Alarmierende „Studien“ und ideologische Thesen suggerieren, die Spaltung zwischen Arm und Reich wachse laufend. Der Wissenschaftsmarkt in der Schweiz arbeitet mit Facts (Daten) und lieferte ganz andere Resultate. Das Ganze ist wohl ein weiterer Akt im Theaterstück „Staatliche Umverteilung oder liberaler Arbeitsmarkt“.
Die Schweiz ist nicht Amerika (USA)
In diesem Beitrag geht es um die Situation in der Schweiz. Der Unterschied ist wichtig, denn während Daten zur Lage in den USA dort tatsächlich auf eine spürbare Zunahme der Ungleichheit hinweisen, sieht die Situation hierzulande etwas anders aus. In der Schweiz spielen Einkommenssteuer-Progression, Vermögenssteuern und das ausgleichende System der AHV-Beiträge eine dämpfende Rolle.
Ein Ideologe spaltet die Gesellschaft
Ein Ideologe mit gutem Draht zu den Medien wird nicht müde, seine Sicht der Spaltung zwischen Arm und Reich auf der Welt zu verbreiten. Thomas Piketty („Das Kapital im 21. Jahrhundert“ und „Kapital und Ideologie“) warnt eindringlich vor einer Katastrophe: Der Kapitalismus droht die Gesellschaften zu zerreissen. Unfreiwillig verrät schon der Buchtitel seines neuen Werks viel über dessen Autor. Da schreibt ein überzeugter Anti-Kapitalist und politischer Aktivist private Thesen gekonnt und aufsehenerregend nieder. Ob es sich dabei um „ein unverzichtbares Buch, um die Welt zu verstehen“ handelt, dieses Urteil ist Leserinnen und Lesern überlassen. Vieles stimmt, was er recherchiert hat, jedoch fehlt ebenso vieles, was zu einer ganzheitlichen, ausgewogenen Beurteilung der aktuellen Weltlage beitragen würde.
Letztlich benutzt er die Forschung, um seine politische Agenda für viel mehr Umverteilung zu untermauern.
Zu dieser Neuerscheinung schreibt Beat Kappeler in der NZZ am Sonntag: „Für ein Werk, das eine grosse Wende anstossen will, bleibt es bei einer ermüdenden Addition von Einzelbeispielen und unlogischen Rezepten. Dem Professor kommt die Ökonomie abhanden.“ Und der Kommentator der NZZ meint zu Pikettys kapitalem Werk: „Er bietet einen faszinierenden historischen Bogen – und ein hanebüchenes Programm zur Überwindung von Privateigentum und Ungleichheit.“
Der Kampfruf „Ungleichheit“ fasziniert
Wer nach der Piketty-Lektüre nicht gleich mit der Faust auf den Tisch haut und murmelt „genauso ist es“, sondern sich fragt, wie die Lage in der Schweiz tatsächlich sei, findet in Florian Scheuer (40), Professor an der Universität Zürich jenen vergleichsweise jungen Wissenschaftler, der sich der Thematik annimmt, inwieweit sich wirtschaftliche Ungleichheit und eine optimale Steuerpolitik auswirken. Im Interview in der NZZ weist er darauf hin, dass die Verteilung der Einkommen in der Schweiz erstaunlich ausgeglichen ist. Entsprechende Statistiken der World Inequality Database geben ihm Recht. „In diesem Sinne geht es in der Schweiz gerechter zu. Das ist eine Erfolgsgeschichte.“
Scheuer plädiert dafür, wenn nötig die Einkommenssteuern noch etwas progressiver zu gestalten. Gleichzeitig weist er auf das sehr stark progressive Element bei der Finanzierung der AHV hin: Arbeitnehmer und Arbeitgeber führen 11 Prozent des Bruttolohns ab. Auch Grossverdiener zahlen also auf ihrem ganzen Erwerbseinkommen AHV-Beiträge, obwohl die Beiträge über einem bestimmten Schwellenwert die Rente nicht mehr erhöhen, sondern reinen Steuercharakter haben. Diese Schwelle liegt derzeit bei einem AHV-Einkommen von knapp 85’000 Fr. pro Jahr.
Die Illusion einer zusätzlichen Reichtumssteuer
Bekanntlich steht die 99-Prozent-Initiative der Jungsozialisten im Raum. Der Ökonom Christoph Schaltegger (Universität Luzern) zweifelt an der Logik einer zusätzlichen Reichtumssteuer (TA). Tatsächlich generiert heute das eine Prozent der Steuerpflichtigen mit einem Reineinkommen von über 322’000 Franken 23 Prozent der Einkommenssteuern, während am andern Ende der Skala 50 Prozent der Steuerpflichtigen zusammen nur für 11 Prozent der Einkommenssteuern aufkommen.
In der gleichen Studie der Universität Luzern zeigt sich auch, dass über die letzten hundert Jahre gesehen, das bestverdienende Prozent vor Steuern immer ungefähr zehn Prozent des gesamten Einkommens erhielten. „Ein steigender Trend zu einer immer höheren Einkommenskonzentration wie in den USA lässt sich in der Schweiz nicht ausmachen.“
In diesem Zusammenhang wird wieder einmal sichtbar, dass die Umverteilung via Steuerprogression in der Schweiz schon heute ein erhebliches Ausmass erreicht. Ob also die Steuerbelastung der Grossverdiener als zu tief beurteilt wird, hängt offensichtlich von der politischen Grundhaltung ab.
Industrie der Ungleichheitsbewirtschaftung
Wer sich heute fragt, warum die Behauptung „Die Schere zwischen den Reichen und den Armen öffnet sich immer weiter“ medial oft so wenig hinterfragt verbreitet wird, dürfte früher oder später zur Ansicht gelangen, dass da eine besonders krasse Form des Populismus Triebfeder sein muss. Offensichtlich ist zusätzlich zu den altbekannten Formen Populismus von rechts, Populismus von links, Populismus der Angst neu der Populismus des Neids dazugekommen. Allen gemeinsam ist, dass Politikerinnen und Politiker ihre entsprechende Kunstform entwickeln, um gehört und gelesen zu werden. „Sie klagen wahlweise über eine Umverteilung von unten nach oben, über eine neue Klassengesellschaft oder die Gier des oberen einen Prozents, das sich aus der demokratischen Gesellschaft der 99 Prozent verabschiedet habe.“ (NZZ)
Abschliessend fragen wir uns vielleicht, warum eine Gesellschaft der Gleichheit mit möglichst geringer Einkommensverteilung der anderen, jener mit grösserer Ungleichheit, überlegen sein sollte? Ist nicht jeder Mensch unterschiedlich talentiert und ist folglich nicht dessen Einmaligkeit faszinierend und staunenswert? Der populistische Ruf nach immer „gleicheren“ Behandlung unterschiedlicher Individuen erscheint in diesem Licht eher wie ein (durchschauter) Propagandaruf für den Aufbau einer Jüngerschaft für persönliche politische Ambitionen („Partei der Gleichheit – PdG?“).