Streng, aggressiv, autoritär – so tritt der 40-jährige Präsident zur Überraschung vieler jetzt schon seit Monaten auf, wo immer er sich auch hin begibt, im Rahmen seiner detailliert durchorganisierten Kurzauftritte in allen Ecken des Landes. Hier geht es um das Thema Berufsausbildung, dort um die Lage der Landwirtschaft oder anderswo um die Probleme der Vorstädte, die Sorgen der französischen Krankenhäuser oder die katastrophale Situation in Frankreichs Gefängnissen. Dabei wird der Präsident begleitet von sorgfältig ausgewählten Kamerateams und Journalisten, denn Jupiters Bilder sind unter strengster Kontrolle. Geht Macron in Nordfrankreich in eine Fabrik des Kosmetikriesen L’Oréal, verwehrt man schon mal dem Team des öffentlich-rechtlichen Regionalfernsehens France 3 den Zugang und speist es mit einer Hochglanzbroschüre des Konzerns ab. Die Regionalreporterin darf sich bei den Poolbildern bedienen, hat aber keine Chance, die Arbeiter oder Angestellten aus der Region zu befragen – das könnte ja für Misstöne sorgen.
Bei derartigen Ausflügen und Auftritten in der Provinz gibt sich Macron gerne als der Allwissende, der zu den Menschen kommt und ihnen sagt, was Sache ist, wo das Problem liegt, und als derjenige, der ganz genau weiss, was für sie gut ist und was nicht, dabei aber vor allem eines nicht ertragen kann: Widerspruch. Wird der ein oder andere verbale Schlagabtausch zwischen Präsident und Besuchten, die mit ihm nicht einer Meinung sind, einmal von Kameras oder Mikrofonen eingefangen, dann wirkt Macron meist wie ein Streber in der Gymnasialstufe, der einfach immer und überall recht haben will, allzu gerne den Zeigefinger hebt und höchst ungeduldig wird angesichts von so viel Unverstand.
Korsika
Der Präsident reiste im Februar zwei Tage nach Korsika und erklärte in einer ellenlangen Ansprache den Korsen doch tatsächlich, was Korsika ist und das Besondere an der Geschichte ihrer Mittelmeerinsel. Die geladenen Gäste runzelten hörbar die Stirn. Korsikas Nationalisten, die 2014 endlich die Waffen niedergelegt hatten und seitdem in den Wahlurnen einen Erfolg nach dem anderen feierten und seit letztem Dezember mit klarer Mehrheit sogar die Regionalregierung stellen – sie hatten bei dieser extrem seltenen Gelegenheit eines Präsidentenbesuchs zumindest eine Geste erwartet in Bezug auf ein wenig mehr Autonomie. Doch Macron ging in reichlich angespannter Atmosphäre auf keine ihrer Forderungen ein: Verlegung der nationalistischen Häftlinge nach Korsika, Korsisch als zweite offizielle Sprache, Einschränkungen für Nicht-Korsen, Grundstücke und Immobilien auf der Insel zu erwerben – all dem erteilte der Präsident eine klare Abfuhr. Frankreich ist eins und unteilbar und Korsika ist Teil der französischen Republik und damit basta, lautete seine Antwort. Was die korsische Sprache angeht, so soll man sie zwar fördern, aber sie als gleichberechtigte, zweite Sprache anzuerkennen? Wo kämen wir da hin? Die französische Republik hat eine einzige, offizielle Sprache und das ist das Französische, so Macron wörtlich. Wohl erstmals überhaupt bei einem öffentlichen Auftritt schien sich der wortgewandte Präsident bei seiner Rede in der Präfektur von Ajaccio richtiggehend unwohl zu fühlen. Er schien einen Knoten im Hals zu haben und sah aus, als würde ihn der Stoff seines Anzugs gewaltig kratzen.
