Zunächst mal hat Jupiter am Freitag und Samstag, einige Tage vor dem offiziellen Termin, ein erstes Mal im Familienkreis Weihnachten gefeiert und nicht, wie zunächst behauptet, seinen 40. Geburtstag. Der ist am 21. Dezember, und vorher Geburtstag zu feiern, bringt schliesslich Unglück. In vielen Familien und besonders in Patchwork-Familien, wie im Fall des französischen Präsidenten, ist ein vorgezogenes Weihnachtsfest einfach nötig oder üblich. So weit, so gut.
Weihnachtsfeier im Schloss
Eigentlich auch eine Privatangelegenheit, so eine Weihnachtsfeier. Aber was ist bei einem französischen Präsidenten schon privat?
Auch wenn Macron den Ort der Feier privat gewählt hat und natürlich, wie mehrmals versichert, privat bezahlt hat, so müsste doch selbst dem letzten Praktikanten in den ersten Tagen einer Ausbildung im Kommunikationswesen klar sein, dass der Ort, an dem ein französischer Präsident was immer auch feiert, nicht ganz und gar bedeutungslos sein kann.
Warum dann aber ausgerechnet Chambord, dieses ästhetisch wahrlich nicht umwerfende, reichlich wuchtige Loireschloss, erbaut in der Renaissance von König François Ier? Wozu dieser pompöse Ort, der – wie wenige andere – der Inbegriff der französischen Monarchie ist?
In der Tat kann in Chambord, wie der Élysée nach erstem Stirnrunzeln im Land schnell mitteilen liess, jeder X-Beliebige nach Besucherschluss für einen Abend lang verschiedenste Säle in verschiedensten Grössen mieten. Schliesslich müssen bei leeren Staatskassen Fremdmittel her zum Erhalt des teuren Kulturguts.
Republikanischer Monarch
Doch man kann niemanden glauben machen, dass es bei keinem der knallharten und ausgefuchsten Berater im Kommunikationsstab von Macron nicht getickt hat, als der Name „Château de Chambord“ fiel. Jedem musste klar sein, was das für ein Bild erzeugt, der junge Präsident, der – nicht zum ersten Mal – den republikanischen Monarchen gibt, sich in der Rolle des allmächtigen Präsidenten sonnt und alles Monarchische, was Frankreich zu bieten hat, als Kulisse aufbieten lässt.
Angesichts dessen spricht vieles dafür, dass Macron das Renaissanceschloss an der Loire für die familiären Festlichkeiten bewusst gewählt hat.
Im Wahlkampf und mit seiner Bewegung „En Marche“ hatte er noch auf Basisdemokratie gemacht, die Beteiligung aller hochgehalten und eine Revolution, eine tiefgreifende Transformation der politischen Praxis in diesem Land angekündigt. Kaum war er zum Präsidenten gewählt worden, schlüpfte er, wie einst François Mitterrand, übergangslos in die erste Rolle im System der 5. Republik, diesem Zwitter aus Demokratie und Monarchie, der dem französischem Präsidenten mehr Macht zugesteht als jedem anderen Staats- und Regierungschef in einer westlichen Demokratie.
Plötzlich ging es Macron vor allem darum, diese präsidiale Rolle voll und ganz auszufüllen, war die Rede von einem vertikalen Verständnis der Machtausübung und davon, dass die Franzosen ihren Monarchen zwar einst einen Kopf kürzer gemacht haben, seitdem aber mit reichlich Nostalgie immer noch nach dem suchen würden, was sie an die Stelle der Monarchie setzen könnten.
Wie Giscard vor 40 Jahren
Von daher war die Domäne von Chambord als Ort der privaten Festivitäten des Präsidenten im übernatürlichen Glanz der Monarchie sogar logisch.
Eine Domäne, die umgeben ist von den oft belächelten und geheimnisvollen „Chasses Présidentielles“, den Jagdgründen des Präsidenten – 70 Quadratkilometer Wald mit reichlich Wild – wo in früheren Zeiten des öfteren nicht immer ganz astreine Industrie- und Finanzkapitäne oder nicht wirklich vorzeigbare ausländische Staats- oder Regierungschefs, oft aus Afrika oder Osteuropa, gastierten.
