Hört, hört, ihr Leut’, der Sarkzoy-Zirkus zieht wieder übers Land! Schon am Donnerstag wird er in Nordfrankreich ankommen. Pulks von Kamerateams werden sich um ein paar Bilder des kleinen Mannes prügeln, alle Medien werden ihm zu Füssen liegen und Sicherheitskräfte ihre Arbeit tun.
Es wird ein Rummel sein, wenn sich der inzwischen wieder glattrasierte Vollblutpolitiker erneut in die Arena begibt und wieder mal das tut, was er gewiss am besten kann: Wahlkampf machen. Zweitausend Anhänger werden in einem kleinen nordfranzösischen Ort erwartet, wo Sarkozy erstmals seit zweieinhalb Jahren wieder den Kontakt zur Basis sucht – im Wahlkampf... um den Parteivorsitz der schwer angeschlagenen konservativen UMP.
Drecksarbeit für den Heilsbringer
So hatte er sich das allerdings nicht vorgestellt. Eigentlich wollte Sarkozy als Retter der Nation, der über dem politischen Alltagsgezänk steht, quasi als natürlicher Kandidat der Konservativen für die nächste Präsidentschaftswahl 2017 wieder einschweben, so als wäre er De Gaulle. Von wegen.
Jetzt muss er erstmal die Drecksarbeit machen, in die Untiefen einer hoffnungslos zerstrittenen konservativen Partei hinabsteigen, sich mit Querulanten und Wadenbeissern, mit Frustrierten und ehrgeizigen Postenjägern und mit potentiellen Konkurrenten für die Präsidentschaftskandidatur 2017 herumschlagen. Und er muss die massgeblich durch seine Schuld (siehe die gigantischen Wahlkampfkosten 2012) finanziell quasi ruinierte UMP vor dem endgültigen Zusammenbruch retten.
Ohne Diskussion zum UMP-Präsidium?
Merkwürdig nur, dass er in der Facebook-Botschaft an seine über 900’000 Follower den Namen der Partei, UMP, mit keinem einzigen Wort erwähnt hat, so als schäme er sich für diesen Haufen. Merkwürdig auch, dass er diese Partei quasi von vorneherein mit Verachtung straft, obwohl er nach einem Parteitag am 29. November doch ihren Vorsitz übernehmen will. Dafür muss er aber erst mal gewählt werden, denn es gibt bereits zwei andere Kandidaten. Und die wollen sogar eine öffentliche Diskussion.
Doch Sarkozy ist ganz der Alte geblieben. Nichts von seiner grenzenlosen Überheblichkeit ist ihm verloren gegangen. Das Anliegen, vor der Wahl des Parteivorsitzenden eine öffentliche Fernsehdiskussion mit den verschiedenen Kandidaten abzuhalten, soll Frankreichs Ex-Präsident mit den Worten quittiert haben: «Ich werde doch nicht mit Ducon und Durien diskutieren.» Was so viel heisst wie: mit Krethi und Plethi! Für einen Sarkozy darf eine Wahl zum Parteivorsitzneden nicht mehr als eine Formalität sein. Krethi und Plethi sind im Vorfeld platt zu walzen, und mindestens 80 Prozent der Parteimitglieder haben gefälligst für ihn zu stimmen beim Kongress am 29. November.
Der Mann, der die Partei spaltet
Sarkozy ist also zurück. Dabei war er eigentlich niemals weg. Hat aus seinen vom Staat bezahlten Büros eines Ex-Präsidenten, nur ein paar hundert Meter vom Elyséepalast entfernt, weiter Fäden gezogen, intrigiert, sich auf dem Laufenden gehalten, aberhunderte Weggefährten, Mitglieder und Politiker der konservativen UMP Partei empfangen und, entgegen seiner Äusserungen, nie wirklich daran gedacht, die Politik an den Nagel zu hängen. Der zuckende Wirbelwind kochte gut zwei Jahre lang auf Sparflamme weiter und lies sich einen permanenten Dreitagebart wachsen. Jetzt ist er wieder rasiert, und die Höflinge und Kurtisanen aus Nah und Fern katzbuckeln und hofieren schon gewaltig, in der Hoffnung, dank Sarkozy wieder etwas zu werden.