Erstmals nach vier Jahrzehnten der Bombenattentate und Mordserien in nationalistisch-mafiösen Kreisen haben die Korsen in den letzten drei Jahren ganz klar den demokratischem Weg gewählt, die klassischen alten Familienclans von Links und Rechts in die Wüste geschickt und ihrem Verlangen nach einer gewissen Autonomie und Anerkennung ihrer Besonderheiten an den Urnen Ausdruck verliehen. Macron aber hat sie steif und eiskalt abblitzen lassen. So mancher Experte in Sachen kompliziertes Korsika meinte hinterher, der Präsident habe eine historische Chance verpasst, die Insel dauerhaft zu befrieden.
Das tiefe Frankreich
Ende Februar musste sich Macron erstmals auf der legendären Pariser Landwirtschaftsmesse sehen lassen, ein Ereignis, an dem kein französischer Präsident vorbeikommt. Nur ein Mitterrand konnte es sich leisten, dort nie hinzugehen. Es ist der Ort, an dem symbolisch Jahr für Jahr eine Art Zusammenhalt der Nation beschworen wird, das ländliche, krisengeschüttelte und von der Landflucht geplagte Frankreich in die Metropole kommt und wo eine Woche lang von den ländlichen Wurzeln der Franzosen die Rede ist und jeder Politiker von Rang und Namen sich gefälligst zu zeigen hat. Präsident Macron hat sich doch tatsächlich mehr als 12 Stunden lang, von einem dreifachen Sicherheitskordon abgeriegelt, begleitet von einer gigantischen, frustrierten, weil fern gehaltenen Journalistenmeute, durch die Messehallen schieben lassen, hier eine Henne adoptiert und dort eine Kuh – keinen Stier – bei den Hörnern gepackt. Seine in den Wintertagen stark schwitzenden Kommunikationsstrategen im Tross hatten nur eines im Sinn: den Ex-Banker, hyper-urbanen, weltgewandten Präsidenten auch als einen zu präsentieren, dem der ländliche Raum Frankreichs nicht fremd ist – die Grosseltern in den Pyrenäen, das flache Land an der Somme-Mündung unweit seiner Geburtsstadt Amiens im Nordwesten des Landes wurden reichlich bemüht. Die Botschaft: der Held der Start-Uper und der vernetzten Generation der 30-Jährigen in Frankreichs Grossstädten, er kann es auch mit Menschen aus den verlassensten Winkeln des Landes, denen die Erde an den Schuhsohlen klebt.
Jagd
Als Macron Ende letzten Jahres in privatem Rahmen seinen 40. Geburtstag feierte, tat er dies doch tatsächlich in einem von ihm gemieteten Prunksaal des berühmten Loire-Schlosses Chambord. Der Präsident im Königsschloss – irgendwie scheint dies dem jungen, strahlenden Oberhaupt der französischen Republik durchaus zu passen. Und ganz zufällig liess er es sich, kurz vor Beginn der Feierlichkeiten im kleinen Freundes- und Familienkreis, nicht nehmen, vor Kameras das frische Wildbret zu begutachten, das die Jäger der riesigen, staatlichen Jagddomäne Chambord tagsüber erlegt hatten.
Diese Szene kam nicht zufällig zustande. Emmanuel Macron hatte sich zuvor schon nicht gescheut, doch tatsächlich die definitiv unzeitgemässen, seit Jahrzehnten nur noch belächelten, so genannten „Jagden des Präsidenten“ (chasses présidentielles), die Nicolas Sarkozy eigentlich endgültig abgeschafft hatte, wieder zu eröffnen. Im Namen der Republik sollen also auch im Jahr 2018 wieder, wie einst unter Präsident Pompidou oder Giscard d’Éstaing, von der Jagd begeisterte Politiker oder Wirtschaftsbosse aus dem In- und Ausland sich diskret in königlicher Umgebung vergnügen und nebenbei vielleicht auch noch Geschäfte machen dürfen. Die von Macron im Wahlkampf verkündete „Neue Welt“ hatte man sich eigentlich anders vorgestellt. Die Kommunikationsstrategen in der Umgebung des Staatspräsidenten erhoffen sich mit dieser Geste wohl aber vor allem, die über 1,2 Millionen französischen Jäger, ein nicht zu unterschätzendes Wählerpotential, freundlich zu stimmen und gleichzeitig auch auf diesem Weg zu signalisieren: der Präsident hat durchaus ein Gehör für die ländliche Welt.
