Das neue FDP-Dokument zur Asylpolitik ist geprägt von Thierry Burkart und Damian Müller. Es setzt auf populistische Forderungen. Wird sich Widerstand regen?
Wir sind gewohnt, dass die freisinnige Partei Arbeit und Leistung schätzt. Jetzt verunglimpft ihr Präsident, Thierry Burkhard, die Arbeit, welche Asylsuchende zugunsten der Allgemeinheit leisten. Auf Twitter schreibt er über Jugendliche, die wandern und Lamas begegnen. «Es braucht einen Politikwechsel», wird er im «Tages-Anzeiger» zitiert.
Die auf einem Bild abgebildeten Jugendlichen leisteten in einem Westschweizer Dorf gemeinnützige Arbeit und dabei begegneten sie Lamas. Die Arbeiten, die z. B. von Gemeinden für Asylsuchende in den Bundesasylzentren angeboten werden, sind sehr geschätzt. Obschon es dafür bloss ein Trinkgeld gibt, ziehen es viele Geflüchtete vor, zu arbeiten und etwas Nützliches zu tun, als untätig herumzusitzen. Mit seiner Verhöhnung der Arbeit der Geflüchteten macht Thierry Burkart eine schlechte Figur.
Unrealistische Ziele
Das neue FDP-Papier zur Asylpolitik «Stopp der illegalen Migration» ist kein Meisterwerk. Bereits in der Einleitung überwiegt das Wunschdenken. Dort liest man: «Doch die grosse Mehrheit, die ohne Asylgrund einreisen will, muss künftig an der Grenze gestoppt und unmittelbar zurückgeführt werden.» Einem jungen Mann, einer jungen Frau sieht man jedoch nicht an, ob er oder sie ohne Asylgrund einreisen will. Es gilt das Recht, ein Asylgesuch zu stellen, aber es gibt kein Recht auf Asyl. Deshalb braucht es eine Befragung, eine Abklärung.
Es werden schon heute an der Grenze viele Menschen am Eintritt in die Schweiz gehindert, aber wer um Asyl nachsucht, wird einem Bundeszentrum zugewiesen – oder sollte es jedenfalls. Den nächsten Satz kann man nicht so stehen lassen: «Der Familiennachzug ist grundsätzlich strikt auf anerkannte Flüchtlinge zu begrenzen, die für den Unterhalt ihrer Familie selbst aufkommen.» Sofern anerkannte Flüchtlinge vor der Flucht in ihrem Land zusammen mit der Ehefrau und Kindern gelebt haben, dürfen sie ihre Familie nachziehen, auch wenn sie noch Sozialhilfe beziehen. So steht es im Asylgesetz.
Es wäre neu, wenn die FDP bestehende Gesetze missachten und übergehen würde. In der Herbstsession hat die FDP im Nationalrat jedoch drei Motionen der SPV einstimmig angenommen, die nicht mit unserem Recht vereinbar sind. Beispielsweise das Verbot für vorläufig aufgenommene Asylsuchende, ihre Familie in die Schweiz kommen zu lassen, auch wenn sie finanziell selbständig sind und eine angemessene Wohnung haben. Dazu ist zu bemerken, dass das Recht auf Familie von der Bundesverfassung wie von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert wird. Will sich die FDP wirklich gegen die Verfassung stellen?
Personenkontrollen wurden bereits verschärft
Im Dokument zur Asylpolitik liest man, es brauche gezielte Personenkontrollen an den neuralgischen Grenzübergängen. Insbesondere sei der Bahnverkehr an der Südgrenze stärker zu kontrollieren. Wer oft im Zug zwischen Chiasso und Lugano unterwegs ist, sieht, dass stets Grenzwächter von all jenen Personen einen Ausweis verlangen, die ein fremdländisches Aussehen haben. Zeigen sie kein gültiges Papier, werden sie abgeführt, teils auch in Handschellen.