Allerdings, und das verdient Beachtung, waren aus der konservativen Partei selbst eine ganze Reihe von Stimmen zu hören, die ohne jedes Schönreden Sarkozy als künftigen Parteichef ablehnten. Und das Argument war immer dasselbe: Dieser Mann spaltet, spielt die einen gegen die anderen aus, ja er könnte die Partei endgültig zum Explodieren bringen.
Bilanz der Präsidentschaft 2007-2012
Das Dumme für Sarkozy ist ausserdem: Er wird sich in den nächsten Monaten nun endlich einmal fragen lassen müssen, warum er 2012 eigentlich die Wahl verloren hat. Er wird die Bilanz seiner fünfjährigen Amtszeit ziehen müssen, wird darlegen müssen, was denn neu sein könnte an ihm, was er in Zukunft besser machen könnte und wie. Warum er seinem Nachfolger ein Land in einem Zustand hinterlassen hatte, aus dem jeder Ausweg denkbar schwierig ist.
Nur ein Beispiel. Sarkozy wird sich fragen lassen müssen, warum er 2002 schon als Finanzminister unter Chirac sich dafür stark gemacht hatte, Frankreichs Defizite schleifen zu lassen. Und bei dem Thema wird er sich auch daran erinnern lassen müssen, dass er im Sommer 2007 als Präsident bei einem seiner ersten Auftritte in Brüssel gleich wieder klarstellte, er denke nicht daran, auf die in der EU vereinbarten drei Prozent Obergrenze der Budgetdefizite zuzusteuern.
Damals hatte er sich als Präsident zum Ecofin-Gipfel der EU-Finanzminister einfach eingeladen und den Anwesenden verklickert, dass er zu Hause erstmal die Reichen bedienen müsse und mit Defizitabbau zu warten gedenke. Als der deutsche Finanzminister Steinbrück ihm daraufhin gehörig widersprach, bedeutete Sarkozy seinem Assistenten, «le gros con», das dicke Arschloch solle sofort aufhören so mit ihm, dem Präsidenten der Republik zu sprechen, wenn nicht, dann sei es vorbei mit der deutsch-französischen Freundschaft.
Zweieinhalb Jahre Wahlkampf
So einer tritt nun also wieder an, um zunächst Parteivorsitzender und später, in über dreissig Monaten, erneut Staatspräsident zu werden.
Quasi über Nacht beherrscht er sofort wieder die gesamte ausser Rand und Band geratene Medienszene des Landes. Am 19. September 2014 um 11 Uhr war bekannt geworden, dass französische Kampfflugzeuge im Irak erste Einsätze geflogen hatten. Um 16 Uhr erschien auf Sarkozys Facebook-Seite sein Text über die Pflicht, die ihn zur Rückkehr in die Politik zwinge. Danach sprach in Frankreich niemand mehr von den Luftangriffen und schon gar nicht mehr von Präsident Hollandes Pressekonferenz vom Vorabend.
Politik à la Berlusconi
Bei alldem schleppt Nicolas Sarkozy immerhin ein halbes Dutzend Finanz- und Korruptionsaffären mit sich herum, mit denen eine ganze Reihe von Untersuchungsrichtern im Land beschäftigt sind. Nicht wenige sagen, er stecke so tief in diesen Affären, dass ihm nichts anderes übrig bleibe, als sich so zu verhalten, wie man es von Silvio Berlusconi kennt: zurück an die Macht, um die Justiz wieder ans Gängelband zu nehmen.
Frankreich jedenfalls ist mit Sarkozys Wiedererscheinen auf der politischen Bühne von heute an im permanenten Wahlkampf – so, als wäre die nächste Präsidentschaftswahl in vier Monaten und nicht erst in zweieinhalb Jahren und als gäbe es, angesichts der tiefgreifenden ökonomischen, politischen und auch moralischen Krise des Landes, nichts wichtigeres zu tun. Eine Katastrophe.