Er wäre ohnehin allein gefahren zu diesem Vatikan-Termin. Niemand in Frankreich hätte sich gewundert, dass Präsident François bei Papst Franziskus ohne weibliche Begleitung erscheint, just an seinem Namenstag, an dem er dem Papst mit dem gleichen Namen dann auch noch ein seltenes Werk über Franz von Assisi als Gastgeschenk mitbringen sollte. Franzen's Feste in Rom.
Valérie Trierweiler, seine Gefährtin oder sein „girl friend“, wie diese sauberen amerikanischen Freunde gerne so despektierlich schreiben, unter einem schwarzen Spitzenschleier, wie einst Bernadette Chirac an der Seite ihres ebenfalls nicht sonderlich sittenstrengen Mannes, zudem noch unterwürfig und mit gebeugtem Rückgrat vor dem Heiligen Vater – all dies war ohnehin unvorstellbar. Niemand hätte sich irgendwas gedacht, Frankreichs Präsidenten alleine in den Vatikanstaat reisen zu sehen, wenn da nicht die Geschichte mit dem Motorroller und dem Helm gewesen wäre, dessen Modell inzwischen in allen Motorradgeschäften ausverkauft ist.
Schlechtes Timing
Jetzt lag er plötzlich verdammt ungeschickt, dieser offizielle Besuch im Vatikan. Der internationale und der amouröse Terminkalender des französischen Präsidenten passten an diesem Freitag denkbar schlecht zusammen. Eine Schmutzfahne der Klatschblätter, die sich über sein Liebesleben ausgebreitet hatten, bei einer offiziellen Papstvisite hinter sich her zu ziehen, macht auch für einen französischen Präsidenten nicht gerade einen schlanken Fuss - Wahrung der Privatsphäre hin oder her.
Wahrscheinlich, so sagte sich François Hollande, hat jetzt die ganze verstaubte Kurie, deren Mitglieder all das, was ich mir da in den letzten Monaten geleistet habe, offiziell ja nicht dürfen. Und wahrscheinlich hat sie diese Regenbogenpresse - Closer, Voici, VSD und wie sie alle heissen - unter ihren Kopfkissen liegen.
Vorlesung über Laizismus?
Auch egal. Die halbe Stunde Audienz werde ich, nach allem, was ich in den letzten Tagen am Hals hatte und was mir bei meiner Rückkehr noch bevorsteht, auch noch über die Bühne bekommen - und wenn der Papst mich auf diese Petition anspricht, die über hunderttausend französische Katholiken unterschrieben haben, weil ich sie angeblich schlecht behandelt habe und sie sich von mir nicht respektiert fühlen wegen Homo-Ehe und einem möglichen Gesetz über Sterbehilfe, dann werde ich einfach schweigen - oder aber diesem Papst eine kurze Vorlesung über Laizismus halten.
Und überhaupt, mein Namensvetter braucht mir wirklich nicht mit Moral kommen. War da nicht gerade rechtzeitig vor meinem Besuch bekannt geworden, dass Franziskus' Vorgänger Benedikt rund 400 Priester wegen nicht korrektem Sexualverhalten in die Wüste geschickt hatte? Wegen Pädophilie und ähnlichem? Wie will Franziskus mir, dem französischen Franz, da noch irgendwelche Vorwürfe machen, weil ich mit Helm bewaffnet des Nachts auf einem Zweirad in die bis dahin wenig bekannte Pariser Rue du Cirque, in die Strasse des Zirkus, gesteuert bin, um einer Frau meine Aufwartung zu machen, die nicht offiziell an meiner Seite lebt?
Allein in den sauren Apfel beissen
So oder so, in einer halben Stunde ist alles vorbei und ich kann wieder anfangen daran zu denken, wann und wie ich endlich und zum bestmöglichen Zeitpunkt die Trennung von Valérie offiziell bekannt geben kann? Mein Gott, was für ein Dinner mit ihr gestern Abend draussen in Versailles. Eine gemeinsame Erklärung im Stil von „Wir beenden in Übereinstimmung unsere gemeinsame Beziehung“, hat sie mir doch glatt verweigert, also werd ich allein in den sauren Apfel beissen müssen.
Wahrscheinlich ruf ich am Wochenende einfach die Agence France Presse an und sag denen einen lakonischen Satz. Was ich auch tue, es wird auf jeden Fall nicht zu vertuschen sein, dass ich es bin, der sie rausgeschmissen hat. Erst muss sie aber noch ihre Sachen aus dem Elysée abholen, hoffentlich macht sie das noch morgen. Wenn ich das hinter mir habe, wird vielleicht endlich Schluss sein mit dem ganzen Gerede. Obwohl. Beim Staatsbesuch in den USA in zwei Wochen, wird das Ganze noch mal aufgeheizt werden, werden alle wieder nur darüber reden, dass ich alleine neben den Obamas sitze und an meiner Seite eine Frau fehlt. Und Julie ? Irgendjemanden muss ich damit beauftragen, uns einen sicheren Ort zu finden, wo wir uns, verflucht noch mal, wieder mal sehen können .
