in Ruhe lassen. – Ein wütender Kommentar
Nun heisst es überall, man müsse die Spaltung der Gesellschaft überwinden. Ich muss aber keine Spaltung überwinden. Ich habe diese Gesellschaft nicht gepalten. Ich habe niemanden beschimpft als Corona-Leugner, Schwurbler, Nazi oder Antisemit. Ich wurde als solcher beschimpft, weil ich die Angemessenheit und den Sinn der Massnahmen in Frage stellte. Und die Bürgerinnen und Bürger, die gegen die Massnahmen gestimmt haben, waren keine verschwindende Minderheit von Idioten, sondern vier von zehn.
Ich habe niemanden zwingen wollen, seinen Maulkorb herunterzunehmen. Wer sich vor einem Virus schützen will, das er für gefährlich hält, der soll sich schützen. Mit Maske, mit Impfungen, mit Isolation, mit Vitaminen, Medikamenten, Meditation oder was auch immer. So wie jede, die Alkohol für gefährlich hält, frei ist in dem Entschluss, keinen Blauburgunder und kein Weizenbier zu trinken. Ich habe niemanden zu etwas zwingen wollen.
Das war meine Position und es war die Position aller Leute, die die flächendeckenden Zwangsmassnahmen kritisierten, mit denen die Regierung die Ansteckung verhindern wollte. Der Zwang ging also nicht von der Seite derer aus, die die Befehle kritisierten, die acht Millionen Schweizerinnen und Schweizer angeblich vor einem Virus schützen würden, das für die meisten kaum schädlich war und ist.
Nehmt es bitte zur Kenntnis, ihr Corona-Gendarmen, die ihr nun plötzlich als Sonntagsprediger schwadroniert, man müsse «wieder zueinander finden» und «die Spaltung überwinden». Der Zwang ging von euch aus, nicht von uns. Wir haben euch zu nichts zwingen wollen, ihr habt uns zwingen wollen, die fundamentalen bürgerlichen Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Bewegungsfreiheit und Redefreiheit abzuschaffen. Demonstrationsverbot wegen Ansteckungsgefahr. Schon vergessen?
Schon vergessen, dass ihr die riesigen Demonstrationen von besorgten Citoyennes und Citoyens in Stuttgart und Berlin in den Dunstkreis von Rechtsextremen und Antisemiten gepuscht habt? Schon vergessen, wie ihr über die renommiertesten der deutschen Schauspieler hergefallen seid, als sie es wagten, über den Irrsinn einiger Corona-Massnahmen zu lachen? Man sollte ihnen keinen Job mehr geben, verlangten die Corona-Polizisten unter den Spitzenpolitikern.
Demokratie beruht auf geordnetem Umgang mit Dissidenz, nicht aber auf Wohlfühl-Einigkeit des «ganzen Volkes im solidarischen Kampf gegen das Virus». Grundrechte sind nicht verhandelbar. Man kann sie nicht jedesmal zur Diskussion stellen, wenn ein neues Virus erscheint. Und es werden unaufhörlich neue Viren kommen.
Man argumentiert mit edlen Motiven: Es gelte, Leben und Gesundheit zu schützen. Menschliche und soziale Gesundheit sind aber mehr als der biochemische Zustand der Individuen. Edel sind alle Motive totalitären Handelns, stets will man das Beste für das ganze Volk oder die ganze Menschheit, und um dieses frommen Zieles willen wurde in der Vergangenheit schon viel Unheil angerichtet. Man lese Erich Kästners Gedicht «Grosse Zeiten» von 1933.
«Es ist nicht das Ende, aber wir leben so, als ob», heisst es in einem Kommentar der NZZ von letztem Donnerstag. Gemeint ist: Es wird weiterhin Viren geben, aber wir könnten vielleicht mal aufhören, zu hyperventilieren vor lauter Panik. Eine epochale philosophische Erkenntnis. Sie kommt nur zwei Jahre zu spät.
Denn Leute, die ihren Verstand gebrauchten, sagten bei Beginn der Corona-Pandemie, dass es nie ein Ende haben werde mit Viren und Krankheiten, und dass es daher keinen Grund für Hysterie und Panik gebe. Es werden unaufhörlich neue Viren auftauchen, wie sie seit Millionen von Jahren entstehen. Und wir leben seit jeher mit den Gefahren, die das Leben mit sich bringt, in dem wir so tun als ob. Als ob es nämlich auch noch etwas anderes gebe als die Angst vor dem Tod. Wir wissen, dass wir nicht unsterblich sind, aber wir leben so, als ob. Anders wäre es wohl kein Leben.