Reformschub
Eines kann man Präsident Macron bei all dem nicht absprechen. Nämlich dass er seine Reformversprechen nicht halten würde. Nach der Arbeitsmarktreform, die relativ glatt über die Bühne ging, hat er nun, innerhalb kürzester Zeit und für viele überraschend, eine Reform der französischen Staatsbahn aus der Tasche gezogen. Und er macht sich – was noch keiner seiner Vorgänger gewagt hatte – tatsächlich an den Sonderstatus der rund 150’000 französischen Eisenbahner, der seit fast einem Jahrhundert besteht. Künftig soll es für neu Angestellte der SNCF (Société Nationale des Chemins der Fer) keine lebenslange Beschäftigungsgarantie und keinen Beamtenstatus mehr und auch keinen garantierten Aufstieg auf der Karriereleiter mehr geben. Ebenso würden künftig die rund 50 Urlaubstage pro Jahr oder der Pensionseintritt zwischen 52 und 57 wegfallen. Eigentlich eine schlichte Kriegserklärung an die französischen Gewerkschaften. Tagelang stand das Gespenst des Jahres 1995 im Raum, als ein gewisser Alain Juppé als Premierminister versucht hatte, die vorteilhaften Rentenregelungen der Eisenbahner und der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes weg zu reformieren – vier Wochen lag das Land damals still.
Und jetzt? Oh Wunder, die vier wichtigsten Gewerkschaften bei Frankreichs Staatsbahn trafen sich Ende Februar zwar umgehend, eine Gewerkschaft äusserte vor dem Treffen sogar, notfalls werde man einen ganzen Monat lang streiken, um Macrons Vorhaben zu Fall zu bringen, am Ende aber hiess es nur: Man werde sich am 15. März erneut zusammensetzen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Dank dieser zögerlichen Reaktion der Gewerkschaften aufgrund ihrer ewigen Zersplitterung hat Macron eigentlich auch bei dieser Reform schon zur Hälfte gewonnen. Und er weiss – und die Gewerkschaften wissen es natürlich auch: über zwei Drittel der Franzosen sind mit der Abschaffung des Sonderstatus der Bahnbeschäftigten durchaus einverstanden. 2018 ist nicht 1995 und Macron scheint weiterhin von einer gewissen Gunst der Stunde zu profitieren.
Auf der oben erwähnten Landwirtschaftsmesse sagte er einem Eisenbahngewerkschafter, der ihn dort abgefangen hatte, offen ins Gesicht: „Mein Grossvater war Eisenbahner, der hatte aber nicht denselben Arbeitsrhythmus, wie sie ihn heute haben. Ich kann nicht auf der einen Seite Bauern haben in diesem Land, die nie Ferien machen und am Ende ihres Lebens kaum eine Rente beziehen, und gleichzeitig den Sonderstatus der Eisenbahner nicht ändern wollen – bestimmte Dinge müssen einfach angepasst werden, da darf man sich nichts vormachen.“
Geringschätzung der Presse
Nach wie vor bleibt das Verhältnis Macrons zur französischen Presse äusserst angespannt. Er hält sie sich, so gut es geht, vom Leib. Auf die Art hat er es geschafft, was noch keiner seiner Vorgänger zustande brachte: Emmanuel Macron hat englischsprachigen Fernseh- und Radioanstalten seit seinem Amtsantritt mehr Interviews gegeben als den französischen. Zum einen ist das ein Affront für die audiovisuellen Medien im eigenen Land, zum anderen unterstreicht er damit sein Image des jungen Mannes aus der Finanzwelt, der die Globalisierung mit der Muttermilch aufgesogen hat und sich lieber an die Global-Players wendet, als an die heimische Presse.
