Mario Draghi, der italienische Ministerpräsident, hat genug. Nachdem die Protestpartei «Cinque Stelle» eine saftige Regierungskrise ausgelöst hatte, trat Draghi zurück. Mit erhobenem Haupt. Das Vorprellen der «Fünf Sterne» könnte kontraproduktiv sein. In der Partei gärt es mächtig.
Die Römer Zeitung «La Repubblica» spricht am Freitag von einer «Seifenoper». Der Entscheid Contes, die Regierung Draghi zu verlassen, wird innerhalb der Partei alles andere als überall verstanden. Bereits häufen sich die Parteiaustritte wieder. Auch Senatoren und Mitglieder der Abgeordnetenkammer verlassen die Cinque Stelle. Jüngstes Beispiel: Am Donnerstag hat die Senatorin Cinzia Leone der Partei den Rücken gekehrt. Zuvor demissionierte der Abgeordnete Francesco Berti. Auch der Fraktionsvorsitzende in der Abgeordnetenkammer, Davide Crippa, ist offenbar auf dem Absprung.
Der Austritt der Cinque Stelle aus der Regierungskoalition wird von Kommentatoren als «letztes Aufbäumen einer sterbenden Partei» gewertet.
Die Cinque Stelle serbeln dahin und stehen vor dem Zusammenbruch. Fänden jetzt Wahlen statt, kämen sie noch auf schäbige elf Prozent der Stimmen. Ihre Zerrissenheit und fehlende politische Linie hat sie in eine tiefe Depression gestürzt.
Parteichef Conte versuchte deshalb einen Befreiungsschlag. Indem er aus der Regierungskoalition ausscherte, hoffte er, in die Schlagzeilen zu gelangen und Profil zu gewinnen.
Um Inhalte ging es im jetzigen Streit nicht. Alle aufgebauschten Probleme, die Conte jetzt vorschob, waren Peanuts-Probleme, die eigentlich schon vor einer Lösung standen.
Dass es jetzt nicht um Inhalte ging, zeigt eine Erklärung von Aussenminister Luigi Di Maio, der die Cinque Stelle kürzlich verlassen hatte. Di Maio sagte am Donnerstag, Conte habe seit Monaten geplant, die Regierung zu verlassen.
Viele, die in der Partei geblieben sind, fordern Conte nun auf, einen Rückzieher zu machen. Doch damit würde die Parteiführung endgültig ihr Gesicht verlieren. «Und jetzt sollen wir nach all dem Schlamassel Mario Draghi erneut das Vertrauen aussprechen? Wollt ihr uns verarschen?», zitiert La Repubblica ein «hohes Tier» der Partei. Das Chaos, das Unbehagen und die Nervosität in der Partei sind mit Händen greifbar.
Die Cinque Stelle haben nun fünf Tage Zeit, um ihre Haltung zu überdenken – und eventuell zu revidieren. Dass Staatspräsident Sergio Mattarella den Rücktritt Draghis vorläufig abgelehnt hat, deutet darauf hin, dass er noch nicht alles für verloren gibt.
Doch selbst wenn Conte zurückkrebste: Das Vertrauen ist verloren. So kann man nicht regieren. Draghi ist kein «Hin-und-her-Politiker». Er hat klar gesagt, wenn die Cinque Stelle in der Regierungskoalition nicht mehr am gleichen Strick ziehen, dann werde er gehen. Er wäre einer der ganz wenige Politiker, die mit erhobenem Haupt abtreten.
Draghi galt als Garant für eine konstruktive, seriöse Politik. Er genoss nicht nur das Vertrauen der meisten Italienerinnen und Italiener, sondern auch jenes des Auslandes, der Wirtschaft, der Investoren. Nach all den chaotischen italienischen Politjahren, in denen es vor allem immer um das Ego der Politiker ging, war Draghi ein Labsal für das Land.
Nicht zu vergessen: Mario Draghi hatte vor anderthalb Jahren das Amt des Ministerpräsidenten übernommen, weil ausgerechnet der damalige Regierungschef Giuseppe Conte ein Chaos angerichtet hatte und nicht fähig war, ein Programm zur Verteilung der EU-Milliarden auszuarbeiten.
Mario Draghi, der parteilose ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank, hatte das Amt des Ministerpräsidenten nicht gesucht. Er wurde auf Knien darum gebeten, um das von Conte angerichtete Schlamassel zu beenden. Draghi sagte zu, unter der Bedingung, dass er eine Art Regierung der «Nationalen Einheit» bilden könne. Alle grossen Parteien machten mit: Die Lega von Matteo Salvini, die Sozialdemokraten von Enrico Letta, die Cinque Stelle von Giuseppe Conte und «Forza Italia» von Silvio Berlusconi. Einzig die postfaschistischen «Fratelli d’Italia» blieben in der Opposition.
Draghi machte deutlich, wenn eine der Koalitionsparteien nicht mehr am gleichen Strick zieht, dann werde er zurücktreten. Das tat er jetzt.
Und die Cinque Stelle sind verantwortlich für den Wirrwarr, der jetzt auf Italien zukommen könnte.