Da wurde beim Wildbret so manche Grundlage zu mehr oder weniger dunklen Milliardengeschäften gelegt, Waffengeschäfte nicht ausgeschlossen. Präsident Mitterrand hielt sich vom Ort weitgehend fern, liess die ihm nahestehenden Jagdbegeisterten aber weiter gewähren und eventuell Geschäfte machen. Erst unter der Präsidentschaft von Jacques Chirac wurde man sich der relativen Lächerlichkeit dieser Institution in heutigen Zeiten bewusst und reduzierte nach und nach die Aktivitäten auf das strikt notwendige Minimum. Nicolas Sarkozy hat die „präsidialen Jagden“ 2010 offiziell abgeschafft.
Und was machte Emmanuel Macron an seinem privaten Wochenende in Chambord ? Er ging am Freitagabend zu den Jägern, die gerade, beladen mit Wildschweinen, von einer so genannten „administrativen Jagd“ zurückkamen, um sich, wie zuletzt Valéry Giscard d’Estaing vor 40 Jahren, an ihrer Seite zu zeigen. Mit dieser Geste erinnerte er einige Aufmerksame im Land daran, dass er im März dieses Jahres, während des Wahlkampfs, für eine Wiedereinführung der „Chasse présidentielle“ plädiert hatte.
Make the planet great again
Am Sonntag erschien der Präsident dann im TV-Interview, 40 Minuten lang, vier Tage zuvor aufgezeichnet, als Macron die halbe Welt zu einem Gipfel nach Paris getrommelt hatte, um vor 4’000 Teilnehmern daran zu erinnern, dass vor zwei Jahren der Pariser Klimagipfel COP 21 ein globaler Erfolg war, man seitdem aber nicht wesentlich weitergekommen ist und dass nach Trumps Ausstieg alles darauf hindeutet, dass „unser Haus weiterbrennt und dabei alle anderswo hinschauen“, wie ein anderer französischer Präsident, Jacques Chirac, das bereits vor 15 Jahren auf dem UN-Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg sehr eindrücklich formuliert hatte.
Das an diesem Gipfeltag aufgenommene und am Sonntag ausgestrahlte Interview mit dem Präsidenten war ein ebenso merkwürdiges Ding wie das Schloss zu Chambord als Ort der präsidialen Weihnachtsfeier.
Interview beim Spaziergang
Derjenige, der die Fragen stellte, ein etwas älterer Jüngling mit blonder Haarwelle, eine Art idealer Schwiegersohn der Nation mit besten Manieren, schlich neben dem Staatspräsidenten, begleitet von einem halben Dutzend Kameras unter Stuck und Gold durch die Gemächer des Élyséepalastes und stellte während dieses Defiles kritische, ja bohrenden Fragen, wie: „Sie schlafen wenig?“ – „Ist das ihr Heldentum?“ – „Welche Botschaft haben Sie für die Franzosen zu Weihnachten?“
Eigentlich hatte der Emmanuel Macron nichts Wesentliches und vor allem nichts Neues zu sagen. Es war, als ginge es vor allem um die Inszenierung eines Interviews, bei dem der aufrechte und sich bewegende Präsident den Namen seiner Partei „En Marche“ verkörperte. Ganz nebenbei verstieg er sich während des höflichen Wandelns durch die heiligen Hallen des Elysee zu dem Satz: „Wir werden den Krieg gegen die IS-Terrormiliz in Syrien bis Ende Februar gewonnen haben.“ Vom dem neben ihm wandelnden Interviewer kam, wie nicht anders zu erwarten, keine und schon gar keine kritische Nachfrage.
„Interview debout – Journalisme couché“ ( „Interview im Stehen, Journalismus bei Fuss oder Journalismus am Boden“ ), titelte die Webzeitung „Mediapart“ angesichts dieses Medienereignisses einer ganz besonderen Art.
Besonders pikant bei all dem: Präsident Macron hat sich jüngst zu dem Satz hinreissen lassen, das öffentlich-rechtliche Fernsehen und Radio in Frankreich sei eine Schande für die Nation. Wenn es aber darum geht, in diesem so gescholtenen Medium ein 40-Minuten-Interview seiner Hoheit in eine seichte Show zu verwandeln, ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen France 2 offensichtlich immer noch gut genug, denn es steht bei Fuss für das Staatsoberhaupt Emmanuel Macron.