Vielleicht war es ihnen ja langweilig geworden, den Abgeordneten der konservativen UMP-Partei auf den hinteren Bänken. Eigentlich hätten sie schon längst in den Ferien sein sollen und dort ihr Unwesen treiben dürfen. Doch nun haben die neuen sozialistischen Machthaber doch im Juli tatsächlich eine Sondersitzung angeordnet, um die emblematischen Sarkozy-Reformen im Eiltempo reihenweise zu demontieren.
Fast nur Herren in der konservativen Fraktion
Also mussten sie die Bank drücken und sagten sich vielleicht, wenn wir hier schon die Stunden absitzen müssen, machen wir uns wenigstens bemerkbar. Und da es Dienstag war und das Fernsehen anwesend, wegen der wöchentlichen Fragestunde der Regierung - das einzige, was man in Frankreich von den Sitzungen des Parlaments im Fernsehen mitbekommen kann - waren die Herren Abgeordneten in der rechten Hemisphäre des Parlamentsaals sogar ziemlich zahlreich vertreten.
Man sagt Herren, weil es Damen kaum gibt in den Reihen der konservativen Fraktion. Man zahlt in diesen Kreisen immer noch lieber alljährlich 4 Millionen Euro Strafe, anstatt die gesetzlich geforderte Parität bei Wahlen zu respektieren.
Sicher waren diese Abgeordneten auch ein wenig frustriert an jenem Tag, sie mussten sich erst daran gewöhnen, plötzlich so wenige zu sein - es fehlten auf ihrer Seite rund 100 im Vergleich zur vorhergehenden Legislaturperiode. Und dann mussten sie auch erst noch verdauen, dass ihre Partei nach der Wahlniederlage im Juni plötzlich 10 Millionen Euro weniger pro Jahr in der Parteikasse haben wird und nicht mehr gross hermachen kann.
Ein Kleid und die Pöbelei
Wie auch immer. Einer ihrer Kollegen hatte eine dieser sterilen, vorformulierten Fragen an die Regierung gestellt, auf die irgendein Minister dann eine möglichst allgemeingültige Antwort gibt. Und weil es bei der Frage um die städtebauliche Zukunft der Grossregion Paris ging, schritt die Ministerin für Wohnungsbau und Stadtentwicklung, die jahrelange Parteivorsitzende der französischen Grünen, Cécile Duflot, ans Mikrophon.
Kaum hatte die 42-Jährige eine der beiden ersten Reihen des Parlamentssaals, in denen die Kabinettsmitglieder sitzen, verlassen, ging ein Raunen, Murmeln und Buhen durch die hinteren Reihen der konservativen Abgeordnetenbänke, ja der eine oder andere Ansatz zu einem Pfiff war zu vernehmen. Es dauerte nicht mal zehn Sekunden, so lange eben, bis die jugendlich wirkende Ministerin ihren Platz verlassen und die paar Schritte ins Halbrund ganz unten im Saal gemacht hatte, wo das Mikrophon steht.
Im ersten Moment fragte man sich, was geschehen war und verstand nicht. Nach ein paar Sekunden und der Massregelung durch den Parlamentspräsidenten war dann klar, warum die konservative Hinterbank pöbelte.
Die Ministerin trug ein Kleid
Ja, man hat richtig gelesen: Die Ministerin trug ein Kleid. Ein schönes, blau-weiss geblümtes Sommerkleid, die Schultern bedeckt, die Länge dezent - ein Kleid eben. Doch dieses einfache Kleid hat sie in Wallungen gebracht, die Volksvertreter ganz hinten auf den schlechten Plätzen. Die 50-, 60- oder 70-jährigen Honoratioren, die zum Teil seit 20 Jahren im Parlament sitzen und sich auf jeden Fall für unersetzlich halten. Eine präpotente Kaste, die die Ankunft neuer Abgeordneter oder gar Minister, wie Cécile Duflot, im Grunde als Affront betrachtet. Herrschaften, die für die 3 Sitzungstage in Paris Maitressen und für die 4 Tage zu Hause im Wahlkreis die Ehefrau haben.
Hinter ihren umgänglichen Masken der vertrauenswürdigen Familienväter kamen in diesen wenigen Sekunden im Parlament die feisten, leicht geröteten Gesichter von altgedienten, auf sich selbst stolzen Schwerenöter zum Vorschein.
