Optimisten wiegeln ab, doch Pessimisten befürchten, dass Donald Trump jene Drohungen wahrmachen wird, die er im Wahlkampf geäussert hat. Bereits betroffen sind jedenfalls Bundesbesamte und frühere Amtsinhaber, und demnächst dürften es auch Medienschaffende sein.
«Schluss mit der Empörung!» schreibt in der «Los Angeles Times» Kulturkritikerin Mary McNamara: «Um mit Trump klarzukommen, ignoriere, was er sagt und schaue, was er tut.» Ihr Rat, Worte zu ignorieren und auf Taten zu warten, ist seit der Präsidentenwahl vom 5. November in den USA und im Ausland für einige zu einem geflügelten Wort geworden. Doch längst nicht alle Leute mögen die Empfehlung befolgen, weder in Amerika noch anderswo.
Immerhin hat Donald Trump seit seiner Amtseinführung am 20. Januar bereits etliche seiner mündlichen Versprechen wahr gemacht, auch wenn mutmasslich nicht alle seiner Erlasse wie etwa die Aufhebung des automatischen Bürgerrechts für in den Vereinigten Staaten Geborene einer juristischen Überprüfung durch Gerichte werden Stand halten können. Schon früh im Wahlkampf versprach er seiner Anhängerschaft: «Ich bin eure Vergeltung», und gelobte, «den Deep State völlig auszulöschen». Noch eine Woche, bevor er den Amtseid ablegte, repostete er in den sozialen Medien ein Meme, das fordert, Strafverfolger, die ihn beschuldigt hatten, müssten «mit Berufsverboten belegt, angeklagt und aus ihren Ämtern entfernt» werden.
Vor allem Wahlhelfer, die 2020 an der von Trump verlorenen Wahl beteiligt waren, fühlen sich bedroht. «Die Leute überlegen sich, ob sie Bargeld zur Hand haben, ihre Pässe gültig sind, falls sie in ein anderes Land gingen, welches Land das wäre und wie sie dort ihren Lebensunterhalt verdienen könnten», zitierte die «Washington Post» eine Wahlverantwortliche nach Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen.
Auch hat Donald Trumps Vorgehen, seit er im Amt ist, nicht dazu beigetragen, besorgte Gemüter zu beruhigen. So sind im US-Justizministerium 15 erfahrene Karrierebeamte entlassen und die Sicherheitsgenehmigungen von 50 früheren Regierungsangehörigen, unter ihnen Aussenminister Mike Pompeo, widerrufen worden. Ferner sind letzte Woche zahlreiche Generalinspektoren, die in den Ministerien etwa für den Schutz von Whistleblowern zuständig sind, gefeuert worden. Dagegen lässt das Weisse Haus verlauten, Befürchtungen vor Vergeltung durch den neuen Amtsinhaber seien unbegründet: «Präsident Trump hat wiederholt gesagt, dass Erfolg seine Vergeltung sein wird.»
Der Aussage widersprechen Äusserungen jenes Mannes, den Trump als Direktor des FBI nominiert hat und dessen Bestätigung durch den Senat noch aussteht. In seinem 2023 erschienenen Buch «Government Gangsters» publizierte Kash Patel, ein eingefleischter Wahlleugner, eine Liste von Bundesbeamten, die er dem «deep state» und den Feinden des 47. Präsidenten zurechnet. In einem Fernsehinterview auf Patel angesprochen, antwortete Trump Folgendes: «Wenn sie denken, dass jemand unehrenhaft, ein Gauner oder ein korrupter Politiker ist, dann glaub’ ich, hat er (Patel) eine Verpflichtung, das zu untersuchen.»
Eine Wahlverantwortliche in Michigan, Mutter eines vierjährigen Sohnes, erzählt, einen Monat nach dem Urnengang am 5. November seien zwei Dutzend Demonstranten, einige unter ihnen bewaffnet, vor ihrem Haus aufgekreuzt. Seither hat die 47-Jährige einen Notfallkoffer gepackt: «Ich überlege mir jetzt, wie ich als Mutter mein Kind darauf vorbereiten kann, dass irgendwann FBI-Agenten bei uns an der Türe klingeln.»
Besorgnis macht sich auch innerhalb Amerikas Medien breit, die Donald Trump wiederholt als «Volksfeinde» bezeichnet hat. «Wir werden jene Leute in den Medien verfolgen, die Amerikas Bürgerinnen und Bürger belogen und Joe Biden geholfen haben, die Präsidentenwahl zu manipulieren», hat der allenfalls künftige FBI-Direktor Kash Patel in einem Podcast gesagt: «Ob straf- oder zivilrechtlich, sei noch dahingestellt.»
Medienanwälte befürchten, dass Donald Trump mehr Journalistinnen und Journalisten vorladen lassen und fadenscheinige Klagen, gerichtliche Anordnungen sowie Durchsuchungsbefehle anstrengen wird, um Unterlagen, Arbeitsgeräte und Quellenmaterial zu beschlagnahmen – ein Vorhaben, dem auf Bundesebene im Justizministerium nichts im Wege steht.
