Gerüchte jagen sich; Trumps Familienclan rückt zusammen; der Präsident fordert Loyalität im republikanisch dominierten Kongress: viele von Trump hart gescholtene Medien – New York Times und CNN vor allem – schauen spöttisch zu.
Tatsächlich ist Trump, der den „Washingtoner Sumpf“ in grosser Eile trockenlegen wollte, bisher nichts gelungen. Der oberste Gerichtshof hat seine Einwanderungssperre gegen Leute aus etlichen muslimischen Staaten abgeschwächt; der Rückruf des Sozialversicherungssystem „Obamacare“ ist im Senat gescheitert; eine Ernennung von 200 Spitzenbeamten ist erst für 50 von ihnen im Trockenen. Sein Justizminister, den er loswerden wollte, kümmert sich nicht um den nahegelegten Rücktritt.
Ein besonders unglückliches Händchen hatte Trump bei der letzten wichtigen Postenbesetzung. Es geht um den Kommunikationschef des Weissen Hauses, denn es ist Trump nicht entgangen, dass seine Zustimmungsrate bei letzten Umfragen erstaunlich tief ist. Ende nächstes Jahr finden Kongresswahlen statt.
Neuer Kommunikationschef wurde Anthony Scaramucci, der als Banker bei Goldman Sachs und als freier Hedge-Fund-Unternehmer viel Geld verdient hatte, aber in seinen politischen Neigungen eher ungefestigt war – bis er auf Donald Trump traf. Trotz Warnungen aus Trumps Stab gehört er zu den hundertprozentigen Loyalisten hinter dem Präsidenten. Das ist die Grundmelodie in den ersten Intervews, die er jetzt gab. Schon eher überraschte die rüde Sprache, die man in Washingtons oberen Rängen so noch nicht gehört hatte. Den soeben entlassenen Stabschef Reince Priebus nannte er schizophren, den amtierenden Chefstrategen Trumps, Steve Bannon, einen unermüdlichen Onanisten – eigentlich noch saftiger.
Das meistzitierte grobe Interview mit Scaramucci hatte ein seit vielen Jahren im Presseraum des Weissen Hauses akkreditierter Journalist, Ryann Lizza, geführt. Er schreibt ohne Fehl für den „New Yorker“, ein inhaltlich und sprachlich hochangesehenes Magazin. Darf man ein solches Interview verbreiten?, fragten einige besorgte Medienethiker. Lizza beharrte darauf. Der Interviewgeber ist deklarierter hochrangiger Kommunikationschef. Er hätte einige Zitate „off the record“ erklären können, dann hätte ich um Freigabe ersuchen müssen. „Das tat er nicht. Ich durfte deshalb vermuten, dass die Interview-Antworten einiges über die Stimmung im Weissen Haus verraten.“
Natürlich wirft das ein Licht auf die mangelnde Professionalität des Weissen Hauses und seinen Chef, dessen stimmungsgeladene Twitterantworten sich mehr auf kritische Medienäusserungen und unliebsame Abstimmungen beziehen als auf ernsthafte komplexe Regierungsarbeit.
Peter Studer war in den 1970er Jahren Amerikakorrespondent des Tagses-Anzeigers und im Weissen Haus akkreditiert.