Trotz des unerträglichen Leidens der Bevölkerung im Gaza-Streifen lehnt der Nationalrat die finanzielle Unterstützung des Uno-Hilfswerks für Palästinenser ab.
Die Situation ist grotesk: Das Elend im Gazastreifen ist erschütternd, tausende Zivilisten sind durch den Feldzug der israelischen Armee gestorben, auch viele Kinder. Zudem sind zahllose Wohnhäuser, Spitäler und Schulen zerstört worden und werden immer noch zerstört. Viele Menschen hungern, sind krank und auf ärztliche Hilfe angewiesen.
Die UNRWA (United Nation‘s Refugee and Work Agency) das Palästinenserhilfswerk der Uno ist als einziges mit ein paar Tausend Mitarbeitern in Gaza präsent, doch ihm geht das Geld aus. Trotzdem verweigert der Nationalrat ihm jede Unterstützung. Weshalb? Weil einige seiner Mitarbeiter die Terrorattacke von Hamas bei ihrem brutalen und widerlichen Angriff auf israelisches Gebiet am 7. Oktober des letzten Jahres unterstützt haben. 12 verdächtigte Mitarbeiter sind von Direktor Philippe Lazzarini sofort entlassen worden.
Verheerende Zerstörungen, Tote, Verletzte und hungernde Menschen
Beim Angriff sind von Hamas-Terroristen in Israel über 1200 Menschen getötet und über 3000 verletzt worden. Gleichzeitig sind rund 250 Menschen als Geiseln nach Gaza verschleppt worden. Mit diesem schweren Angriff hat Hamas Kriegsverbrechen begangen und die Terrororganisation ist vor allem in der westlichen Welt scharf verurteilt worden. Auch Bundesrat Ignazio Cassis hat die Hamas heftig kritisiert; der Bundesrat will sie als Terrororganisation verbieten.
Der Gegenangriff Israels dauert schon annähernd ein Jahr. Das Ziel der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu: Hamas ausrotten. Das wird von manchen Israelis und den meisten Nahostkennern als unrealistisch erachtet. Die verheerenden Zerstörungen – bei israelischen Angriffen sind über 40’000 Menschen getötet worden – führen dazu, dass immer mehr Palästinenser zu Hamas-Unterstützern werden. Zudem üben Siedler im Westjordanland immer mehr Gewalt gegen Palästinenser aus: Sie verbrennen deren Häuser, deren Olivenbäume, jagen sie weg und töten auch. Die israelische Polizei schaut zu und schützt die Palästinenser nicht.
Angesichts der verbreiteten Gewalt in Gaza und im Westjordanland bedeutet das Nein zur finanziellen Hilfe an die UNRWA indirekt eine Billigung des Vorgehens der israelischen Armee in Gaza und den Geschehnissen im Westjordanland. Der Bundesrat und Aussenminister Cassis haben zwar immer wieder alle zur Einhaltung des Völkerrechts ermahnt, sie haben aber nie Israel für die Verletzungen der Menschenrechte kritisiert. Zudem hat sich Bundesrat Cassis im Nationalrat wenig überzeugt und überzeugend für die bereits reduzierte Fortsetzung der Hilfe an das Palästinenserhilfswerk eingesetzt, wie es der Bundesrat vor Monaten beschlossen hatte. Nach kurzer Zeit im Amt hat Aussenminister Cassis in Jordanien mit dem damaligen Generalkommissar der UNRWA, Pierre Krähenbühl, ein Camp mit palästinensischen Flüchtlingen besucht. Auf der Rückreise hat er in einem Interview gesagt, die UNWRA sei nicht die Lösung, sondern sei Teil des Problems.
Das Uno-Hilfswerk war als Übergangslösung geplant
Die UNRWA ist aufgrund eines Entscheids der Uno-Generalversammlung geschaffen worden und hat 1950 begonnen, die palästinensischen Flüchtlinge zu betreuen im Hinblick auf die damals beabsichtigte Rückführung der Flüchtlinge. Da es nicht gelungen ist, das Flüchtlingsproblem zu lösen, ist das Mandat des Hilfswerkes immer wieder verlängert worden. Die Zahl der Flüchtlinge ist inzwischen von 700’000 auf 3,5 Millionen angewachsen. In letzter Zeit wurde immer klarer, dass die israelische Regierung die Arbeit des Uno-Hilfswerks stilllegen möchte.
Für die Versorgung der Bevölkerung des Gazastreifens ist die UNRWA jedoch lebenswichtig. Ohne das Uno-Hilfswerk wäre die Versorgung für die 1,9 Millionen Palästinenser mit Lebensmitteln nicht möglich, auch gäbe es keine Polio-Impfkampagne für Zehntausende Kinder. Doch die israelische Regierung ist derart irritiert, dass sich Hamas-Kämpfer auch in Gebäuden der UNRWA verschanzen, dass sie sogar dem Schweizer Direktor Philippe Lazzarini die Einreise nach Israel und Gaza verweigert hat.
Der Entscheid des Nationalrats zeigt auf, dass die bürgerliche Mehrheit – nicht zum ersten Mal – die Wirklichkeit nicht sehen will. Es war ein emotionaler Entscheid, der von der unverwüstlichen Sympathie für die kriegführende israelische Regierung bestimmt war. – Mit dem Geschäft muss sich noch der Ständerat befassen.