Und was er von der Presse hier zu Hause hält, hat er in den letzten Wochen gleich doppelt deutlich gemacht. Zum einen verstieg er sich, ohne das weiter zu begründen und Details zu nennen, zu der Äusserung, wonach das öffentlich-rechtliche Fernsehen eine Schande für das Land sei. So als müsse auch er etwas zum in Europa weit verbreiteten Bashing gegen die Öffentlich-Rechtlichen beitragen.
Zum anderen hat er beschlossen, die im Élysée akkreditierten Journalisten aus ihrem angestammten Büro mit Blick auf den Innenhof des Präsidentenpalastes aus den heiligen Mauern der Machtzentrale zu verbannen. François Mitterand hatte diesen inzwischen reichlich angestaubten und sehr beengten Raum Anfang der 80er Jahre eingerichtet als Arbeitsplatz für die Journalisten und Fotografen der Presseagenturen, zu denen sich bei Regierungsbildungen oder Staatsbesuchen regelmässig dutzende weitere Journalisten gesellten, die sich auf den Füssen herumtraten und draussen in einem gewölbten Durchgang ihre Zigaretten rauchten, in Erwartung, dass endlich etwas passiert. Es war eng und stickig und nicht perfekt, aber irgendwie waren letztendlich eben alle dabei. Künftig wird diese von Macron sichtlich gering geschätzte Meute mit Räumlichkeiten ausserhalb der Palastmauern Vorlieb nehmen müssen – ein doch höchst symbolischer Akt. Was die so verbannten Journalisten dann vom Geschehen und den Dingen zwischen den Zeilen im Tempel der Macht noch mitbekommen, steht in den Sternen.
Clemenceau
Der Präsident jedenfalls – das wurde inzwischen bei zahllosen Gelegenheiten deutlich – hält sehr grosse Stücke von sich selbst und hatte von Anfang an nicht den geringsten Komplex, in die Rolle des allmächtigen französischen Staatspräsidenten zu schlüpfen. Ja mehr noch: Er sucht die Anlehnung oder den Vergleich mit den grossen historischen Figuren der französischen Geschichte – Bücher und Artikel, die reihenweise Napoleon oder De Gaulle bemühen, um das Phänomen Macron zu umschreiben, scheinen ihm zu schmeicheln.
In diesem Jahr 2018 wird Frankreich wieder einmal von Gedenkzeremonien geradezu erschlagen werden: 1918 (1. Weltkrieg), 1938 (Anschluss Österreichs und Münchner Abkommen), 1948 (Erklärung der universellen Menschenrechte), 1958 (Rückkehr De Gaulles an die Macht) und natürlich Mai 1968.
Macron hat sich jüngst schon einmal auf das Ende des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren im kommenden November eingestimmt und der neuen Wochenzeitung „Le 1“ einen Gastbeitrag zu Georges Clemenceau, dem Retter der Nation, geliefert. Die schwelgenden Phrasen, mit denen Emmanuel Macron dort den „Tiger“ würdigt, haben den Verdacht aufkommen lassen, es könnte sich hier doch tatsächlich um ein verstecktes Selbstporträt handeln.
„Frankreich verstand“, so schreibt der Präsident, „dass der Sieg die einzige Lösung war. Es schaute auf den kleinen Mann, wie er im Parlament wetterte, seine Generäle zusammenstauchte und auf die Schlachtfelder eilte. Allerorts im Land verstand man, dass hier eine neue Flamme entbrannt war. Frankreich glaubte an ihn, weil er an Frankreich glaubte. Das war seine Stärke und sein Geheimnis."
