Zur Erinnerung: Schon einmal haben wir über diese Materie abgestimmt: Am 11. März 2012 haben Volk und Stände mit deutlichem Mehr dem neuen Geldspielgesetz zugestimmt. Man war sich mehrheitlich einig, dass Geldspielen ab und zu Millionäre, öfter aber Spielsüchtige macht und zudem die Geldwäscherei fördert. Deshalb stellte der Staat Regeln auf, gegen die nun das Referendum ergriffen wurde.
„Für Geldspiele im Dienste des Gemeinwohls“
„Jungfreisinnige, Junge GLP und Junge SVP bekämpfen also gemeinsam das bevormundende und rückständige Gesetz und ergreifen das Referendum.“ So begründen die Initianten ihren Protest: „Das Geldspielgesetz wirft unser Land in Sachen Digitalisierung um Jahre zurück und schränkt unsere Wettbewerbsfähigkeit ein.“ Noch bevor sich das Stimmvolk näher mit diesem Anliegen befasst, stellt es sich wohl die berechtigten Fragen, was Geldspiele mit Gemeinwohl, was die schon immer staatlich regulierte Branche mit unserer Wettbewerbsfähigkeit zu tun hätten und warum unser Land ausgerechnet in Sachen Digitalisierung zurückgeworfen würde. Wenn wir schon beim Fragestellen sind: Warum haben ausländische Firmen diese NEIN-Propaganda mitfinanziert? Woher kamen die Millionen Schweizer Franken zu deren Finanzierung? Dazu äusserte sich schon im März dieses Jahres der Politologe Silvano Moeckli, em. Professor der Universität St. Gallen im TA: „Wenn jemand mit Geld Einfluss nehmen wolle, seien Abstimmungen interessanter als Wahlen“. Diese Regel, allerdings, gilt nicht nur für ausländische Sponsoren…
Freiheit, die ich meine
Eines der Hauptargumente der Gegner des geplanten Gesetzes ist gewichtig. Die geplante Einführung von Netzsperren für ausländische Glücksspielanbieter verstösst nach ihrer Meinung gegen die Freiheit des Internets und damit gegen die Informationsfreiheit. Dass man deshalb gleich von der Schweiz als Zensurstaat reden muss, ist wohl etwas übertrieben. Die Befürchtungen, dass damit nur ein Anfang gemacht und weitere Zensurbereiche oder Informationswebsites folgen könnten, wird vom Bundesamt für Justiz (BJ) klar verneint: Mit der Sperrung des Netzzugangs zu einem Glücksspiel werden niemandem Informationen vorenthalten und niemand wird daran gehindert, seine Meinung frei zu äussern“ , lautet die Antwort des BJ auf dem mehrseitigen Informationsblatt im Internet (Fragen und Antworten zum Gelspielgesetz).
Die Frage, ob Netzsperren generell für einen politischen Sinneswandel stehen, wie befürchtet wird, ist wohl von Aussenstehenden schwer zu beantworten, jedenfalls wäre einer digitalen Abschottungspolitik tatsächlich entgegenzutreten. Persönlich sehe ich dafür jedoch keine Anzeichen – da sind Online-Glücksspiele wohl doch etwas allzu sehr ein „Nebenspielschauplatz“. Wenn heute alle Welt über die Freiheiten im Internet im Zusammenhang mit den Sozialen Medien spricht, bewegen wir uns doch in einer ganz anderen Kategorie. Die Manipulation von Meinungen und Abstimmungen – ein Phänomen, von dem die Politik in echten Demokratien auf dem falschen Bein erwischt wurde, ist schwerwiegend und Massnahmen dagegen in weiter Ferne. Doch dies hat mit der Einführung eines revidierten Glücksspielgesetz in der Schweiz reichlich wenig zu tun.
Ob uns mit diesem vorgesehenen Gesetz weitere Freiheiten abhandenkommen, ich meine nein. Auch aus liberaler Perspektive muss unterschieden werden, wo Marktzugangsverbote am Platz sind und wo nicht. Der Geldspielmarkt war noch nie ein freier Markt. Zum Schutz vor Betrug, Spielsucht und anderen Gefahren kennen 17 Länder europaweit auf ein solches System der Regulierung.
Woher das Geld für die Abstimmungskampagnen?
Die Freiheit des Internets ist in diesem Fall – wie oben beschrieben – relativ und persönliche Ansichtssache. Bleibt die Frage, woher die Exponenten der NEIN-Kampagne, also die jungen Politiker der etablierten Parteien, das viele Geld aufbringen für die massive Medienpräsenz. Denn es geht tatsächlich um viel Geld. Economiesuisse unterstützt zwar die NEIN-Parole, kommunizierte jedoch noch im Februar 2018, dass es von ihm kein Geld für die Kampagne gäbe. Sowohl die NEIN- als auch die JA-Kampagnenführer reagieren auf entsprechende Anfragen wider besseres Wissen mit Sprüchen wie „über die finanziellen Mittel kann zu diesem Zeitpunkt noch keine Auskunft gegeben werden“.
Wer im Nebel versucht, die Orientierung zu behalten, erhält kontroverse Informationen. Das NEIN-Lager hätte wohl zwei bis drei Millionen Franken in der Kasse, meinen die Befürworter. Ihnen selbst wird die gleiche Summe zugetraut, was wohl angesichts der potenten Interessen (Casinos, Lotteriegesellschaften Swisslos und Lotterie Romande) plausibel sein dürfte. Swisslos (im Besitz der Deutschschweizer Kantone) jedenfalls war bei der Ausarbeitung des neuen Gesetzes mitprägend… Wieweit da Gelder involviert sind, die eigentlich für gemeinnützige Zwecke (Swisslos) reserviert wären, who knows? Umgekehrt darf man sich fragen, welche Summen durch ausländische Anbieter von Onlinegeldspielen überwiesen wurden, nachdem bekannt wurde, dass diese das Zustandekommen des Referendums erst ermöglicht hatten. Gemäss „10 vor 10“ steckt die „European Gaming and Betting Association“ dahinter, ein Verband europäischer Online-Spielbuden. Dass sich ausgerechnet der Chef von Interwetten (grösster ausländischer Anbieter von Onlinewetten) berufen fühlt, das umstrittene Geldspielgesetz als „peinlich“ zu qualifizieren ist vor diesem Hintergrund entlarvend.
Warum überhaupt ein neues Gesetz?
Wer Geldspiele betreibt, zahlt Abgaben – auch die Anbieter von Online-Geldspielen sollen davon nicht ausgeschlossen werden. Damit diese Regeln nach Schweizer Recht durchgesetzt werden können, braucht es dieses neue Geldspielgesetz, sagt das BJ. Heute fliessen rund eine Milliarde Franken jährlich von Lotterien und Casinos in die Töpfe AHV, Sport, Kultur und Soziales. Auch unzählige gemeinnützige Organisationen profitieren von diesem Geldsegen. Allein 2016 erhielten rund 17‘000 solcher Projekte zum Teil substantielle Geldspritzen. Ein weiteres JA-Argument: Um die Spielsucht zu bekämpfen, müssen neben den Spielbanken auch die Lotteriegesellschaften spielsüchtige Personen vom Spielbetrieb ausschliessen. Und nicht ganz unwesentlich: Der Geldspielmarkt ist gemäss der Schweizerischen Bundesverfassung staatlich reglementiert. Dazu gehört wohl auch das Internet.
Dam Geldspielgesetz haben Bundesrat, National- und Ständerat, sowie die Kantone zugestimmt.