Verklemmt
Die breiten Rücken der farbenprächtig gekleideten Mitglieder der Schweizergarde und ein Haufen Gentilhommes des päpstlichen Protokolls in schwarzen Gewändern, die Präsident Hollande heil durch das Labyrinth der vatikanischen Räumlichkeiten zum Heiligen Vater brachten, schienen den Präsidenten aus dem Land, das man gern „die älteste Tochter der römisch-katholischen Kirche“ nennt, dann doch richtiggehend beeindruckt zu haben.
Am Ende trug er jedenfalls, wie Papst Franziskus auch, eine eher versteinerte Mine zur Schau beim obligatorischen Händedruck und wirkte wie ein verklemmter Pennäler, als er nach dem Platznehmen die Fingerspitzen beider Hände auf den hoch glänzenden, immensen Tisch legte, an dem er dem Heiligen Vater gegenüber sass, welcher ein merkwürdig riesiges, weit aufgeschlagenes, weisses Heft vor sich liegen hatte, als wolle er dem französischen Präsidenten daraus gleich sein langes Sündenregister vorlesen.
Ein Staatsbesuch
Worüber die beiden dann wirklich gesprochen hatten, wurde hinterher in vatikanisch- élyséeischen Formeln geradezu erstickt. Womit aber auch die im Vorfeld immer wieder gestellte Frage, warum der Sozialist Hollande überhaupt meinte, unbedingt beim Papst vorsprechen zu müssen, weiter unbeantwortet blieb.
Es gäbe da eine gewisse Nützlichkeit, wenn es darum gehe, bestimmte Dinge in Afrika voran zu bringen, raunte es aus den Untiefen der Kommunikationsabteilung im Elyséepalst und von der gemeinsamen Sorge um die Umwelt war auch noch die Rede. Und natürlich: eine Geste in Richtung derjenigen französischen Katholiken, die sich vom Präsidenten, der das französische Volk angeblich einen wollte, vor den Kopf gestossen fühlen. Elysée- und Vatikanexegeten übertrumpften sich jedenfalls mit Spekulationen über die Hintergründe und die Tragweite dieses halbstündigen Besuchs bei dem François Hollande zumindest eines feststellen konnte: um im Vatikan zum Hausherrn vorzudringen, muss man noch wesentlich mehr Vorzimmer durchschreiten, als in seinem eigenen Elyséepalast.
Vollständig, definitiv gegen die Ehe
Dass er, der weltliche François, hinterher vom klerikalen Franzikus keine wie auch immer geartete Absolution bekommen hat, war ohnehin klar. Schliesslich wusste Franziskus ja auch von Anfang an, dass bei François, was das Sakrament der Ehe angeht, Hopfen und Malz verloren sind - der heute 59-Jährige, so hatten es die diplomatischen Berater im Vatikan dem Papst eingeflüstert, sei ganz offensichtlich gründlich, vollständig und definitiv gegen die Ehe. Dieser bieder erscheinende Hollande hat – so informierten sie den Heiligen Vater - Ségolène, die Mutter seiner vier Kinder, nie geheiratet, bei Valérie nie daran gedacht und habe sicherlich mit dieser Julie auch keine Pläne in diese Richtung .
Aber, so sagten sie dem Hausherrn im Vatikan, gewisse Überreste von einer strengen katholischen Erziehung, einschliesslich dem Internatsleben bei Jesuiten, das der junge François aus gut bürgerlichem, konservativem Haus einst in der normannischen Provinz genossen habe, seien dann doch noch vorhanden – seine vier in der Sünde gezeugten Kinder mit Ségolène Royal seien allesamt getauft!
Böse Zungen sagten, so die Papstberater weiter, dass Hollande offensichtlich, wie in seinem gesamten politischen Leben, auch in seinem privaten Bereich stets um Kompromisse bemüht gewesen sei – diese Taufen seien vielleicht einfach eine Geste gewesen, um die gestrengen Eltern auf beiden Seiten - Ségolène Royal hatte einen Offizier zum Vater - zumindest ein wenig versöhnlicher zu stimmen.
Pas de Boogie Woogie
“Wer bin ich, um über ihn zu richten”, hat sich Franziskus im Fall von François wohl gesagt, als er beim Abschied kurz, mit betretenem Blick, an den persönlichen Beziehungswirrwar seines Gastes dachte, bevor ihm einfiel, dass er derartiges jüngst ja gerade öffentlich über Homosexuelle geäussert hatte.
Beim Rückflug aus Rom hatte in der Präsidentenmaschine dann sicherlich jemand ein Chanson von Eddy Michell auf seinem iPhone und hat es verschwörerisch schmunzelnd auch die daneben sitzenden Kollegen hören lassen.
Die erste Zeile von Mitchells “Pas de boogie woogie”, an das so mancher in der Delegation während der päpstlichen Audienz hatte denken müssen, lautet: “Et le pape a dit, l'acte d'amour sans être marié est un pêché“ - bevor dann erzählt wird, wie ein Dorfpfarrer versucht, diese päpstliche Botschaft seinen Schäfchen zu vermitteln und ihnen predigt, dass zumindest vor dem Abendgebet nichts getan werden dürfe, was hier mit “Boogie Woogie” umschrieben wird...