Trump
Auch auf aussenpolitischem Terrain macht Macron seit Beginn seiner Amtszeit auf Grösse. Man denke nur an den roten Teppich, den er im Schloss von Versailles für Wladimir Putin ausgerollt hatte, oder an die über 100 internationalen Finanz- und Wirtschaftsbosse, die er erst kürzlich in das Prunkschloss des Sonnenkönigs lockte, bevor sie nach Davos weiterreisten, um ihnen die Attraktivität Frankreichs zu preisen, mit dem Hintergedanken, dass nach dem Brexit ein Teil der Abwandernden aus der Londoner City ja vielleicht an Paris Gefallen finden könnte.
Jüngstes Beispiel für das unbegrenzte Selbstbewusstsein Macrons auf dem internationalen Parkett: das Communiqué des Élyséepalastes, das seinen Staatsbesuch in den USA Ende April offiziell ankündigte. Hochtönender geht es kaum. „Es handelt sich um den ersten Staatsbesuch eines ausländischen Regierungschef seit der Wahl von Donald Trump“, posaunte es aus dem Élyséepalast. „Diese Einladung unterstreicht die tief greifenden Verbindungen zwischen unseren beiden Ländern, die alliiert und befreundet sind, und die Stärke der Beziehungen zwischen den beiden Präsidenten.“
Mehr als einmal schon hat Macron in den letzten Monaten vorgegeben, er habe einen gewissen Einfluss auf Trump. Schliesslich hatte er den US-Präsidenten letztes Jahr ja zum Nationalfeiertag nach Frankreich eingeladen und da nicht gekleckert: zwei Mal Empfang im Élysée, Abendessen mit Ehegattinnen hoch oben auf dem Eiffelturm und dann die anachronistische Militärparade auf den Champs-Élysées, von der der amerikanische Präsident beglückt schien wie ein kleines Kind. Konkret zeigt sich Macrons Einfluss auf seinen amerikanischen Amtskollegen bislang vor allem insofern, als Trump sich nun in Washington tatsächlich offiziell eine ebensolche Militärparade wünscht.
Europa
Verzweifeln dürfte Präsident Macron derweil an seiner europäischen Umgebung. Seine euphorische Europarede im Auditorium Maximum der altehrwürdigen Sorbonne-Universität zu Paris im September 2017 wurde zwar in fast allen internationalen Medien hoch gelobt. Endlich hatte da einer in der EU mit einer offensiven pro-europäischen Position nicht nur die französischen Präsidentschaftswahlen gewonnen, sondern nun auch noch eine Reihe von Perspektiven für mehr europäische Integration vorgelegt – ein Budget der Eurozone, einen Euro- Finanzminister, Bürgerdiskussionen und Befragungen in allen Mitgliedsstaaten zur Frage: welches Europa wollen wir.
Doch nur sechs Monate später sieht es trüb aus für Macrons ehrgeizige Europapläne. Gewiss, in Berlin gibt es nach fünfmonatigem Gezerre nochmal eine Grosse Koalition, die formal das Thema Europa im Koalitionsvertrag sogar ganz nach oben gerückt hat, doch den ganz grossen Enthusiasmus darf sich Macron von deutscher Seite, vor allem wenn es einmal in die Details gehen sollte, auch nicht erwarten.
Und dann jetzt auch noch die Ohrfeige aus Italien. Eines der traditionell proeuropäischsten Mitgliedsländer hat mit zwei Dritteln der Stimmen für Nationalisten, Fremdenfeinde, Postfaschisten und EU-Skeptiker gestimmt. Und Renzi, der für Macron neben Merkel so etwas wie die dritte Säule war bei seinem Versuch, Europa neu zu beleben, wurde gnadenlos in die Wüste geschickt. Wie sagte jüngst einer an der Theke in einem Pariser Bistro? „Na, Macron, er wird sein Europa wohl ganz alleine machen müssen.“
Keine Opposition
In Frankreich ist derweil wenigstens eines sicher: Jupiter, der oberste der Götter, wird so schnell nicht von seinem Podest herabsteigen müssen. Mehr als 9 Monate nach Macrons Wahlsieg gibt es im Land für ihn nach wie vor keine ernst zu nehmende, politische Opposition.
