Freedland gehört zur Führungsgruppe des liberalen britischen „The Guardian“ und spricht auch Kommentare bei der BBC. Ferner schreibt er politisch grundierte Thriller zu amerikanischen Themen, die er als langjähriger US-Korrespondent bestens kennt.
Die Thriller laufen als Bestseller mit hoher Auflage unter dem Pseudonym Sam Bourne. Der Text setzt ein mit einem nächtlichen Alarmruf aus dem Situationsraum des Weissen Hauses. Ein Leutnant weckt den Stabschef des Präsidenten: Der Präsident hat soeben den Befehl erteilt, Nordkorea zu bombardieren … Der entsetzte Stabschef fragt zurück: „Greift uns denn Nordkorea an?“
Nein. Pyongyang hat etwas Freches gesagt, das den Präsidenten empört. Jetzt hört man ihn im Situationsraum brüllen: „Ich bin der Oberbefehlshaber, verdammt nochmals, und das ist ein Befehl …“ Der Stabschef – alle Namen sind fiktiv, aber die Funktionen entsprechen genau dem Organigramm des Weissen Hauses – konspiriert in aller Eile mit seinem alten Freund, dem Verteidigungsminister; sie erfinden unverzüglich ein beruhigendes Folgetelegramm aus Nordkorea, das unterwegs sei. So können sie den Bombeneinsatz aufschieben. Aber sie sind schon unterwegs zum Leibarzt des Präsidenten und wollen diesen dazu überreden, den Chef für geistesgestört und amtsunfähig erklären zu lassen. Unmittelbar darauf wird der Leibarzt mit einer Kugel im Kopf tot aufgefunden: „Angeblich Selbstmord.“
Nach und nach tritt weiteres Personal in kurzen Kapiteln auf. Maggie, eine hochgebildete Rechtsberaterin des Präsidenten, die seinem liberalen Vorgänger nachtrauert; der politische Hauptberater Mac, eine Art skrupelloser Rasputin des Präsidenten; Maggies Liebhaber Richard, noch unten auf der Personal-Rangleiter des Weissen Hauses. Inzwischen haben Verteidigungsminister und Stabschef beschlossen, den Präsidenten als Gefahr für Amerika und Weltfrieden ermorden zu lassen. Ein Absetzungsverfahren würde ohnehin zu lange dauern.
Während sich dieser Plan konkretisiert und ein dem Verteidigungsminister treuergebener Scharfschützen angeheuert wird, schöpft Maggie Verdacht. Sie hat detektivisches Gespür und findet Ungereimtes beim angeblichen Selbstmord des Leibarztes. Nachts stösst sie auf verdächtige Dokumente im Smartphone des neben ihr schlafenden Freundes Richard. Maggie, die vom Mordplan gegen den Präsidenten noch nichts Genaueres ahnt, gerät nun selber in Gefahr. Sie weiss zu viel. Sie forscht zu viel. Jemand manipuliert ihr Auto, fixiert eine hohe Geschwindigkeit, schneidet die Bremskabel durch. Maggie überlebt. Beim Studium der Tagespläne des Präsidenten stösst sie, überzeugte und vielleicht naive Gegnerin von Gewalt, auf Gefahrenpunkte. Spät will sie ein jetzt auch laut ihr bis fast zur Gewissheit gereiftes Attentat verhindern. Wer bis hier – aber noch nicht zu Ende – gelesen hat, soll von dieser Rezension nicht aus der Spannung gerissen werden.
Maggie konfrontiert Mac, den Rasputin des Präsidenten, mit ihren Vermutungen und setzt sich Macs freimütiger ideologischer Beichte aus. Freedland zitiert aus dem Vokabular des weiterhin ungenannten Präsidenten Trump bis in die Verachtung der Drittwelt-Kulturen hinein.
Alles wird auf Machthunger zurückgeführt – und auf die Lust, durch Kampagnen erworbene Macht auch zu gebrauchen. Je mehr er Macht durch seine Vertrauten ausübe, desto mehr fliesse sie ihm zu. „Ich gebe ihm, was er will, mit seinem Einverständnis“, schliesst Mac kühl. Nicht ohne eine raffinierte erzählerische Pointe aus dem Watergate-Skandal (1972/1974) einzubauen, die zu Richard Nixons Rücktritt als Präsident kurzschliesst. Eine letzte drastische Warnung an Maggie. „Versuche nicht, einen Spieler zu überspielen.“ Alles würde bestritten. Nichts ist dokumentiert. Spannend, hintergründig, brillant erzählt.
Sam Bourne (Jonathan Freedland): Der Präsident. Orell Füssli, Zürich 2017. Taschenbuch, ca. CHF 11.00