
Er gehörte zu den wichtigsten deutschsprachigen Schriftstellern der Nachkriegszeit. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, so mit dem Johann-Peter-Hebel-Preis, dem Gottfried-Keller-Preis und dem Grossen Schillerpreis. Breite Wirkung erzielte Bichsel mit seinen Kolumnen.
Das provinzielle, fast dörfliche Solothurn war sein Ort. In der Altstadt an der Aare scheint die Zeit stillzustehen, aber das täuscht natürlich. Sie steht nirgends still, und Bichsel, der sie hier gern beim Rotwein im «Kreuz» verstreichen liess, fühlte ihr den Puls. Die Region am Jurasüdfuss ist ein literarischer Landstrich. Robert Walser und Gerhard Meier haben hier geschrieben und jenen Raum der Worte geschaffen, in dem Peter Bichsel zu seiner Sprache gefunden hat.
Unter dem ungewöhnlichen Titel «Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen» erschien im Jahr 1964 im Oltener Walter Verlag eine schmale Sammlung von Kurzgeschichten. Bichsels unverwechselbare Diktion war gleich mit diesem ersten literarischen Erfolg gesetzt: eine lakonische, vordergründig einfache Sprache, die nicht eigentlich beschreibt, sondern in die Dinge eindringt.
Die kurze Form blieb Bichsels Domäne. Seine Sache war die sprachliche Verdichtung. Undenkbar, dass er je weitschweifig geschrieben oder geredet hätte. Tatsächlich hat er auch so gesprochen, langsam und mit Pausen. Bichsels Texte waren nicht reduziert oder eingekocht, sein Denk- und Schreibprozess führte ohne weite Umwege zu diesen Sätzen, denen nichts fehlt und an denen nichts Überflüssiges ist.
Bichsels literarische Verwandtschaft mit den Schweizer Vorgängern Robert Walser und Gerhard Meier äussert sich im gemeinsamen Hang zur Knappheit und Konzentration. Kann sein, dass da eine regionale Charakteristik der Wortkargheit hereinspielt. Stärker noch zeigt sich in Bichsels Schreiben die Verbindung mit dem alemannischen Geist eines Johann Peter Hebel, des räsonierenden und alltagsnahen badischen Aufklärers, dessen fein gedrechselte und nicht selten fein sarkastische Geschichten Bichsel sehr geliebt hat.
Das Aufklärerische ist das hintergründige Programm in Bichsels politischen und gesellschaftskritischen Kolumnen. Sie bilden einen Grossteil seines Werks, und sie stehen sprachlich auf dem gleichen Niveau wie seine vielfach ausgezeichneten literarischen Arbeiten. Während zehn Jahren war Bichsel Redenschreiber und Berater von Willy Ritschard, des Büezers im Bundesrat. Er hat ihm zu seiner Sprache verholfen, die ein grosses Echo fand, weil sie immer auf dem Punkt und ganz authentisch seine eigene war – ein Ergebnis uneitler Unterstützung und echter Freundschaft.
Bichsels Kolumnen sind aus dem öffentlichen Diskurs und der politischen Schweiz nicht wegzudenken. Kaum jemand hat wie er immer wieder den Kern der Debatten benannt und auf die vergessenen Hauptsachen hingewiesen – mit klaren, vollendeten Sätzen und im unverwechselbaren Bichsel-Sound.
Diese Stimme wird jetzt fehlen.