Es folgt sodann die Einschränkung der FDP: «Schädlich hingegen wären systematische Grenzkontrollen auch für Pendler (…) sowie für Schweizerinnen und Schweizer beim Ausflug ins angrenzende Ausland. Dies würde eine unnötige, unrealistische und teure Übung darstellen, die vielen Grenzkantonen wirtschaftlichen Schaden zufügen würde.» Was heisst das nun? Gezielte Kontrollen und die Überwachung des Bahnverkehrs sind bereits vor Monaten intensiviert worden.
Schwierige bis unmögliche Rückführungen
Weiter wird scharf kritisiert, dass viele Staaten ihre von Asylbehörden abgewiesenen Landsleute nicht aufnehmen würden. Dieser Verweigerung müsse die Schweiz ihre eigene Rechtsordnung entgegensetzen. Bei den Rückführungen habe der Bundesrat viel versprochen, aber wenig getan. Im Asyldokument wird Justizminister Beat Jans nicht erwähnt, aber in Stellungnahmen der Parteispitze wird Jans oft scharf kritisiert. Hier ist jedoch anzufügen, dass der Bund mit vielen Ländern Rücknahmeabkommen abgeschlossen hat und bei den Rückführungen erfolgreicher ist als andere Schengenländer.
Doch gibt es Staaten wie Eritrea, bei denen bisher sämtliche Bemühungen abgeprallt sind. Die Rückführung in einen sicheren Drittstaat betrachtet die FDP als vielversprechende Option, doch diese Lösung, auch wenn das SEM nach einer solchen sucht, wird wohl an der Wirklichkeit scheitern. Weiter wird bemängelt, dass ein Teil der Kantone die Rückführung abgewiesener Asylsuchende wenig konsequent an die Hand nehmen würden, weshalb, der Bund den Druck auf säumige Kantone zu erhöhen habe. Das ist leicht gesagt, doch angesichts der föderalistischen Struktur der Schweiz ist der Bundesrat stets zurückhaltend, die Kantone zu ermahnen. Das Dublin-Abkommen konsequent anwenden – das ist auch der Wunsch des Bundesrats, doch seine Druckmittel, um das zu erreichen, sind beschränkt. Zudem wäre es gemäss dem Asylpaper verantwortungslos, wenn die Schweiz aus dem Dublin-System austreten würde.
Keine grundsätzliche Diskussion
Das Dokument stellt noch weitere Forderungen, das Asylgesetz strikt durchzusetzen und Missbrauch zu bekämpfen. Es ist daran zu erinnern, dass an der Delegiertenversammlung in Tenero vom 19. Oktober das Dokument «Stopp der illegalen Migration» mit 228 gegen 4 Stimmen bei acht Enthaltungen angenommen wurde. In der Diskussion, die von Ständerat Damian Müller geleitet wurde, gab es mehrere Begehren zu einzelnen Formulierungen, über die nach kurzen Wortmeldungen abgestimmt wurde.
Lediglich zwei Delegierte erhoben grundsätzliche Einwände gegen die neue Asylpolitik und bezeichneten sie als populistisch und nicht angemessen für die FDP. Sie hatten keinen Erfolg, ernteten keinen Applaus im Unterschied zum Parteipräsidenten Thierry Burkhart, welcher sich in seiner abschliessenden Rede über den eindeutigen Entscheid der Delegierten freute. So liegt die NZZ richtig mit ihrem Titel: «FDP verabschiedet knallhartes Asylpapier». Der Populismus des FDP-Präsidenten in der Asylfrage hat sich durchgesetzt. Das ist eine neue Art, Politik zu machen, für die zuvor staatstragende Partei. Gibt es kein Murren an der Basis über den neuen Trend? Bleibt die Kritik beschränkt auf einige Freisinnige, die sich aus der aktiven Politik zurückgezogen haben? Das wäre eine Abkehr von den liberalen Werten der traditionsreichen Partei.