Wo man auch hinschaut, lecken alle noch an den Wunden der Wahlniederlagen vom vergangenen Frühjahr.
Die sozialistische Partei ist praktisch tot und wird so schnell nicht wieder auferstehen, François Hollande dürfte als ihr Totengräber in die Geschichte eingehen.
Les Républicains
Die traditionelle konservative Partei „Les Républicains“, numerisch die wichtigste Oppositionspartei im Parlament, zerreisst sich neun Monate nach dem Fiasko mit ihrem pathetischen Kandidaten, François Fillon, nach wie vor in internen Grabenkämpfen. Mit dem hemmungslosen und opportunistischen Karrieristen, Laurent Wauquiez, hat sich die Partei nun einen Vorsitzenden gegeben, der es über ganz weit rechts versucht, innerhalb kürzester Zeit aber das gemässigte konservative Lager vergrault hat. Mehr als ein Dutzend Spitzenpolitiker aus der rechten Mitte haben sich demonstrativ abgewendet von Wauquiez, welcher sich in den letzten Monaten ganz skrupellos an die rechtsextreme Marine Le Pen angelehnt und in ihrem Vokabular gewildert hat.
Front National
Marine Le Pen selbst wiederum kaut immer noch an den Folgen der Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen mit immerhin mehr als 33% der Stimmen und war Monate lang so gut wie gar nicht zu hören. Dass sie Abgeordnete in der Nationalversammlung ist, dürfte kaum jemandem aufgefallen sein. Währenddessen hat die geschasste Nummer 2 des Front National, Florient Phillipot – acht Jahre lang so etwas wie der Spin Doctor der Le Pen Tochter – seine eigene rechtsextreme Bewegung „Les Patriotes“ gegründet. Marine Le Pen versucht kommendes Wochenende auf einem Parteikongress so etwas wie eine Neugründung des Front National, einschliesslich einer Namensänderung der Partei, was ihren Vater und Gründer der Partei, Jean Marie Le Pen, auf die Palme bringt. Er, der Patriarch, hat jetzt, fast 90-jährig, kurz vor diesem Parteikongress, doch tatsächlich seine Memoiren veröffentlicht, die sogar zu einem Kassenschlager werden könnten – nach der Startauflage von 50’000 mussten die Druckmaschinen umgehend erneut angeworfen werden.
France Insoumise
Und auch der wortgewaltige Volkstribun Jean-Luc Mélenchon, links von den Sozialisten, – immerhin 19,6% bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr – hat als Opponent nicht wirklich ein Gewicht, vielmehr begeht er mit seiner Linkspartei „La France Insoumise“ und seinen masslosen Attacken gegen fast alle im Land gerader so etwas wie politischen Selbstmord. In allerletzter Zeit hat man ausser Hasstiraden gegen die Lügenpresse von ihm dann gar nichts mehr gehört. Letzten Herbst noch wollte der wild gewordene, ehemalige Sozialist und Minister unter Präsident Mitterrand Millionen Menschen auf die Strasse bringen, um die Arbeitsmarktreform von Emmanuel Macron zu verhindern. Die Reform ging durch, passiert ist so gut wie nichts und Mélenchon stand am Ende nur als Grossmaul da.
Jupiter hat also – zumindest theoretisch – in Frankreich weiter freie Bahn. Um Meinungsumfragen kümmert er sich angeblich nicht. Und doch und trotz aller Schwächen der politischen Gegner: die Zustimmungswerte für Emmanuel Macron sind seit Jahresbeginn beachtlich, um mehr als 10%, in den Keller gerutscht ...