Vom Gratisblatt «20 Minuten» aus machte es in den Medien die Runde: Die CS verabschiedet sich «langsam vom Bankgeheimnis». Der «Tages-Anzeiger» beweist, was moderner Qualitätsjournalismus ist, betätigt die Copy/Paste-Taste und zitiert zusätzlich den unvermeidlichen Bankenprofessor Kunz, der sein Bedauern darüber ausdrückt, dass «die CS damit den Schutz für die Kunden verschlechtert». Keine Ahnung, aber eine Meinung haben, das war und ist seine Spezialität.
Alles Quatsch
Nur hat die Sache drei Haken. Der erste: Es wurde lediglich aus juristischen Gründen eine bereits vorher vorhandene Formulierung verdeutlicht. Hiess es vorher in Art. 15, «Bankkundengeheimnis», der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB): «Der Kunde entbindet die Bank von ihrer Geheimhaltungspflicht, soweit dies zur Wahrung berechtigter Interessen der Bank notwendig ist», heisst es neu in Art. 16, «Bankkundengeheimnis»: «Der Kunde entbindet hiermit die Bank von ihrer Geheimhaltungspflicht und verzichtet auf das Bankkundengeheimnis, soweit dies zur Wahrung berechtigter Interessen der Bank notwendig ist.»
Dann folgen die gleichen fünf Punkte, was die Bank unter der Wahrung ihrer Interessen versteht. Leicht erregt weisen «20 Minuten», Tagi und viele andere Medien darauf hin, dass der Verzicht auf das Bankkundengeheimnis auch dann gelte, wenn der Kunde in der Öffentlichkeit oder gegenüber Behörden Vorwürfe gegen die Bank erhebe. Der zweite Haken: Das stand bereits wortwörtlich genau so in den alten AGB. Der Tagi behauptet dann noch: «Ausserdem wurden die Bedingungen, bei deren Eintreten die Bank nicht mehr zur Geheimhaltung verpflichtet ist, ausgeweitet.» Alles Quatsch.
Der dritte Haken
Während es «20 Minuten» immerhin auffiel, dass es wohl einen Grund dafür geben muss, dass der alte Art. 15 neu Art. 16 ist und dass die Ursache dafür möglicherweise darin liegen könnte, dass es vorher einen neuen Artikel gibt, entging dieses Detail dem «Tages-Anzeiger». Dabei hat es der neue Artikel 14 tatsächlich in sich. Unter dem Titel «Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften» heisst es hier: «Der Kunde ist für die Einhaltung von auf ihn anwendbaren gesetzlichen Vorschriften (einschliesslich Steuergesetze) verantwortlich und er hält solche gesetzlichen Vorschriften jederzeit ein.»
Die Absicht ist klar: Sollte eine in- oder ausländische Steuerbehörde dem Kunden auf die Schliche kommen, dass er doch tatsächlich eine völlig unschuldige Schweizer Bank dazu missbraucht, sein schmutziges, schwarzes, unversteuertes Geld aufzubewahren, was eidgenössische Geldhäuser schon immer mit tiefem Abscheu erfüllte und wozu sie niemals Hand boten, dann hat der Kunde die Bank angelogen, ja geradezu beschmutzt. Das ist dann doch wohl endlich die Weissgeldstrategie, mit der alle steuerlichen Schwulitäten mit den USA, Deutschland, Frankreich, Italien und überhaupt der ganzen Welt abgestellt werden können. Was für ein Quatsch.
Dumme Schlaumeierei
Nach allen bis heute gültigen Gesetzen ist kein Schweizer Bankhaus dazu verpflichtet, den steuerlichen Zustand ihr anvertrauter Gelder zu überprüfen. Lediglich die USA haben bislang die rechtsimperialistische Brechstange namens FATCA angesetzt und sagen: Okay, aber bei allem, wo US-Steuern anfallen könnten (und das ist bei ziemlich vielem der Fall), musst du uns Auskunft geben. Oder 30 Prozent Verrechnungssteuer einbehalten, denn die Teilnahme an FATCA ist natürlich freiwillig, sonst wäre es ja reiner Rechtsimperialismus. Machst du allerdings nicht mit, dann kannst du dich gleich vom Handel mit US-Wertpapieren, von Dollar-Geschäften, von US-Kunden und vom Interbanking verabschieden. Also die Schalter schliessen. Aber du hast die freie Wahl.
Nun will die CS den übrigen Kunden einfach den Schwarzen Peter zuschieben und sich selbst eine weisse Weste verschaffen. Sie will sagen können: «Wir hatten ja keine Ahnung, dass Zahnarzt Meier aus Wuppertal bei uns unversteuertes Geld lagert, und seine Wünsche nach steueroptimierten Anlagemodellen haben uns auch nicht misstrauisch gemacht, schliesslich hat er ja unsere neuen AGB unterzeichnet.» Wer glaubt, mit einer solchen Schlaumeierei bei der aktuellen Geldgier verlumpender Staaten in Europa und anderswo durchzukommen, muss schon blöd wie ein Banker sein.
Und im Inland?
Soweit bekannt, gilt das Schweizer Bankkundengeheimnis bis heute für Schweizer Steuerpflichtige weiterhin auch gegenüber Schweizer Steuerbehörden. Ausser es handelt sich um einen Fall von Steuerbetrug, und die Behörde kann einen Anfangsverdacht im Einzelfall begründen. Das mag man kritisieren oder für veränderungswürdig halten, aber es ist immerhin gültiges Gesetz.
Indem aber, unter Aufgabe der Schweizer Rechtssouveränität, ausländischem Druck nachgegeben wurde und, um eine der beiden Grossbanken zu retten, sogar rückwirkende Gesetzesveränderungen abgesegnet wurden, herrscht auf diesem Gebiet im Rechtsstaat Schweiz inzwischen reiner Wildwest.
Der äussert sich darin, dass nun die CS von allen ihren Kunden etwas verlangt, wozu sie bei Schweizer Kunden gar nicht berechtigt ist. Denn ob ein eingeborener Kontobesitzer mit seinem Staat steuerlich im Reinen ist oder nicht, ist nach gültigem Gesetz seine Sache, nicht die seiner Bank. Es ist genauso seine Sache, ob er seinen Sparbatzen abhebt und im Bordell oder Casino verjubelt. Das Nichtangeben von Bankguthaben bei den Steuerbehörden ist in der Schweiz bis heute genauso wenig von der Bank zu kontrollieren. Wo kommen wir hin, wenn Firmen, die einfach Geld aufbewahren sollten, anfangen, über gültige Gesetze hinaus Vorschriften zu machen?