Die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf reiste blitzartig nach Washington, um sich dort mit dem Generalbundesanwalt Eric Holder zu treffen. Wichtigstes Traktandum: die CS-Krise. Der faktisch als Justizminister amtierende Holder dürfte noch das ganze Wochenende lang gekichert haben. Vielleicht legte er auch den Song «Oops, I did it again» auf.
Zwei Mal der gleiche Fehler
Vor fünf Jahren konnte die UBS nur mit Rechtsbruch, der Anwendung von eigentlich nur für Kriegszeiten vorgesehenem Notrecht vor dem Abgrund gerettet werden, an den sie sich mit der Aufbewahrung von unversteuerten US-Geldern manövriert hatte. Man war sich allgemein einig, dass das niemals mehr passieren dürfe. Und die Credit Suisse liess verlauten, dass sie selbst glücklicherweise keine solchen Probleme habe.
Seither sind fünf Jahre vergangen, und wie im Film «Und täglich grüsst das Murmeltier» befinden wir uns in einer Zeitschlaufe. Die UBS hatte mit einer Verzögerungstaktik die US-Behörden dermassen ranzig gemacht, dass denen der Geduldsfaden riss und sie mit einer unmittelbar bevorstehenden Klage gegen die Bank selbst drohten. Nachdem bereits diverse, auch hochrangige Mitarbeiter der UBS angeklagt worden waren. Da brach dann Hektik bei den Eidgenossen aus. Schwerer Schaden für den Finanzplatz Schweiz, Weltuntergang, Systemrelevanz, übergesetzlicher Notstand.
Mit einer Busse von 780 Millionen Dollar und der Auslieferung von rund 5000 Kundendaten von US-Steuerpflichtigen wurde der drohende Untergang der UBS knapp verhindert. Und alle, restlos alle Beteiligten schworen heilige Eide, dass das niemals mehr passieren dürfe und werde. Aber nach der Busse ist vor der Busse.
Der Fall Wegelin
Im Februar 2012 wurde die Privatbank Wegelin weltweit zum ersten Mal als Bank selbst angeklagt. Sie musste sich entleiben, und alle anderen Schweizer Finanzhäuser sagten, dass das ein bedauerlicher Einzelfall sei, niemals hätten weitere Schweizer Finanzhäuser US-Steuerpflichtigen Beihilfe zum Verstauen von Schwarzgeldern geleistet. Obwohl Wegelin nur eine von damals 12 Banken war, darunter die Credit Suisse und zwei Kantonalbanken mit Staatsgarantie, die bereits auf einer Liste der US-Behörden standen, die vertiefte Untersuchungen durchführten.
Grosses Geschrei erhob sich, als ein Vertreter der Bank ausführte, dass eine solche Geschäftspraxis allgemein üblich und im Rahmen der Schweizer Rechtsordnung legal war. «Verräter», «Schweinerei» waren noch die milderen Ausdrücke. Im Sommer 2013 wurde dann die Lex USA, die in Wirklichkeit eine Lex Credit Suisse war, im Parlament abgeschmettert. Nur um einen Monat später als «Regierungsvereinbarung», nicht parlaments- oder referendumsfähig, wieder das Licht der Welt zu erblicken.
Die Gruppen
Von da an wurden die Schweizer Banken zu Paaren getrieben, beziehungsweise in Gruppen eingetopft. In Gruppe eins verblieben alle Banken, gegen die bereits US-Ermittlungen liefen. Mehr als hundert Schweizer Banken reihten sich in Gruppe zwei ein, sie gestehen «freiwillig», dass sie gegen US-Steuerrecht verstiessen und teilweise existenzbedrohende Bussen zu erwarten haben.
Das ist die Lage, und dann gibt es noch einen Hecht im Karpfenteich. Die zweite Schweizer Grossbank Credit Suisse. Die imitiert eins zu eins das Vorgehen der UBS. Kein Problem, kleines Problem, Problem einer Handvoll subalterner Mitarbeiter, die ohne Wissen der Vorgesetzten bedauerlicherweise über die Stränge geschlagen haben. Und: Wir würden ja gerne rassig alle verlangten Informationen ausliefern, aber leider verbietet das das Bankgeheimnis, und die Amtsmühlen mahlen eben langsam in der Schweiz, da können wir auch nichts dafür.
Der reine Aberwitz
Indem die Führungscrew der Credit Suisse beim Hearing von US-Senator Levin vorführte, dass sie alleine Verantwortung für den Erhalt ihrer Posten übernimmt, sandte sie ein klares Signal an alle CS-Mitarbeiter aus, die in Geschäfte mit US-Steuerpflichtigen verwickelt waren: von den Bankenlenkern habt ihr nichts zu erwarten – ausser einen Tritt in den Hintern.
Menschlich verständlich suchten diese Sündenböcke Rat, wie sie ihre eigene Haut retten können, denn offensichtlich ist sich in der dieser Bank jeder selbst der Nächste. Bereits der Erste in diese Geschäfte Verwickelte kündigte in den USA an, dass er bereit sei, seine sämtlichen Kenntnisse den US-Behörden zu offenbaren. Dafür durfte er nach Bezahlen einer milden Kaution von 150'000 Dollar wieder heimreisen. Und die CS-Spitze weiss: Jetzt ist aber echt Feuer im Dach.
Aber wozu sich den Kopf zerbrechen, wie man das löschen könnte, wenn die eidgenössische Feuerwehr in Form des Bundesrats auf Bewährtes zurückgreifen kann. In den entsprechenden Erlassen muss ja nur das Wort UBS durch Credit Suisse ersetzt werden. In jedem Textverarbeitungsprogramm mit zwei Klicks zu bewältigen. Die entsprechenden öffentlichen Verlautbarungen liegen auch im Archiv bereit, und ein staatstragendes Gesicht machen, das kann nun jeder Bundesrat ohne grosse Vorbereitung.
Keinmal, einmal, zweimal
Bleibt nur die Frage, wieso man sich jedes Mal diese Mühe machen muss. Schliesslich stehen noch zwei Kantonalbanken, mehr als hundert weitere Banken vor dem gleichen Problem. Also wäre es doch einfacher, Notrecht zur stehenden Einrichtung zu machen. Antrag stellen, Stempel drauf, ab die Post. Dass so der Schweizer Rechtsstaat den Bach runter geht, was soll’s.