Doch Medienschaffende befürchten nicht externen, sondern zunehmend auch internen Druck auf Zeitungsredaktionen, auf Verlage und Rundfunkanstalten – zu Recht, wie jüngste Entwicklungen zeigen. Bereits vor der Präsidentenwahl haben die Besitzer von «Washington Post» und «Los Angeles Times» in vorauseilendem Gehorsam Leitartikel unterdrückt, die Kamala Harris als Kandidatin unterstützten. Unlängst hat die «Post» zudem eine Trump-kritische Karikatur nicht publiziert und die «LA Times» angekündigt, MAGA-freundlicher zu werden. In beiden Verlagen kam es zu Abo-Abbestellungen und einem Exodus profilierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Derweil hat CNN, im Besitz des Mediengiganten Warner Bros., seine Trump-Berichterstattung jüngst entschärft, einen prominenten Moderator zur Seite gedrängt und einen eingefleischten MAGA-Anhänger und Wahlleugner als Kommentator engagiert. ABC News, die dem Disney-Konzern gehören, legte einen fadenscheinigen Rechtstreit mit Donald Trump bei und zahlt 15 Millionen Dollar an seine künftige präsidiale Bibliothek.
Derweil hat der Chef des liberalen Fernsehsenders MSNBC privat diskutiert, wie er die Berichterstattung seiner Anstalt Republikaner-freundlicher gestalten könnte. CBS News, im Besitz von Paramount, hat angeblich aus Furcht eines Vetos aus dem Weissen Haus zu einem geplanten Merger diskutiert, eine andere dreiste Klage des Präsidenten aussergerichtlich beizulegen.
Ausserdem hat Mark Zuckerberg auf den Plattformen Facebook und Instagram seines Meta-Konzerns den Faktencheck abgeschafft, was es Usern ungestraft erlaubt, Andersdenkende, Migranten oder Minderheiten zu beleidigen. Elon Musk hat Twitter in eine Kampfzone namens X verwandelt und Google Donald Trumps Konto auf YouTube reinstalliert, während TikToks Zukunft in den USA in der Schwebe ist.
«Die kumulative Wirkung ist überwältigend», schreibt Medien-Journalist Oliver Darcy in seinem «Status»-Newsletter: «Milliarden von Menschen weltweit stehen davor, in den nächsten vier Jahren Nachrichten und Informationen zu konsumieren, die auf ihre Weise viel Trump-freundlicher sind, während der Präsident eine noch nie dagewesene Bedrohung für Amerikas demokratische Prinzipien verkörpert.»
Fragen stellen sich auch die Korrespondentinnen und Korrespondenten etablierter Medien im Weissen Haus. Werden sie oder zumindest noch einige unter ihnen nach wie vor direkten Zugang zur Exekutive haben, nachdem Trumps Pressesprecherin Karoline Leavitt diese Woche angekündigt hat, künftig mehr unabhängigen Influencern, Bloggern und Angehörigen «neuer Medien» Zugang zum «Briefing Room» zu gewähren: «Das Weisse Haus unter Trump wird mit allen Medien und Persönlichkeiten sprechen, nicht nur mit den etablierten Medien, die hier im Raum sitzen.» Der Briefing Room zählt 49 Sitze plus Stehplätze.
Auf jeden Fall liess Leavitt bei ihrer ersten Pressekonferenz keine Zweifel aufkommen, dass sie die loyale Stimme ihres Herrn ist, der in ihren Augen nichts falsch machen kann und dessen Politik frei von persönlichem Groll und allein zum Wohle Amerikas ist – Ausführungen, die sie mit einigen Spitzen an die Adresse Joe Bidens spickte, der nichts auf die Reihe gekriegt und im ersten Stock des Amtssitzes wohl lieber geschlafen habe.
Wohl nicht umsonst hat Karoline Leavitt auch gesagt, dass Donald Trump aufgedeckt habe, dass die Medien im Wahlkampf «unglaublich feindlich und Fake News» seien und dass der Ausgang des Urnengangs zeige, dass das amerikanische Volk «den Lügen (etablierter Medien)» nicht mehr glaube. Unterwegs mit dem Kandidaten hatte die 27-Jährige, die jüngste Pressesprecherin in der Geschichte des Weissen Hauses, auch verraten, sie habe das grosse Vergnügen, «gegen die Fake News Media den ganzen Tag und jeden Tag zu kämpfen».
Peter Baker, der altgediente Reporter der «New York Times» im Weissen Haus, glaubt aber kaum, dass es Donald Trump in seiner zweiten Amtszeit gelingen wird, seriöse Journalistinnen und Journalisten, auch mit Drohungen, hinter sich zu zwingen: «Es wird uns nicht davon abhalten, rigoros und fair zu berichten und hartgesottenen Journalismus zu machen. Wir werden vorbereit sein auf alles, was geschieht. Wir sind bereit, unseren Job zu tun.»