Man steht dazu
Als der Vorfall einen Tag später in die breite Öffentlichkeit gedrungen war und allseits kommentiert wurde, spielten die Herren Abgeordneten von den konservativen Hinterbänken ihre Rolle brav weiter. „Wenn die Ministerin das nicht gewollt hätte, hätte sie sich eben anders anziehen müssen und vielleicht hat sie das Sommerkleid ja auch nur gewählt, um auf sich aufmerksam zu machen, weil sie inhaltlich nichts zu sagen hat - dröhnte etwa ein gewisser Patrick Balkany, seines Zeichens ein alter Sarkozy-Intimus.
Er ist der typische, 60-Jährige, der jede Frau, die ihm über den Weg läuft, erst mal mit glubschäugigem Blick von oben bis unten auszieht und allein durch seine Attitude jedem zu verstehen gibt: „Seht her, ich habe „ cojones.“ Er ist so einer, der ein Dauerabonnement in Sonnenstudios hat, ein Goldkettchen um den Hals und eine nach Korruption stinkende Selbstsicherheit vor sich her trägt, die signalisiert: Ich kann mir alles erlauben.
Gut auf der Matte und der Matratze
Für diese Art französische Politiker spielt die Parteizugehörigkeit der Opfer ihrer machistischen Ausfälle keine Rolle. Der gutaussehenden kurzzeitigen konservativen Sportministerin, Chantal Jouano, die früher mal Judomeisterin war, haben Gestalten wie Patrick Balkany vor einigen Jahren nicht nur eine Affäre mit Nicolas Sarkozy angedichtet, sondern in einer besonders schwachen Stunde hat einer von ihnen dann auch noch den Spruch getan, die Ministerin sei sicher auf der Matratze ebenso gut wie auf der Matte! Im Parlament musste sich Chantal Jouano in ihrer Zeit als Abgeordnete, wenn sie einen Rock trug, so häufig anzügliche Bemerkungen gefallen lassen, dass sie es mit Röcken oder Kleidern bleiben liess und auf Hosen umgestiegen war.
Ich kann die Hose gerne ausziehen
Michèle Alliot Marie, die vielfache konservative Ex-Ministerin, die am Ende im Aussenamt über ihre Tunesien- und Ben Ali-Connections stolperte, hatte einst von einem gewissen Jacques Chirac das Attribut mit auf den Weg bekommen: „Alliot-Marie - die schönsten Beine der neogaullistischen Partei.“ Jacques Chirac, der seinerseits nicht wirklich Anstoss daran nahm, dass seine Parteifreunde ihn für seine ausserehelichen Quickies mit dem Prädikat bedacht hatten: „Fünf Minuten, Duschen inbegriffen.“
Michele Alliot-Marie wusste, als sie in die französische Politik ging, in welche Welt sie sich da begab, und hat es beim Dresscode gleich gar nicht mit Röcken versucht. Prompt musste sie aber in den 70er-Jahren noch erdulden, dass ein schwarz Livrierter der französischen Nationalversammlung ihr doch tatsächlich den Zutritt zum Parlament verweigern wollte, weil sie Beinkleider trug. „Wenn Sie wollen, kann ich die Hose gerne ausziehen“, konterte Alliot-Marie damals, worauf der Herr über das Protokoll dann doch die Waffen gestreckt haben soll.
Auf unsere Frauen, auf unsere Pferde
Frankreichs Wohnungsbauministerin, Cécile Duflot, hat letzte Woche auf das Pöbeln der bejahrten Hinterbänkler souverän reagiert. Ihre Antwort vor dem hohen Haus begann sie mit den Worten: „Meine Damen, meine Herren, vor allem aber meine Herren, offensichtlich … “ und hinterher merkte sie nur an, sie denke vor allem an die Frauen dieser Art von Volksvertretern. Cécile Duflot weiss, dass der Weg noch lang ist, in einem Land, in dem ein Staatspräsident - Jacques Chirac - noch vor zehn Jahren regelmässig seinen beliebtesten Trinkspruch zum Besten geben konnte und dafür fettes, zustimmendes Lachen erntete. Der Spruch lautet: „ A nos femmes, à nos chevaux et à ceux qui les montent - Auf unsere Frauen, auf unsere Pferde und auf die, die sie besteigen.“